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Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/443

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Vortheil oder Nachtheil hervorgieng. Wenn das Männchen brillant gefärbt ist und auffallend vom Weibchen abweicht, wie es bei manchen Libellen und vielen Schmetterlingen der Fall ist, so verdankt es wahrscheinlich seine Farben geschlechtlicher Zuchtwahl, während das Weibchen einen ursprünglichen oder sehr alten Typus der Färbung beibehalten hat, welcher nur unbedeutend durch die früher erörterten Einwirkungen modificirt worden ist. Aber in einigen Fällen ist offenbar das Weibchen dadurch dunkel geworden, dass Abänderungen als directes Schutzmittel auf es allein überliefert worden sind; und es ist beinahe gewiss, dass es zuweilen brillant gefärbt worden ist, um andere denselben Bezirk bewohnende geschützte Arten nachzuahmen. Wenn die Geschlechter einander ähnlich und beide dunkel gefärbt sind, so sind sie ohne Zweifel in einer Menge von Fällen zum Zwecke des Schutzes gefärbt worden. Dasselbe ist in einigen Beispielen der Fall, wo beide hell gefärbt sind, wodurch sie geschützte Species nachahmen oder umgebenden Gegenständen, wie Blüthen, ähnlich werden, oder ihren Feinden zu erkennen geben, dass sie von einer ungeniessbaren Art sind. In andern Fällen, wo die Geschlechter einander ähnlich und beide brillant gefärbt sind, und besonders wenn die Farben zur Entfaltung entwickelt sind, können wir schliessen, dass sie von dem männlichen Geschlechte als Anziehungsmittel erlangt und dann auf das Weibchen übertragen worden sind. Wir werden zu dieser Folgerung noch besonders geführt, sobald derselbe Typus der Färbung durch eine ganze Gruppe hindurch herrscht; und wir finden dann, dass die Männchen einiger Species von den Weibchen in der Färbung sehr abweichen, während beide Geschlechter anderer Species nur wenig verschieden oder völlig gleich sind, wobei dann zwischenliegende Abstufungen diese beiden extremen Zustände mit einander verbinden.

In derselben Art und Weise, wie helle Farben oft theilweise von den Männchen auf die Weibchen übertragen worden sind, ist es auch mit den ausserordentlichen Hörnern vieler Lamellicornier und anderer Käfer der Fall gewesen; so sind ferner die lauterzeugenden Organe, welche den Männchen der Homoptern und Orthoptern eigen sind, allgemein in einem rudimentären oder selbst in einem nahezu vollkommenen Zustande auf die Weibchen übertragen worden, allerdings nicht in einem hinreichend vollkommenen Zustande, um von irgend einem Nutzen zu sein. Es ist auch eine interessante und sich auf geschlechtliche Zuchtwahl beziehende Thatsache, dass die Stridulationsorgane


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/443&oldid=- (Version vom 31.7.2018)