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dass die Weibchen anderer Insecten Schönheit in der Form und Färbung würdigen und dass in Folge hiervon solche Merkmale von den Männchen zu diesem Zwecke erlangt worden sind. Aber wegen des Umstands, dass die Farbe so variabel und dass dieselbe so oft zum Zwecke des Schutzes modificirt worden ist, ist es schwierig zu entscheiden, wie zahlreich im Verhältniss die Fälle sind, bei welchen geschlechtliche Zuchtwahl ins Spiel gekommen ist. Dies ist ganz besonders schwierig in denjenigen Ordnungen, wie den Orthoptern, Hymenoptern und Coleoptern, bei welchen die beiden Geschlechter selten bedeutend in der Farbe von einander abweichen, denn wir sind hier auf blosse Analogie angewiesen. Was indessen die Coleoptern betrifft, so finden wir, wie vorhin bemerkt wurde, dass in der grossen Gruppe der Lamellicornier, welche von einigen Autoritäten an die Spitze der Ordnung gesetzt wird und bei welcher wir zuweilen eine gegenseitige Anhänglichkeit zwischen den Geschlechtern beobachten, die Männchen einiger Species in Besitz von Waffen zum geschlechtlichen Kampfe, andere mit wunderbaren Hörnern versehen, viele mit Stridulationsorganen ausgerüstet und andere wieder mit glänzenden metallischen Farben verziert sind. Es scheint daher hiernach wahrscheinlich, dass alle diese Charactere auf einem und demselben Wege erlangt worden sind, nämlich durch geschlechtliche Zuchtwahl. Bei den Schmetterlingen haben wir die besten Beweise hierfür, da die Männchen sich oft grosse Mühe geben, ihre schönen Farben zu entfalten; wir können nicht glauben, dass sie so handeln würden, wenn dies Entfalten bei der Werbung nicht für sie von Nutzen wäre.

Wenn wir von den Vögeln handeln werden, so werden wir sehen, dass sie in ihren secundären Sexualcharacteren die grösste Analogie mit den Insecten darbieten. So sind viele männliche Vögel in hohem Grade kampflustig und manche sind mit speciellen Waffen zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern ausgerüstet. Sie besitzen Organe, welche während der Brunstzeit zum Hervorbringen vocaler und instrumentaler Musik benutzt werden. Sie sind häufig mit Kämmen, Hörnern, Fleischlappen und Schmuckfedern der mannichfaltigsten Arten geschmückt und mit schönen Farben verziert, Alles offenbar zum Zweck der Entfaltung. Wir werden finden, dass, wie bei den Insecten, in gewissen Gruppen beide Geschlechter gleichmässig schön und gleichmässig mit Zierathen versehen sind, welche gewöhnlich auf das männliche Geschlecht beschränkt sind. In andern Gruppen sind beide Geschlechter


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 431. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/445&oldid=- (Version vom 31.7.2018)