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der Sonne wärmten. Sie zogen sich immer vor einem fremden Menschen zurück und thaten dasselbe auch vor der Dame, welche sie pflegte, so oft sie irgend eine bedeutende Veränderung in ihrem Anzuge vorgenommen hatte. Audubon berichtet, dass er einen wilden Truthahn aufzog und zähmte, welcher vor jedem fremden Hunde ausriss. Dieser Vogel entfloh in die Wälder; einige Tage später sah Audubon, wie er glaubte, einen wilden Truthahn und liess seinen Hund ihn jagen. Aber zu seinem Erstaunen lief der Vogel nicht weg und als der Hund an ihn herankam, griff er den Vogel nicht an, sondern sie erkannten sich beide als alte Freunde wieder.[1]

Mr. Jenner Weir ist überzeugt, dass Vögel den Farben anderer Vögel besondere Aufmerksamkeit zuwenden, zuweilen aus Eifersucht und zuweilen als Zeichen von Verwandtschaft. So that er einen Rohrsperling (Emberiza schoeniclus), welcher seinen schwarzen Kopf bekommen hatte, in seine Voliere, und der neue Ankömmling wurde von keinem Vogel weiter beachtet, ausgenommen von einem Gimpel, welcher gleichfalls einen schwarzen Kopf hat. Dieser Gimpel war ein sehr ruhiger Vogel und hatte sich noch nie zuvor mit einem seiner Kameraden gezankt, mit Einschluss eines andern Rohrsperlings, welcher aber seinen schwarzen Kopf noch nicht erhalten hatte. Aber der Rohrsperling mit dem schwarzen Kopfe wurde so unbarmherzig behandelt, dass er wieder entfernt werden musste. Spiza cyanea ist während der Paarungszeit von hellblauer Farbe; trotzdem der Vogel gewöhnlich friedfertig ist, griff er doch eine S. ciris, welche nur einen blauen Kopf hat, heftig an und scalpirte den unglücklichen Vogel vollständig. Mr. Weir war auch gezwungen, ein Rothkehlchen zu entfernen, da es alle Vögel, die nur irgend etwas Roth in ihrem Gefieder hatten, aber keine andern Arten, wüthend angriff. Es tödtete factisch einen rothbrüstigen Kreuzschnabel und tödtete beinahe einen Stieglitz. Auf der andern Seite hat er beobachtet, dass einige Vögel, als sie zuerst in seine Volière gebracht wurden, nach den Arten hinflogen, welche ihnen am meisten in der Farbe glichen, und sich ruhig an ihrer Seite niederliessen.

Da männliche Vögel mit so viel Sorgfalt ihr schönes Gefieder und andere Zierathen vor den Weibchen entfalten, so ist es offenbar


  1. Hewitt, über wilde Enten, in: Journal of Horticulture, Jan. 13, 1863, p. 89. Audubon, über den wilden Truthahn, in: Ornitholog. Biography, Vol. I, p. 14, über die Spottdrossel, ebenda. Vol. I, p. 110.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/116&oldid=- (Version vom 31.7.2018)