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wahrscheinlich, dass diese die Schönheit ihrer Liebhaber würdigen. Es ist indessen schwierig, directe Belege ihrer Fähigkeit, Schönheit zu würdigen, zu erlangen. Wenn Vögel sich selbst in einem Spiegel anstarren, wofür viele Beweise angeführt worden sind, so sind wir nicht sicher, ob es nicht aus Eifersucht gegen einen vermeintlichen Nebenbuhler geschieht, obschon einige Beobachter dies nicht daraus folgern. In andern Fällen ist es schwierig, zwischen blosser Neugierde und Bewunderung zu unterscheiden. Es ist vielleicht das erstere Gefühl, welches, wie Lord Lilford anführt,[1] den Kampfläufer so mächtig zu jedem hellen Gegenstande hinzieht, so dass er auf den jonischen Inseln „auf ein hell gefärbtes Taschentuch herabfährt, ohne „Rücksicht auf wiederholt abgefeuerte Schüsse“. Die gemeine Lerche wird aus den Lüften herabgezogen und in grosser Anzahl gefangen durch einen kleinen Spiegel, den man in der Sonne bewegt und glitzern lässt. Ist es Bewunderung oder Neugierde, was die Elster, den Raben und einige andere Vögel veranlasst, glänzende Gegenstände, wie Silberzeug oder Juwelen, zu stehlen und zu verbergen?

Mr. Gould führt an, dass gewisse Colibri's die Aussenseite ihrer Nester „mit dem äussersten Geschmacke verzieren. Sie befestigen instinctiv schöne Stücke flacher Flechten daran, die grösseren Stücke in der Mitte und die kleineren an dem mit dem Zweige verbundenen Theile. Hier und da wird eine hübsche Feder hineingeschoben oder an die äusseren Seiten befestigt, wobei der Schaft immer so gestellt wird, dass die Feder frei von der Oberfläche hervorragt“. Den besten Beweis indessen für einen Geschmack für das Schöne bieten die drei Gattungen der bereits erwähnten australischen Laubenvögel dar. Ihre Lauben (s. Fig. 46, S. 63), wo sich die Geschlechter vereinen und ihre fremdartigen Geberden ausführen, werden verschieden gebaut; was uns aber hier am meisten angeht, ist, dass dieselben von den verschiedenen Species in einer abweichenden Art und Weise verziert werden. Der Atlasvogel sammelt munter gefärbte Gegenstände, solche wie die blauen Schwanzfedern von Papageien, gebleichte Knochen und Muschelschalen, welche er zwischen die Zweige steckt oder an dem Eingange in die Laube anordnet. Mr. Gould fand in der einen Laube einen sehr nett gearbeiteten steinernen Tomahawk und ein Stückchen blauen Cattuns, den sich die Vögel offenbar aus einem Lager der Eingeborenen


  1. The Ibis. Vol. II. 1860, p. 344.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/117&oldid=- (Version vom 31.7.2018)