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Zierathen, strengen ihre Stimme an und führen fremdartige Geberden aus. Selbst gut bewaffnete Männchen, von denen man hätte glauben mögen, dass sie in Bezug auf ihren Erfolg nur von dem Gesetze des Kampfes abhiengen, sind in den meisten Fällen im hohen Grade verziert, und ihre Zierathen sind auf Kosten eines gewissen Betrages an Kraft erlangt worden. In anderen Fällen sind Zierathen um den Preis einer vergrösserten Gefahr vor Raubthieren oder Raubvögeln erlangt worden. Bei verschiedenen Species versammeln sich viele Individuen beider Geschlechter an demselben Orte und ihre Brautwerbung ist eine sich in die Länge ziehende Angelegenheit. Wir haben selbst Grund zu vermuthen, dass die Weibchen und Männchen innerhalb eines und desselben Districts nicht immer den Erfolg haben, einander zu gefallen und sich zu paaren.

Welche Folgerung haben wir denn nun aus diesen Thatsachen und Betrachtungen zu ziehen? Entwickelt das Männchen seine Reize mit so viel Pracht und Eifersucht zu gar keinem Zwecke? Sind wir nicht berechtigt anzunehmen, dass das Weibchen eine Wahl ausübt und dass dasselbe die Liebeserklärungen desjenigen Männchens annimmt, welches ihm am meisten gefällt? Es ist nicht wahrscheinlich, dass sich das Weibchen die Sache lange mit Bewusstsein überlegt; es wird aber von dem schönsten oder dem melodischsten oder dem tapfersten Männchen am meisten gereizt oder angezogen. Man darf dabei nicht vermuthen, dass das Weibchen jeden Streifen oder jeden farbigen Fleck studirt, dass z. B. die Pfauhenne jedes Detail in dem prachtvollen Behänge des Pfauhahns bewundert: — es wird wahrscheinlich nur durch die allgemeine Wirkung frappirt. Wenn wir aber gehört haben, wie sorgfältig der männliche Argus-Fasan seine eleganten Schwungfedern erster Ordnung entfaltet und seine mit Augenflecken versehenen Schmuckfedern in der richtigen Stellung, um die volle Wirkung hervorzubringen, aufrichtet, oder ferner wie der männliche Stieglitz abwechselnd seine goldig flitternden Flügel entfaltet, so dürfen wir nichtsdestoweniger uns nicht etwa zu sehr bei der Meinung beruhigen, dass das Weibchen nicht einem jeden Detail eines schönen Gefieders seine Aufmerksamkeit zuwendet. Wir können, wie bereits bemerkt wurde, über eine etwa ausgeübte Wahl nur nach Analogie urtheilen; und die geistigen Fähigkeiten der Vögel weichen nicht fundamental von den unsern ab. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen können wir schliessen, dass das Paaren der Vögel nicht dem Zufalle


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/128&oldid=- (Version vom 18.8.2016)