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erwähnte gefleckte Pfauhahn eine bedeutende Anziehungskraft auf gewöhnliche schwarze Raben-Weibchen geäussert hätten, so würde sich ihre Zahl mit Schnelligkeit vermehrt haben und dies würde ein Fall von geschlechtlicher Zuchtwahl gewesen sein.

In Bezug auf unbedeutende individuelle Verschiedenheiten, welche in einem grösseren oder geringeren Grade allen Gliedern einer und der nämlichen Species gemein sind, haben wir allen Grund zu glauben, dass sie, was die Wirksamkeit der Zuchtwahl betrifft, die bei weitem wichtigste Rolle spielen. Secundäre Sexualcharactere sind einer Abänderung ausserordentlich unterworfen, sowohl bei Thieren im Naturzustande als bei solchen im Zustande der Domestication.[1] Wie wir in unserem achten Capitel gesehen haben, ist auch Grund vorhanden anzunehmen, dass Abänderungen mehr im männlichen als im weiblichen Geschlechte aufzutreten geneigt sind. Alle diese Zufälligkeiten in Verbindung sind für geschlechtliche Zuchtwahl äusserst günstig. Ob in dieser Weise erlangte Charactere auf ein Geschlecht oder auf beide Geschlechter überliefert werden, hängt, wie ich in dem folgenden Capitel zu zeigen hoffe, in den meisten Fällen ausschliesslich von der Form der Vererbung ab, welche bei der in Rede stehenden Gruppe vorherrscht.

Es ist zuweilen schwierig, sich darüber eine Meinung zu bilden, ob gewisse unbedeutende Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern bei den Vögeln einfach das Resultat einer Variabilität mit geschlechtlich beschränkter Vererbung ohne die Hülfe geschlechtlicher Zuchtwahl, oder ob sie durch diesen letzteren Process gehäuft worden sind. Ich beziehe mich hier nicht auf die zahllosen Beispiele, in denen das Männchen prachtvolle Farben oder andere Verzierungen entfaltet, an welchen das Weibchen nur in einem unbedeutenden Grade Theil hat; denn diese Fälle sind beinahe sicher eine Folge davon, dass ursprünglich von dem Männchen erlangte Merkmale in einem grösseren oder geringeren Grade auch aufs Weibchen vererbt worden sind. Was haben wir nun aber aus solchen Fällen zu schliessen, in welchen, wie bei gewissen Vögeln, z. B. die Augen der beiden Geschlechter unbedeutend in der Farbe von einander abweichen?[2] In manchen Fällen


  1. Ueber diese Punkte s. auch das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 1, S. 281; Bd. 2, S. 84, 86.
  2. s. z. B. über die Iris einer Podica und eines Gallicrex in: „The Ibis. Vol. II. 1860, p. 206, und Vol. V. 1863, p. 426.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/133&oldid=- (Version vom 31.7.2018)