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sind die Augen auffallend verschieden. So sind unter den Störchen in der Gattung Xenorhynchus die des Männchens schwärzlich nussbraun, während die der Weibchen bräunlichgelb sind. Bei vielen Hornvögeln (Buceros) haben, wie ich von Mr. Blyth höre,[1] die Männchen intensiv carmoisinrothe und die Weibchen weisse Augen. Bei Buceros bicornis ist der hintere Rand des Helms und ein Streifen auf dem Schnabelkamm beim Männchen schwarz, aber nicht so beim Weibchen. Haben wir anzunehmen, dass diese schwarzen Zeichnungen und die carmoisinrothe Farbe der Augen bei den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erhalten oder verstärkt worden sind? Dies ist sehr zweifelhaft; denn Mr. Bartlett zeigte mir im zoologischen Garten, dass die innere Seite des Mundes dieses Buceros beim Männchen schwarz und beim Weibchen fleischfarbig ist, und ihre äussere Erscheinung oder Schönheit wird hierdurch gar nicht berührt. Ich beobachtete in Chile,[2] dass die Iris beim Condor, wenn er ungefähr ein Jahr alt ist, dunkelbraun ist, dass sie sich aber im Alter der Reife beim Männchen in Gelblichbraun und beim Weibchen in Hellroth verändert. Auch hat das Männchen einen kleinen longitudinalen, bleifarbigen, fleischigen Kamm. Bei vielen hühnerartigen Vögeln ist der Kamm eine bedeutende Verzierung und nimmt während des Actes der Brautwerbung lebendige Farben an. Was sollen wir aber von dem trüb gefärbten Kamme beim Condor uns denken, welcher uns nicht im allergeringsten ornamental erscheint? Dieselbe Frage könnte man in Bezug auf andere Merkmale aufwerfen, so in Bezug auf den Höcker an der Basis des Schnabels bei der chinesischen Gans (Anser cygnoides), welcher beim Männchen viel grösser ist als beim Weibchen. Auf diese Frage kann keine bestimmte Antwort gegeben werden; wir sollten aber vorsichtig mit der Annahme sein, dass solche Höcker und fleischige Anhänge für's Weibchen nicht anziehend sein könnten, wenn wir uns daran erinnern, dass bei wilden Menschenrassen verschiedene hässliche Entstellungen sämmtlich als ornamental bewundert werden: z. B. tiefe Narben auf dem Gesicht, aus denen das Fleisch in Protuberanzen sich erhebt, ferner die Nasenscheidewand mit Stäben oder Knochen durchbohrt, Löcher in den Ohren und weit offen gezerrte Lippen.

Mögen nun Verschiedenheiten ohne weitere Bedeutung zwischen den Geschlechtern, wie die eben einzeln angeführten, durch geschlechtliche


  1. s. auch Jerdon, Birds of India. Vol. I, p. 243—245.
  2. Zoology of the Voyage of H. M. S. Beagle. 1841, p. 6.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/134&oldid=- (Version vom 31.7.2018)