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Trotzdem sind sie aber nicht ganz genau von demselben Punkte aus beleuchtet, wie es der Fall sein sollte; denn die weissen Zeichnungen der Federn, welche beinahe horizontal gehalten werden, sind etwas zu weit nach dem ferneren Ende hin gestellt, d. h. sie stehen nicht hinreichend seitlich. Wir haben indessen kein Recht, absolute Vollkommenheit in einem durch geschlechtliche Zuchtwahl ornamental gemachten Theile zu erwarten, ebensowenig wie wir eine solche in einem durch natürliche Zuchtwahl zu einem realen Zwecke modificirten Theile erwarten dürfen, z. B. in jenem wunderbaren Organe, dem menschlichen Auge. Wir wissen ja, was Helmholtz, die höchste Autorität in Europa über diesen Gegenstand, über das menschliche Auge gesagt hat, nämlich, dass er, wenn ihm ein Optiker ein so nachlässig gearbeitetes Instrument verkaufte, sich vollständig berechtigt halten würde, es ihm zurückzugeben.[1]

Fig. 61. Stück einer der Schwungfedern zweiter Ordnung nahe der Spitze, vollkommene Kugel- und Sockel-Augenflecke tragend.
a. Verzierter oberer Theil.
b. Oberster, unvollkommener Kugel- und Sockel-Augenfleck (die Schattirung oberhalb der weissen Zeichnung auf der Spitze des Ocellus ist hier ein wenig zu dunkel).
c. Vollkommener Augenfleck.

Wir haben nun gesehen, dass eine vollkommene Reihe von einfachen Flecken bis zu den wundervollen Kugel- und Sockelverzierungen sich verfolgen lässt. Mr. Gould, welcher mir einige dieser Federn freundlichst überliess, stimmt durchaus mit mir in Bezug auf die Vollständigkeit der Abstufung überein. Offenbar zeigen uns die von den Federn eines und des nämlichen Vogels dargebotenen Entwickelungsstufen durchaus nicht nothwendig die Schritte an, durch welche die ausgestorbenen Urerzeuger der Species hindurchgegangen sind; sie geben uns aber wahrscheinlich den Schlüssel für das Verständniss der wirklichen Schritte und beweisen mindestens bis zur Demonstration, dass eine Abstufung möglich ist. Vergegenwärtigen wir uns, wie sorgfältig der männliche Argusfasan seine Schmuckfedern vor dem Weibchen entfaltet, ebenso


  1. Populäre wissenschaftliche Vorträge.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/153&oldid=- (Version vom 31.7.2018)