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wie die vielen anderen Thatsachen, welche es wahrscheinlich machen, dass weibliche Vögel die anziehenderen Männchen vorziehen, so wird Niemand, der die Wirksamkeit geschlechtlicher Zuchtwahl zugibt, läugnen können, dass ein einfacher dunkler Flecken mit einer mattgelblichen Schattirung durch die Annäherung und Modification zweier benachbarter Flecken in Verbindung mit einer unbedeutenden Verstärkung der Färbung in eines der sogenannten elliptischen Ornamente umgewandelt werden kann. Diese letzteren Verzierungen sind vielen Personen gezeigt worden und alle haben zugegeben, dass sie schön sind. Einige halten sie sogar für schöner als die Kugel- und Sockel-Augenflecken. In der Weise wie die Schwungfedern zweiter Ordnung durch geschlechtliche Zuchtwahl verlängert wurden und die elliptischen Ornamente im Durchmesser zunahmen, wurden ihre Farben dem Anscheine nach weniger hell; und es musste nun die Verzierung der Schmuckfedern durch Verbesserungen der Zeichnung und Schattirung erreicht werden. Dieser Vorgang ist nun eingetreten bis zur endlichen Entwickelung der wundervollen Kugel- und Sockel-Augenflecken. In dieser Weise — und wie mir scheint in keiner anderen — können wir den jetzigen Zustand und den Ursprung der Verzierungen auf den Schwungfedern des Argusfasans verstehen.

In Folge des Lichtes, welches das Princip der Abstufung uns gibt, — nach dem, was wir von den Gesetzen der Abänderung wissen, — nach den Veränderungen, welche in vielen unserer domesticirten Vögel stattgefunden haben, — und endlich (wie wir später noch deutlicher sehen werden) nach dem Character des Jugendgefieders jüngerer Vögel können wir zuweilen mit einem gewissen Grade von Vertrauen die wahrscheinlichen Schritte andeuten, durch welche die Männchen ihr brillantes Gefieder und ihre verschiedenen Verzierungen erlangt haben. Doch sind wir in vielen Fällen in völlige Dunkelheit gehüllt. Vor mehreren Jahren machte mich Mr. Gould auf einen Colibri aufmerksam, die Urosticte Benjamini, welcher wegen der eigenthümlichen Verschiedenheit, die die beiden Geschlechter darbieten, merkwürdig ist. Das Männchen hat ausser einer glänzenden Kehle grünlichschwarze Schwanzfedern, von denen die vier centralen mit Weiss gespitzt sind. Bei dem Weibchen sind, wie bei den meisten der verwandten Species, die drei äusseren Schwanzfedern auf jeder Seite mit Weiss an der Spitze versehen, so dass das Männchen die vier centralen, das Weibchen dagegen die sechs äusseren Federn mit weissen Spitzen verziert besitzt.


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/154&oldid=- (Version vom 31.7.2018)