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wenn er auch breiter ist als der des Weibchens, doch beträchtlich kürzer, nämlich nur wenig über einen Zoll lang, während der Federkamm des Weibchens zwei und einen halben Zoll lang ist. Nun sind die Jungen beider Geschlechter in allen Beziehungen den erwachsenen Weibchen ähnlich, so dass ihre Federkämme factisch von grösserer Länge, wenn auch etwas schmäler als beim erwachsenen Männchen sind.[1]

Wenn die Jungen und die Weibchen einander sehr ähnlich und beide vom Männchen verschieden sind, so liegt die Folgerung am nächsten, dass allein das Männchen modificirt worden ist. Selbst in den anomalen Fällen von Heliothrix und Mergus ist es wahrscheinlich, dass ursprünglich beide Geschlechter im erwachsenen Zustande die eine Species mit einem beträchtlich verlängerten Schwanze, und die andere mit einem sehr verlängerten Federkamme versehen waren, dass diese Charactere seitdem von den erwachsenen Männchen aus irgend einer unerklärten Ursache verloren und in ihrem verkleinerten Zustande allein ihren männlichen Nachkommen in dem entsprechenden Alter der Geschlechtsreife überliefert worden sind. Die Annahme, dass in der vorliegenden Classe, soweit die Verschiedenheiten zwischen den Männchen und den Weibchen zusammen mit deren Jungen in Betracht kommen, allein das Männchen modificirt worden ist, wird nachdrücklich durch einige merkwürdige, von Mr. Blyth[2] mitgetheilte Thatsachen in Bezug auf nahe verwandte Species, welche einander in verschiedenen Ländern repräsentiren, unterstützt. Denn bei mehreren dieser stellvertretenden Species haben die erwachsenen Männchen einen gewissen Betrag von Veränderung erlitten und können unterschieden werden; die Weibchen und die Jungen aus den verschiedenen Ländern sind dagegen nicht zu unterscheiden und sind daher absolut unverändert geblieben. Dies ist der Fall bei gewissen indischen Schmätzern (Thamnobia), mit gewissen Honigsaugern (Nectarinia), Würgern (Tephrodornis), gewissen Eisvögeln (Tanysiptera), Kalij-Fasanen (Gallophasis) und Baum-Rebhühnern (Arboricola).


  1. Macgillivray, History of British Birds. Vol. V, p 207—214.
  2. s. dessen ausgezeichneten Aufsatz in dem Journal of the Asiatic Society of Bengal, Vol. XIX. 1850, p. 223; s. auch Jerdon, Birds of India. Vol. I, Introduction p. XXIX. In Bezug auf Tanysiptera sagte Prof. Schlegel Mr. Blyth, dass er mehrere verschiedene Rassen durch Vergleichung der erwachsenen Männchen unterscheiden könne.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/190&oldid=- (Version vom 31.7.2018)