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In einigen analogen Fällen, nämlich bei Vögeln, welche ein verschiedenes Sommer- und Wintergefieder haben, deren Geschlechter aber nahezu gleich sind, können gewisse einander nahe verwandte Arten in ihrem Sommer- oder Hochzeitsgefieder leicht unterschieden werden, sind aber in ihrem Winterkleide ebenso wie in ihrem jugendlichen Gefieder ununterscheidbar. Dies ist der Fall bei einigen der nahe unter einander verwandten indischen Bachstelzen oder Motacillae. Mr. Swinhoe theilt mir mit,[1] dass drei Species von Ardeola, einer Gattung der Reiher, welche einander auf verschiedenen Continenten vertreten, „in der auffallendsten Weise verschieden“ sind, wenn sie mit ihren Sommerschmuckfedern geziert sind, dass sie aber nur schwer, wenn überhaupt, während des Winters von einander unterschieden werden können. Es sind die Jungen dieser drei Species gleichfalls in ihrem Jugendgefieder den Erwachsenen in ihrem Winterkleide sehr ähnlich. Dieser Fall ist um so merkwürdiger, als in zwei andern Species von Ardeola beide Geschlechter während des Winters und des Sommers nahezu dasselbe Gefieder behalten, wie das ist, was die drei ersterwähnten Species während des Winters und in ihrem unreifen Alterszustande besitzen; und dieses Gefieder, welches mehreren verschiedenen Species auf verschiedenen Altersstufen und zu verschiedenen Jahreszeiten gemeinsam zukommt, zeigt uns wahrscheinlich, wie der Urerzeuger der Gattung gefärbt war. In allen diesen Fällen ist es das Hochzeitsgefieder, von welchem wir annehmen können, dass es ursprünglich von den erwachsenen Männchen während der Paarungszeit erlangt und auf die Erwachsenen beider Geschlechter in der entsprechenden Jahreszeit vererbt und modificirt worden ist, während das Winterkleid und das Gefieder der unreifen Jungen unverändert gelassen wurde.

Es entsteht nun natürlich die Frage: woher kommt es, dass in diesen letzteren Fällen das Wintergefieder beider Geschlechter und in den zuerst erwähnten Fällen das Gefieder der erwachsenen Weibchen ebenso wie das unreife Gefieder der Jungen durchaus gar nicht beeinflusst worden ist? Diejenigen Species, welche einander in verschiedenen Ländern vertreten, werden beinahe immer irgendwie etwas verschiedenen Bedingungen ausgesetzt worden sein; wir können aber die Modification des Gefieders allein der Männchen kaum dieser Wirkung zuschreiben, wenn wir sehen, dass die Weibchen und die Jungen,


  1. s. auch Mr. Swinhoe in „Ibis“, July, 1863, p. 131, und einen früheren Aufsatz mit einem Auszuge einer Notiz von Mr. Blyth in: Ibis, Jan. 1861, p. 52.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/191&oldid=- (Version vom 31.7.2018)