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an,[1] dass das Weibchen während der Paarungszeit von ausserordentlich kampfsüchtiger Disposition ist; seine Fleischlappen werden dann vergrössert und brillanter gefärbt. Ferner ist das Weibchen von einem der Emus (Dromaeus irroratus) beträchtlich grösser als das Männchen und besitzt einen unbedeutenden Federbusch, ist aber in anderer Weise im Gefieder nicht zu unterscheiden. Allem Anscheine nach besitzt es indessen, „wenn es geärgert oder sonstwie gereizt wird, stärker das Vermögen, wie ein Truthahn die Federn an seinem Halse und seiner Brust aufzurichten. Es ist gewöhnlich muthiger und zanksüchtiger. Es stösst einen tiefen, hohlen, gutturalen Ton aus, besonders zur Nachtzeit, welcher wie ein kleiner Gong klingt. Das Männchen hat einen schlankeren Bau und ist gelehriger, hat auch keine Stimme ausser einem unterdrückten Zischen oder Knurren, wenn es ärgerlich ist“. Es übt nicht nur die gesammten Pflichten der Brütung aus, sondern hat auch die Jungen gegen ihre Mutter zu vertheidigen; „denn sobald diese ihre Nachkommenschaft erblickt, wird sie heftig erregt und scheint trotz des Widerstandes des Vaters ihre äusserste Kraft anzustrengen, sie zu zerstören. Monate lang nachher ist es nicht gerathen, die Eltern zusammenzubringen, heftige Kämpfe sind das unvermeidliche Resultat, aus denen meist das Weibchen als Sieger hervorgeht“.[2] Wir haben daher bei diesem Emu eine vollständige Umkehrung nicht bloss der elterlichen und Brüte-Instincte, sondern auch der gewöhnlichen moralischen Eigenschaften der beiden Geschlechter; die Weibchen sind wild, zanksüchtig und lärmend, die Männchen sanft und gut. Beim africanischen Strauss verhält sich der Fall sehr verschieden, denn hier ist das Männchen etwas grösser als das Weibchen und hat schönere Schmuckfedern mit schärfer contrastirenden Farben; nichtsdestoweniger übernimmt dasselbe vollständig die Pflicht des Brütens.[3]


  1. The Student, April, 1870, p. 124.
  2. s. die ausgezeichnete Beschreibung der Lebensweise dieses Vogels in der Gefangenschaft von Mr. A. W. Bennett, in: Land and Water, May 1868, p. 233.
  3. Sclater, über das Brüten der straussartigen Vögel, in: Proceed. Zool. Soc. June 9, 1863. Dasselbe ist bei der Rhea Darwinii der Fall: Capt. Musters, sagt (At home with the Patagonians, 1871, p. 128), dass das Männchen grösser, stärker und schneller ist als das Weibchen und von einer unbedeutend dunkleren Färbung; doch nimmt es allein die Sorge um die Eier und um die Jungen auf sich, genau so wie es die gewöhnliche Species von Rhea thut.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/204&oldid=- (Version vom 31.7.2018)