Bei dem Haussperling (P. domesticus) weicht das Männchen bedeutend vom Weibchen und von den Jungen ab. Junge und Weibchen sind einander ähnlich und in einem hohen Grade auch beiden Geschlechtern und den Jungen des Sperlings von Palästina (P. brachydactylus), ebenso wie auch einigen verwandten Species. Wir können daher annehmen, dass das Weibchen und die Jungen des Haussperlings uns annäherungsweise das Gefieder des Urerzeugers der Gattung darbieten. Beim Baumsperling (P. montanus) nun sind beide Geschlechter und die Jungen dem Männchen des Haussperlings sehr ähnlich, so dass diese sämmtlich in einer und derselben Art und Weise modificirt worden sind und sämmtlich von der typischen Färbung ihres frühen Urerzeugers abweichen. Dies kann dadurch bewirkt worden sein, dass ein männlicher Vorfahre des Baumsperlings variirte, und zwar erstens als er nahezu geschlechtsreif, oder zweitens während er ganz jung war, in welchen beiden Fällen er sein modificirtes Gefieder auf die Weibchen und die Jungen überlieferte; oder drittens, er kann variirt haben, als er erwachsen war, und kann sein Gefieder auf beide erwachsene Geschlechter und, in Folge des Fehlschlagens des Gesetzes der Vererbung zu entsprechenden Lebensaltern, in irgend einer spätern Periode auf die Jungen vererbt haben.
Es lässt sich unmöglich entscheiden, welche von diesen drei Vorgangsweisen durch die ganze vorliegende Classe von Fällen hindurch vorgeherrscht hat. Die Ansicht, dass die Männchen variirten, als sie jung waren, und ihre Abänderungen auf ihre Nachkommen beiderlei Geschlechts überlieferten, ist die wahrscheinlichste. Ich will hier hinzufügen, dass ich, allerdings mit wenig Erfolg, durch das Consultiren verschiedener Werke versucht habe zu entscheiden, in wie weit bei Vögeln die Periode der Abänderung im Allgemeinen die Ueberlieferung von Characteren auf ein Geschlecht oder auf beide bestimmt hat. Die oft angezogenen zwei Regeln (— nämlich, dass spät im Leben auftretende Abänderungen auf ein und das nämliche Geschlecht überliefert werden, während diejenigen, welche zeitig im Leben auftreten, beiden Geschlechtern überliefert werden —) bewährten sich dem Anscheine nach in der ersten,[1] zweiten und vierten Classe von
- ↑ Es bedürfen z. B. die Männchen von Tanagra aestiva und Fringilla cyanea drei Jahre, das Männchen von Fringilla ciris vier Jahre, um ihr schönes Gefieder zu vervollständigen, s. Audubon, Ornitholog. Biography, Vol. I, p. 233, 280, 378. Die Harlekin-Ente braucht drei Jahre (ebenda Vol. III, p. 614). Das Männchen vom Goldfasan kann, wie ich von Mr. Jenner Weir höre, vom Weibchen unterschieden werden, wenn es ungefähr drei Monate alt ist, es erreicht aber seinen vollen Glanz nicht eher als bis Ende des September des folgenden Jahres.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/211&oldid=- (Version vom 31.7.2018)