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Fällen; sie schlagen aber in der dritten, häufig in der fünften[1] und in der sechsten kleinen Classe fehl. Indessen gelten sie doch, soweit ich es zu beurtheilen vermag, bei einer beträchtlichen Majorität von Vogelarten; auch dürfen wir die auffallende allgemeine Folgerung des Dr. W. Marshall über die Schädelhöcker der Vögel nicht vergessen. Mögen nun die beiden Regeln Geltung haben oder nicht, aus den im achten Capitel mitgetheilten Thatsachen können wir schliessen, dass die Periode der Abänderung ein bedeutsames Element bei der Bestimmung der Form der Ueberlieferung gewesen ist.

In Bezug auf die Vögel ist es schwierig zu entscheiden, nach welchem Maassstabe wir beurtheilen sollen, dass die Periode der Abänderung eine frühzeitige oder späte ist, ob nach dem Alter in Bezug auf die Lebensdauer oder in Bezug auf das Reproductionsvermögen oder in Bezug auf die Zahl der Mauserungen, welche die Species durchläuft. Das Mausern der Vögel ist zuweilen selbst innerhalb einer und der nämlichen Familie ohne irgend eine nachweisbare Ursache bedeutend verschieden. Einige Vögel mausern so zeitig, dass beinahe alle Körperfedern abgestossen werden, ehe die ersten Schwungfedern völlig herangewachsen sind; und wir können nicht annehmen, dass dies der ursprüngliche Zustand der Dinge war. Wenn die Periode der Mauserung beschleunigt worden ist, so wird das Alter, in welchem die Farben des erwachsenen Gefieders zuerst entwickelt wurden, uns leicht fälschlich als ein früheres erscheinen, als es wirklich war. Dies kann durch den Gebrauch erläutert werden, welchem manche Vogelzüchter folgen, von der Brust von Nestling-Gimpeln und vom Kopf oder Hals junger Goldfasanen einige wenige Federn auszureissen, um das Geschlecht der Vögel zu bestimmen; denn bei den Männchen werden diese Federn unmittelbar durch gefärbte ersetzt.[2] Die wirkliche Lebensdauer ist nur bei wenig Vögeln bekannt, so dass wir kaum nach derselben als einem feststehenden Maassstabe urtheilen können.


  1. So brauchen der Ibis tantalus und Grus americanus vier Jahre, der Flamingo mehrere Jahre und die Ardea Ludoviciana zwei Jahre, ehe sie ihr vollkommenes Gefieder erhalten, s. Audubon, a. a. O. Vol. I, p. 221; Vol. III, p. 133, 139, 211.
  2. Mr. Blyth, in: Charlesworth's Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1837, p. 300. Mr. Bartlett hat mir die Mittheilung in Bezug auf die Goldfasane gemacht.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/212&oldid=- (Version vom 31.7.2018)