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so scheint es mir, dass beide Geschlechter in derartigen Fällen meist nahezu gleich gefärbt sind. Ich wandte mich nun in Folge hiervon an Mr. Tristram in Bezug auf die Vögel der Sahara, und er hat mir freundlich die folgende Mittheilung gemacht. Es gibt sechsundzwanzig zu fünfzehn Gattungen gehörige Species, deren Gefieder offenbar in einer protectiven Art und Weise gefärbt ist, und diese Färbung ist um so auffallender, als bei den meisten dieser Vögel dieselbe von der ihrer Gattungsverwandten verschieden ist. Unter diesen sechsundzwanzig Species sind bei dreizehn beide Geschlechter in derselben Art und Weise gefärbt; diese gehören aber zu Gattungen, bei welchen diese Regel gewöhnlich vorherrscht, so dass sie uns nichts darüber sagen, dass die protectiven Farben gerade bei Wüstenvögeln in beiden Geschlechtern dieselben sind. Von den andern dreizehn Species gehören drei zu Gattungen, bei denen die Geschlechter gewöhnlich von einander verschieden sind, und doch sind hier die Geschlechter gleich. Bei den übrigen zehn Species ist das Männchen vom Weibchen verschieden; die Verschiedenheit ist aber hauptsächlich auf die untere Fläche des Körpergefieders beschränkt, welche, wenn der Vogel auf den Boden duckt, verborgen ist; der Kopf und der Rücken haben in beiden Geschlechtern einen und denselben sandfarbigen Anstrich. Es hat also in diesen zehn Species natürliche Zuchtwahl zum Zwecke des Schutzes auf die obere Fläche beider Geschlechter eingewirkt und sie gleich gemacht, während die untere Fläche allein der Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl zum Zwecke der Verzierung verschieden geworden ist. Da hier beide Geschlechter gleichmässig gut geschützt sind, sehen wir deutlich, dass die Weibchen nicht etwa durch natürliche Zuchtwahl verhindert worden sind, die Farben ihrer männlichen Erzeuger zu erben. Wir müssen vielmehr, wie früher erwähnt wurde, auf das Gesetz der geschlechtlich beschränkten Vererbung zurückgreifen.

In allen Theilen der Erde sind beide Geschlechter vieler weichschnäbeliger Vögel, besonders solcher, welche Schilfe und Röhrichte frequentiren, düster gefärbt. Ohne Zweifel würden sie, wenn ihre Farben brillant gewesen wären, ihren Feinden viel auffälliger gewesen sein; ob aber ihre düsteren Färbungen speciell zum Zwecke des Schutzes erlangt worden sind, scheint mir, soweit ich es beurtheilen kann, doch zweifelhaft. Es ist noch zweifelhafter, ob derartige düstere Färbungen zum Zwecke der Verzierung erlangt worden sein können. Wir müssen


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/222&oldid=- (Version vom 31.7.2018)