indessen im Auge behalten, dass männliche Vögel, obschon düster gefärbt, doch häufig bedeutend von ihren Weibchen abweichen, wie es z. B. beim gemeinen Sperling der Fall ist, und dies führt uns zu der Annahme, dass derartige Färbungen, weil sie anziehend sind, durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Viele der weichschnäbeligen Vögel sind Sänger; und man möge sich einer Discussion in einem früheren Capitel erinnern, in welcher gezeigt wurde, dass die besten Sänger selten durch helle Farbentöne verziert sind. Es möchte scheinen, als ob weibliche Vögel der allgemeinen Regel nach ihre Gefährten entweder ihrer angenehmen Stimmen oder ihrer munteren Farben wegen gewählt haben, aber nicht wegen beider Reize in Verbindung. Einige Species, welche offenbar zum Zwecke des Schutzes gefärbt sind, so die Becassine, Schnepfe, der Ziegenmelker, sind gleichfalls nach unseren Ansichten von Geschmack mit äusserster Eleganz gezeichnet und schattirt. In derartigen Fällen können wir schliessen, dass sowohl natürliche als geschlechtliche Zuchtwahl gemeinsam zum Schutze und zur Verzierung gewirkt haben. Ob irgend ein Vogel existirt, welcher nicht einen speciellen Reiz, womit er das andere Geschlecht anzieht, besitzt, dürfte bezweifelt werden. Wenn beide Geschlechter so düster gefärbt sind, dass es voreilig wäre, die Wirksamkeit geschlechtlicher Zuchtwahl anzunehmen, und wenn keine directen Belege dafür beigebracht werden können, dass derartige Farben zum Schutze dienen: so ist es am besten, unsere vollständige Unwissenheit über die Sache einzugestehen, oder was nahezu auf dasselbe hinauskommt, das Resultat der directen Wirkung der Lebensbedingungen zuzuschreiben.
Es gibt viele Vögel, von denen beide Geschlechter auffallend, wenn auch nicht brillant gefärbt sind, so die zahlreichen schwarzen, weissen oder gescheckten Species; und diese Farben sind wahrscheinlich das Resultat geschlechtlicher Zuchtwahl. Bei der gemeinen Amsel, dem Auerhahn, dem Birkhuhn, der schwarzen Trauerente (Oidemia) und selbst bei einem der Paradiesvögel (Lophorina atra) sind allein die Männchen schwarz, während die Weibchen braun oder gefleckt sind, und es lässt sich kaum zweifeln, dass in diesen Fällen die schwarze Farbe ein geschlechtlicher, bei der Nachzucht gewählter Character ist. Es ist daher in ziemlichem Grade wahrscheinlich, dass die völlige oder theilweise schwarze Färbung beider Geschlechter, bei solchen Vögeln wie den Krähen, gewissen Kakadu's, Störchen und Schwänen und vielen
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/223&oldid=- (Version vom 31.7.2018)