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Seevögeln, gleichfalls das Resultat geschlechtlicher Zuchtwahl in Begleitung einer gleichmässigen Ueberlieferung auf beide Geschlechter ist; denn die schwarze Farbe kann kaum in irgend einem Falle als Schutzmittel dienen. Bei mehreren Vögeln, bei welchen allein das Männchen schwarz ist, und bei anderen, bei denen beide Geschlechter schwarz sind, ist der Schnabel oder die Haut um den Kopf hell gefärbt, und der hierdurch dargebotene Contrast erhöht bedeutend ihre Schönheit. Wir sehen dies an dem hellgelben Schnabel der männlichen Amsel, an der carmoisinrothen Haut oberhalb der Augen des Birkhahns und Auerhahns, an dem verschieden und hell gefärbten Schnabel des Trauer-Entrichs (Oidemia), an dem rothen Schnabel der Steindohle (Corvus graculus L.), des schwarzen Schwans und des schwarzen Storches. Dies führt mich zu der Bemerkung, dass es durchaus nicht unglaublich ist, dass die Tukans die enorme Grösse ihrer Schnäbel geschlechtlicher Zuchtwahl verdanken, zu dem Zwecke, die verschiedenartigen und lebhaften Farbenstreifen, mit denen diese Organe verziert sind, zu entfalten.[1] Die nackte Haut an der Schnabelbasis und rund um die Augen ist gleichfalls häufig brillant gefärbt und Mr. Gould sagt, indem er von einer dieser Species spricht,[2] dass die Färbung des Schnabels „während der Paarungszeit zweifelsohne in dem schönsten und brillantesten Zustande sich finde“. Darin, dass die Tukans mit ungeheuren Schnäbeln, wennschon sie durch ihre schwammige Structur so leicht als möglich gemacht worden sind, zu einem uns fälschlich bedeutungslos erscheinenden Zwecke beschwert wurden, nämlich zu dem Zwecke schöne Farben zu entfalten, liegt nicht mehr


  1. Für die ungeheure Grösse des Schnabels bei den Tukans ist noch niemals eine befriedigende Erklärung gegeben worden, noch weniger für deren glänzende Farben. Mr. Bates gibt an (The Naturalist on the Amazons. Vol. II. 1863, p. 341), dass sie ihren Schnabel dazu gebrauchen, Früchte von den äussersten Spitzen der Zweige zu erreichen, und desgleichen, wie von andern Gewährsmännern angeführt wird, Eier und junge Vögel aus den Nestern anderer Vögel herauszuholen. Mr. Bates gibt aber zu, dass der Schnabel „schwerlich als ein für den Zweck, zu welchem er verwandt wird, sehr vollkommen gebildetes Werkzeug betrachtet werden kann“. Die grosse Massigkeit des Schnabels, wie sich, aus seiner Breite, Höhe, ebenso wie aus seiner Länge ergibt, ist nach der Ansicht, dass er nur als Greiforgan dient, nicht verständlich. Mr. Belt glaubt (The Naturalist in Nicaragua, p. 197), dass der Schnabel ein Vertheidigungsmittel gegen Feinde ist, besonders für das Weibchen, während es in einer Höhle in einem Baume auf den Eiern nistet.
  2. Ramphastos carinatus, Gould's Monograph of Ramphastidae.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/224&oldid=- (Version vom 31.7.2018)