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von demselben primitiven Stamme, wie die anderen Schafrassen, oder der Berbura-Ziegenbock mit seiner Mähne, seiner Wamme u. s. w. von demselben Stamme wie andere Ziegen abstammten, so müssen sie, angenommen dass Zuchtwahl nicht auf diese Charactere angewendet worden ist, Folge einfacher Variabilität in Verbindung mit geschlechtlich beschränkter Vererbung sein.

Es erscheint hiernach verständig, dieselbe Ansicht auf alle analogen Fälle auszudehnen, welche bei Thieren im Naturzustande vorkommen. Nichtsdestoweniger kann ich mich doch nicht davon überzeugen, dass diese Ansicht ganz allgemein anwendbar ist, wie z. B. bei der ausserordentlichen Entwickelung von Haaren an der Kehle und den Vorderbeinen des männlichen Ammotragus oder des ungeheuren Bartes der männlichen Pithecia. Nach den Studien, welche ich der Natur habe widmen können, bin ich der Ansicht, dass bedeutend entwickelte Theile oder Organe in irgend einer Periode zu einem besondern Zwecke erlangt wurden. Bei denjenigen Antilopen, bei welchen das Männchen im erwachsenen Alter auffallender gefärbt ist, als das Weibchen, und bei denjenigen Affen, bei welchen das Haar am Gesicht in einer eleganten Weise angeordnet und von einer verschiedenen Farbe ist, scheinen wahrscheinlicher Weise die Haarkämme und Haarbüschel als Zierathen erlangt worden zu sein; und ich weiss auch, dass dies die Ansicht einiger Naturforscher ist. Ist diese Ansicht correct, dann lässt sich wenig zweifeln, dass diese Charactere durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt oder mindestens modificirt worden sind; in wie weit aber diese selbe Ansicht auf andere Säugethiere ausgedehnt werden kann, ist zweifelhaft.

Farbe des Haars und der nackten Haut. – Ich will zuerst alle die Fälle kurz aufführen, die mir bekannt sind, wo männliche Säugethiere in der Farbe von den Weibchen verschieden sind. Wie mir Mr. Gould mitgetheilt hat, weichen bei Beutelthieren die Geschlechter selten in dieser Beziehung von einander ab. Aber das grosse rothbraune Känguruh bietet eine auffallende Veränderung dar, indem hier „zartes Blau an denjenigen Theilen des Weibchens der vorherrschende Farbenton ist, welche beim Männchen roth sind“.[1] Bei dem Didelphis opossum von Cayenne soll das Weibchen ein wenig


  1. Osphranter rufus, Gould, Mammals of Australia, Vol. II, 1863. Ueber Didelphis s. Desmarest, Mammalogie, p. 304.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/279&oldid=- (Version vom 31.7.2018)