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von Haaren an ihren Köpfen zu der Ueberzeugung, dass diese Charactere durch geschlechtliche Zuchtwahl ausschliesslich als Zierathen erlangt worden sind.

Zusammenfassung. – Das Gesetz des Kampfes um den Besitz des Weibchens scheint durch die ganze grosse Classe der Säugethiere zu herrschen. Die meisten Naturforscher werden zugeben, dass die bedeutendere Grösse, Kraft, der grössere Muth und die grössere Kampfsucht des Männchens, seine speciellen Angriffswaffen ebenso wie seine speciellen Vertheidigungsmittel sämmtlich durch jene Form von Zuchtwahl erlangt oder modificirt worden sind, welche ich geschlechtliche Zuchtwahl genannt habe. Diese hängt nicht von irgend einer Ueberlegenheit in dem allgemeinen Kampfe um das Leben ab, sondern davon, dass gewisse Individuen des einen Geschlechtes, und allgemein des männlichen, bei der Besiegung anderer Männchen erfolgreich gewesen sind und eine grössere Zahl von Nachkommen hinterlassen haben, ihre Superiorität zu erben, als die weniger erfolgreichen Männchen.

Es gibt noch eine andere und friedfertigere Art von Wettkämpfen, bei welchen die Männchen versuchen, die Weibchen durch verschiedene Reize anzuregen oder zu locken. Dies wird wahrscheinlich in manchen Fällen durch die kräftigen Gerüche bewirkt, welche die Männchen während der Paarungszeit aussenden, nachdem die Riechdrüsen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Ob dieselbe Ansicht auch auf die Stimme ausgedehnt werden kann, ist zweifelhaft; denn die Stimmorgane der Männchen müssen durch den Gebrauch während des geschlechtsreifen Alters, unter den mächtigen Erregungen der Liebe, Eifersucht oder Wuth gekräftigt und werden in Folge dessen auf dasselbe Geschlecht überliefert worden sein. Verschiedene Kämme, Büschel und Mäntel von Haaren, welche entweder auf die Männchen beschränkt oder bei diesem Geschlechte bedeutender entwickelt sind als bei den Weibchen, scheinen in den meisten Fällen nur ornamental zu sein, obschon sie zuweilen bei der Vertheidigung gegen rivalisirende Männchen von Nutzen sind. Es ist selbst Grund zur Vermutbung vorhanden, dass das verzweigte Geweihe der Hirsche und die eleganten Hörner gewisser Antilopen, obschon sie eigentlich als Angriffs- oder Vertheidigungswaffen dienen, zum Theil zum Zwecke einer Verzierung modificirt worden sind.

Wenn das Männchen in der Farbe vom Weibchen verschieden ist,


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/304&oldid=- (Version vom 31.7.2018)