so bietet es allgemein dunklere und schärfer contrastirende Farbentöne dar. Wir begegnen in dieser Classe nicht jenen glänzend rothen, blauen, gelben und grünen Farben, welche bei männlichen Vögeln und vielen anderen Thieren so häufig sind. Indessen müssen hier die nackten Hautstellen gewisser Quadrumanen ausgenommen werden; denn derartige Theile, häufig in merkwürdiger Lage, sind auf die brillanteste Weise gefärbt. Die Farben des Männchens können in andern Fällen die Folgen einfacher Abänderungen sein, ohne dass eine Zuchtwahl auf sie eingewirkt hat. Wenn aber die Färbungen mannichfaltig und scharf ausgesprochen werden, wenn sie nicht eher entwickelt werden als in der Nähe der Zeit der Geschlechtsreife und wenn sie nach der Entmannung verloren werden, so können wir die Folgerung kaum vermeiden, dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl zum Zwecke des Ornamentes erhalten und ausschliesslich oder beinahe ausschliesslich auf dasselbe Geschlecht überliefert worden sind. Wenn beide Geschlechter in einer und derselben Art gefärbt und die Farben auffallend oder eigenthümlich angeordnet sind, ohne dass diese von dem allergeringsten nachweisbaren Nutzen als Schutzmittel sind und besonders wenn dieselben in Verbindung mit verschiedenen andern ornamentalen Anhängen auftreten, so werden wir durch Analogie zu demselben Schlusse geführt, nämlich dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind, wenngleich sie dann auf beide Geschlechter überliefert wurden. Dass auffallende und verschiedenartige Färbungen, mögen sie auf die Männchen beschränkt oder beiden Geschlechtern gemeinsam sein, der allgemeinen Regel nach in denselben Gruppen und Untergruppen mit anderen secundären Sexualcharacteren verbunden auftreten, welche entweder zum Kampfe oder zur Zierath dienen, – dies wird man für zutreffend halten, wenn man auf die verschiedenen in diesem und dem letzten Capitel mitgetheilten Fälle zurückblickt.
Das Gesetz der gleichmässigen Ueberlieferung von Characteren auf beide Geschlechter, soweit Farben und andere Zierathen in Betracht kommen, hat bei Säugethieren in viel ausgedehnterer Weise geherrscht als bei Vögeln; aber was Waffen, wie die Hörner und Stosszähne, betrifft, so sind diese häufig entweder ausschliesslich oder in einem viel vollkommeneren Grade den Männchen überliefert worden als den Weibchen. Dies ist ein überraschender Umstand; denn da die Männchen allgemein ihre Waffen zur Vertheidigung gegen ihre Feinde aller Art brauchen, würden diese Waffen auch den Weibchen von Nutzen
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/305&oldid=- (Version vom 31.7.2018)