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verziert. Da die Wilden die Frauen den grössten Theil der Arbeit verrichten lassen und man ihnen nicht gestattet, die beste Art von Nahrung zu geniessen, so steht es in Uebereinstimmung mit der characteristischen Selbstsucht der Männer, dass man den Frauen nicht gestattet, die schönsten Zierathen zu erlangen oder zu gebrauchen. Endlich ist es eine merkwürdige, durch vorstehende Anführungen bewiesene Thatsache, dass dieselben Moden in der Modificirung der Kopfform, in der Verzierung des Haares, in dem Malen, dem Tättowiren, dem Durchbohren der Nase, der Lippen oder der Ohren, in der Entfernung oder dem Feilen der Zähne u. s. w., in den von einander entferntest liegenden Theilen der Welt jetzt herrschen oder lange Zeit geherrscht haben. Es ist äusserst unwahrscheinlich, dass diese Gebräuche, welchen so viele Nationen folgen, auf eine aus irgend einer gemeinsamen Quelle herrührende Tradition weisen. Sie deuten vielmehr die grosse Aehnlichkeit des Geistes bei allen Menschen an, zu welcher Rasse sie auch gehören mögen, in derselben Weise, wie die beinahe allgemeinen Gewohnheiten des Tanzens, des Maskirens und der Fertigung roher Gemälde.

Nach diesen vorläufigen Bemerkungen über die Bewunderung, welche die Wilden verschiedenen Zierathen und Entstellungen zollen, die für unsere Augen äusserst hässlich sind, wollen wir sehen, inwieweit die Männer durch die Erscheinung ihrer Frauen angezogen werden und was ihre Ideen von Schönheit sind. Ich habe behaupten hören, dass Wilde in Bezug auf die Schönheit ihrer Frauen völlig indifferent seien und dieselben nur als Sclaven schätzen; es dürfte daher der Mühe werth sein, zu bemerken, dass diese Folgerung durchaus nicht zu der Sorgfalt stimmt, welche die Frauen darauf verwenden, sich zu schmücken, ebensowenig wie zu ihrer Eitelkeit. Burchell[1] gibt einen unterhaltenden Bericht von einer Buschmännin, welche so viel Fett, rothen Ocker und glänzendes Pulver brauchte, dass sie „jeden Andern als einen sehr reichen Ehemann ruinirt haben würde“. Sie zeigte auch „viel Eitelkeit und gar zu offenbares Bewusstsein ihrer Vorzüglichkeit“. Mr. Winwood Reade theilt mir mit, dass die Neger der Westküste oft über die Schönheit ihrer Frauen sich in Erörterungen einlassen. Einige competente Beobachter haben den fürchterlich verbreiteten Gebrauch des Kindesmordes zum Theil auf Rechnung des von den


  1. Travels in S. Africa, 1824. Vol. I, p. 414.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/337&oldid=- (Version vom 31.7.2018)