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blossen physischen Bewunderung einer gut aussehenden Negerin vorziehen würden“.[1]

Die Wahrheit des schon vor längerer Zeit von Humboldt[2] betonten Grundsatzes, dass der Mensch die Charactere bewundert und häufig zu übertreiben sucht, welche die Natur ihm nur immer gegeben haben mag, zeigt sich auf vielerlei Weise. Der Gebrauch bartloser Rassen, jede Spur eines Bartes zu entfernen, ebenso wie allgemein die Haare am Körper, bietet eine Erläuterung dazu dar. Der Schädel ist während alter und neuerer Zeiten von vielen Nationen bedeutend modificirt worden, und es lässt sich wenig zweifeln, dass dies besonders in Nord- und Südamerica zu dem Zwecke ausgeübt wurde, um irgend eine natürliche und bewunderte Eigenthümlichkeit zu übertreiben. Viele americanische Indianer bewundern bekanntlich einen Kopf, der zu einem solchen extremen Grade abgeplattet ist, dass er uns wie der eines Idioten erscheint. Die Eingeborenen der Nordwestküste drücken ihren Kopf in die Form eines zugespitzten Kegels zusammen und es ist beständiger Gebrauch bei ihnen, das Haar in einen Knoten auf der Spitze ihres Kopfes zusammenzufassen zum Zwecke, wie Dr. Wilson bemerkt, „die scheinbare Erhebung der beliebten conischen Form noch zu erhöhen“. Die Einwohner von Arakhan „bewundern eine breite glatte Stirn, und um diese hervorzubringen befestigen sie eine Bleiplatte an den Köpfen ihrer neugeborenen Kinder“. Andererseits „wird ein breites, gut gerundetes Hinterhaupt von den Eingeborenen der Fiji-Inseln für eine grosse Schönheit gehalten“.[3]


  1. The African Sketch Book, Vol. II. 1873, p. 253, 394, 521. Wie mir ein Missionär mitgetheilt hat, welcher lange Zeit unter den Feuerländern gelebt hat, betrachten dieselben europäische Frauen als ausserordentlich schön; nach dem aber, was wir von dem Urtheil der andern Eingeborenen von America gesehen haben, kann ich nur glauben, dass dies ein Irrthum ist, wenn sich nicht geradezu diese Angaben auf Feuerländer beziehen, welche einige Zeit unter Europäern gelebt haben und uns für höhere Wesen halten müssen. Ich muss noch hinzufügen, dass ein äusserst erfahrener Beobachter, Capt. Burton, der Ansicht ist, dass eine Frau, welche wir für schön halten, auf der ganzen Welt bewundert wird; Anthropological Review, March, 1864, p. 245.
  2. Personal Narrative, Vol. IV, p. 518 u. and. O. Mantegazza hebt in seinen Viaggi e Studi, 1867, denselben Grundsatz nachdrücklich hervor.
  3. Ueber die Schädel der americanischen Stämme s. Nott and Gliddon, Types of Mankind, 1854, p. 440; Prichard, Phys. Hist. of Mankind, Vol. I. 3. edit., p. 321; über die Eingeborenen von Arakhan, ebenda, Vol. IV, p. 537; Wilson, Physical Ethnology, in Smithsonian Institution, 1863, p. 288; über die Fiji-Insulaner, p. 290. Sir J. Lubbock (Prehistoric Times, 2. edit., 1869, p. 506) gibt ein ausgezeichnetes Resumé über diesen Gegenstand.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/344&oldid=- (Version vom 31.7.2018)