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bekanntlich die Gewohnheit haben, die Fahnen der beiden mittleren Schwanzfedern sich abzubeissen, die Fahnen dieser Federn von Natur etwas verkümmert sind.[1] Trotzdem aber wird der Gebrauch, den Bart und die Haare am Körper auszureissen, beim Menschen wahrscheinlich nicht eher entstanden sein, als bis diese Haare durch irgend welche Einflüsse schon etwas reducirt geworden waren.

Es ist schwierig, sich darüber ein Urtheil zu bilden, wie sich das Haar auf dem Kopfe zu seiner jetzigen bedeutenden Länge bei vielen Rassen entwickelt hat. Eschricht[2] gibt an, dass beim menschlichen Fötus das Haar im Gesicht während des fünften Monats länger ist als das am Kopfe, und dies weist darauf hin, dass unsere halbmenschlichen Urerzeuger nicht mit langen Zöpfen versehen waren, welche folglich eine spätere Acquisition gewesen sein müssen. Dies wird gleichfalls durch die ausserordentlichen Verschiedenheiten in der Länge des Haares bei den verschiedenen Rassen angedeutet. Beim Neger bildet das Haar nur eine gekräuselte Matraze, bei uns ist es von bedeutender Länge und bei den americanischen Eingeborenen erreicht es nicht selten den Boden. Einige Species von Semnopithecus haben ihren Kopf mit mässig langem Haar bedeckt, und dies dient wahrscheinlich zur Zierde und wurde durch geschlechtliche Zuchtwahl erreicht. Dieselbe Ansicht kann vielleicht auf das Menschengeschlecht ausgedehnt werden, denn wir wissen, dass lange Zöpfe jetzt sehr bewundert werden und schon früher bewundert wurden, wie sich aus den Werken beinahe jedes Poeten nachweisen lässt. Der Apostel Paulus sagt: „(ist es nicht) dem Weibe eine Ehre, so sie lange Haare zeugt“. Und wir haben gesehen, dass in Nordamerica ein Häuptling lediglich wegen der Länge seines Haares gewählt wurde.

Farbe der Haut. – An der besten Art von Beweisen dafür, dass die Farbe der Haut durch geschlechtliche Zuchtwahl modificirt worden ist, fehlt es in Bezug auf das Menschengeschlecht sehr; denn die Geschlechter weichen, wie wir gesehen haben, in dieser Beziehung nicht oder nur unbedeutend von einander ab. Wir wissen indessen aus vielen bereits mitgetheilten Thatsachen, dass die Farbe der Haut


  1. Mr. Sproat hat vermuthungsweise dieselbe Ansicht ausgesprochen (Scenes and Studies of Savage Life, 1868, p. 25). Einige hervorragende Ethnologen, unter Anderen Gosse in Genf, glauben, dass künstliche Modificationen des Schädels zum Vererben neigen.
  2. Eschricht, Ueber die Richtung der Haare, a. a. O. S. 40.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/373&oldid=- (Version vom 31.7.2018)