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Ereignisse zu irgend einem speciellen Zwecke angeordnet seien oder nicht.


Geschlechtliche Zuchtwahl ist in dem vorliegenden Werke in grosser Ausführlichkeit behandelt worden; denn sie hat, wie ich zu zeigen versucht habe, in der Geschichte der organischen Welt eine bedeutungsvolle Rolle gespielt. Ich bin mir wohl bewusst, dass Vieles noch zweifelhaft bleibt; ich habe mich aber bemüht, eine leidlich haltbare Ansicht von dem ganzen Falle vorzulegen. In den niederen Abtheilungen des Thierreichs scheint geschlechtliche Zuchtwahl nichts bewirkt zu haben; solche Thiere sind häufig zeitlebens an einen und denselben Fleck befestigt, oder es sind die beiden Geschlechter in einem und demselben Individuum vereinigt, oder, was von noch grösserer Bedeutung ist, ihr Wahrnehmungs- und intellectuelles Vermögen ist noch nicht hinreichend vorgeschritten, um die Gefühle der Liebe und Eifersucht oder die Ausübung einer Wahl zu gestatten. Wenn wir indessen zu den Arthropoden und Wirbelthieren, selbst zu den niedrigsten Classen in diesen beiden grossen Unterreichen kommen, so sehen wir, dass geschlechtliche Zuchtwahl Bedeutendes erreicht hat.

Bei den verschiedenen grossen Classen des Thierreichs, bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien, Fischen, Insecten und selbst Krustenthieren, folgen die Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern beinahe genau denselben Regeln. Die Männchen sind beinahe immer die Werber und sie allein sind mit speciellen Waffen zum Kampfe mit ihren Rivalen versehen. Sie sind allgemein stärker und grösser als die Weibchen und sind mit den nöthigen Eigenschaften des Muthes und der Kampfsucht begabt. Sie sind entweder ausschliesslich oder in einem viel höheren Grade als die Weibchen mit Organen zur Hervorbringung von Vocal- oder Instrumentalmusik und mit Riechdrüsen versehen. Sie sind mit unendlich mannichfaltigen Anhängen und mit den brillantesten oder auffallendsten Farben, die häufig in eleganten Mustern angeordnet sind, geschmückt, während die Weibchen ohne Zier gelassen wurden. Wenn die Geschlechter in bedeutungsvolleren Bildungen von einander abweichen, so ist es das Männchen, welches mit speciellen Sinnesorganen zur Entdeckung der Weibchen, mit Bewegungsorganen, um sie zu erreichen, und häufig mit Greiforganen, um sie festzuhalten, versehen ist. Diese verschiedenen Bildungen, um sich des Weibchens zu versichern oder es zu bezaubern, werden beim Männchen häufig nur während eines Theils

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/387&oldid=- (Version vom 31.7.2018)