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Nutzen sein kann, und daraus, dass die Weibchen anderer Species zwar sich zweimal mausern, aber doch das ganze Jahr hindurch dieselben Farben beibehalten, können wir schliessen, dass die Gewohnheit sich im Jahre zweimal zu mausern nicht deshalb erlangt worden ist, dass das Männchen während der Paarungszeit einen ornamentalen Character erhalten soll; wir werden vielmehr zu der Annahme geführt, dass die doppelte Mauserung, welche ursprünglich zu irgend einem bestimmten Zwecke erlangt worden ist, später dazu benutzt wurde, in gewissen Fällen den Vögeln durch Erlangung eines Hochzeitsgefieders einen Vortheil zu gewähren.

Es scheint auf den ersten Blick ein überraschender Umstand zu sein, dass bei nahe verwandten Vögeln einige Species regelmässig eine zweimalige jährliche Mauserung erleiden und andere nur eine einzige. Das Schneehuhn mausert sich z. B. zwei oder selbst drei Mal im Jahre und das Birkhuhn nur einmal. Einige der glänzend gefärbten Honigvögel (Nectariniae) von Indien und einige Untergattungen dunkel gefärbter Pieper (Anthus) haben eine doppelte Mauserung, während andere nur eine einmalige im Jahre haben.[1] Aber die Abstufungen in der Art und Weise der Mauserung, welche bei verschiedenen Vögeln bekanntlich vorkommen, zeigen uns, wie Species oder ganze Gruppen von Species ursprünglich ihre doppelte jährliche Mauserung erhalten haben dürften oder wie sie dieselbe, nachdem sie sie früher einmal erlangt hatten, wieder verloren haben. Bei gewissen Trappen und Regenpfeifern ist die Frühjahrsmauserung durchaus nicht vollständig; einige Federn werden erneuert und einige in der Farbe verändert. Wir haben auch Grund zu vermuthen, dass bei gewissen Trappen und rallenartigen Vögeln, welche eigentlich eine doppelte Mauserung erleiden, einige der älteren Männchen ihr Hochzeitsgefieder das ganze Jahr hindurch behalten. Einige wenige bedeutend modificirte Federn können während des Frühjahrs allein dem Gefieder hinzugefügt werden, wie es mit den scheibenförmigen Schwanzfedern gewisser Drongos (Bhringa) in Indien und mit den verlängerten Federn am Rücken, Halse und mit dem Federkamme gewisser Reiher der Fall ist. Durch derartige Stufen kann die Frühjahrsmauserung immer vollständiger gemacht worden sein, bis eine vollkommene doppelte Mauserung erreicht


  1. Ueber das Mausern des Schneehuhns s. Gould, Birds of Great Britain. Ueber die Honigvögel s. Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 359, 365, 369. Ueber das Mausern von Anthus s. Blyth, in: Ibis, 1867, p. 32.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/89&oldid=- (Version vom 31.7.2018)