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den ganzen Tag mit einigem Spielzeug zubringt. Sein Temperament ist indessen mürrisch und wird leicht zur Heftigkeit aufgeregt. Wenn irgend Jemand seine Spielsachen berührt, so hebt er seinen Kopf langsam aus seiner gewöhnlich herabhängenden Stellung und fixirt seine Augen auf den Beleidiger mit einem trägen, aber doch zornigen mürrischen Blicke. Wird die ärgernde Veranlassung wiederholt, so zieht er seine dicken Lippen zurück, entblößt eine vorstehende Reihe häßlicher Zähne (unter denen die großen Eckzähne besonders bemerkbar sind) und führt dann einen schnellen heftigen Schlag mit seiner offenen Hand nach der beleidigenden Person aus. Die Schnelligkeit dieses Griffes ist, wie Dr. Browne bemerkt, bei einem gewöhnlich so torpiden Wesen merkwürdig, da dieser Mensch ungefähr fünfzehn Secunden braucht, wenn er durch irgend ein Geräusch aufmerksam gemacht wird, seinen Kopf von einer Seite zur andern zu drehen. Wenn ihm in diesem wüthenden Zustande ein Taschentuch, ein Buch oder irgend ein anderer Gegenstand in seine Hände gegeben wird, so zieht er ihn nach seinem Munde und beißt ihn. Auch Mr. Nicol hat mir zwei Fälle geisteskranker Personen beschrieben, deren Lippen während der Wuthanfälle zurückgezogen wurden.

Dr. Maudsley frägt, nachdem er verschiedene fremdartige thierähnliche Züge bei Blödsinnigen einzeln geschildert hat, ob dies nicht eine Folge des Wiedererscheinens primitiver Instincte sei — „ein schwaches Echo aus einer weit zurückliegenden Vergangenheit, Zeugen einer Verwandtschaft,[WS 1] welche der Mensch beinahe verwachsen hat.“ So wie jedes menschliche Gehirn im Laufe seiner Entwickelung dieselben Zustände durchläuft, wie diejenigen, welche bei den niedern Wirbelthierclassen auftreten, und da das Gehirn eines Blödsinnigen sich in einem gehemmten Entwicklungszustande befindet, so können wir, fügt er hinzu, vermuthen, daß es „seine ursprünglichen Functionen offenbaren wird, aber keine von den höhern Functionen“. Dr. Maudsley meint, daß dieselbe Ansicht auch auf das Gehirn in seinem degenerirten Zustande bei manchen geisteskranken Patienten ausgedehnt werden dürfe, und fragt: „Woher kommt das wilde Fletschen, die Neigung zur Zerstörung, die obscöne Sprache, das wilde Heulen, die anstößigen Gewohnheiten, welche manche geisteskranke Patienten darbieten? Warum sollte ein menschliches, seiner Vernunft beraubtes Wesen jemals im Character so thierisch werden, wie es bei manchen der Fall ist, wenn es nicht in seinem Innern diese


  1. Vorlage: Verwandtschsft
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/236&oldid=- (Version vom 31.7.2018)