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gibt an, daß drei blindgeborene Kinder unter sieben oder acht sich zu der Zeit in der Anstalt befindenden leicht und stark erröthen. Anfangs sind sich die Blinden nicht bewußt, daß sie beobachtet werden, und es ist, wie mir Mr. Blair mittheilt, eines der wichtigsten Stücke in ihrer Erziehung, dies Bewustsein ihrem Geiste einzuprägen; der hierdurch erlangte Eindruck dürfte die Neigung zu erröthen durch die Verstärkung der Gewohnheit, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten, bedeutend befestigen.

Die Neigung, zu erröthen, wird vererbt. Dr. Burgess theilt den Fall einer Familie mit,[1] bestehend aus dem Vater, der Mutter und zehn Kindern, welche sämmtlich ohne Ausnahme bis zu einem äußerst peinlichen Grade zu erröthen geneigt waren. Die Kinder wuchsen heran, „und einige von ihnen wurden auf Reisen geschickt, um diese krankhafte Empfindlichkeit zu überwinden; es half aber alles nicht das Geringste“. Selbst Eigenthümlichkeiten beim Erröthen scheinen vererbt zu werden. Als Sir James Paget das Rückgrat eines jungen Mädchens untersuchte, fiel ihm die eigenthümliche Art des Erröthens bei ihr auf; es erschien zuerst ein großer rother Fleck auf der einen Wange, dann kamen andere Flecken verschiedentlich über das Gesicht und den Hals zerstreut. Er frug dann später die Mutter, ob ihre Tochter immer in dieser eigenthümlichen Weise erröthet wäre, und erhielt zur Antwort: „Ja, sie ist nach mir gerathen.“ Und nun bemerkte Sir J. Paget, daß er durch das Stellen dieser Frage die Mutter zu erröthen veranlaßt habe; sie zeigte dabei dieselben Eigenthümlichkeiten wie ihre Tochter.

In den meisten Fällen sind das Gesicht, die Ohren und der Hals die einzigen Theile, welche roth werden; viele Personen fühlen aber, während sie intensiv erröthen, daß ihr ganzer Körper zu glühen und zu prickeln anfängt; und dies beweist, daß die ganze Körperoberfläche in irgend einer Art afficirt sein muß. Man sagt zuweilen, daß das Erröthen an der Stirn beginne, häufiger thut es dies an den Wangen und verbreitet sich später bis auf die Ohren und den Hals.[2] Bei zwei von Dr. Burgess untersuchten Albinos begann das Erröthen mit einem kleinen umschriebenen Flecke auf den Wangen über dem Nervengeflecht der Ohrspeicheldrüse und vergrößerte sich dann kreisförmig;


  1. a. a. O. p. 182.
  2. Moreau, Ausgabe des Lavater von 1820; Vol. IV, p. 303.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/305&oldid=- (Version vom 31.7.2018)