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Fällen sogar bis auf den Busen. Er theilt mir den Fall von einer verheiratheten siebenundzwanzig Jahre alten Frau mit, die an Epilepsie litt. Am Morgen nach ihrer Ankunft in der Anstalt besuchte sie Dr. Browne zusammen mit seinen Assistenten, während sie im Bette lag. Im Augenblicke, als er sich ihr näherte, erröthete sie tief über ihre Wangen und Schläfe und das Erröthen breitete sich schnell bis zu den Ohren aus. Sie war sehr erregt und zitterte leicht. Dr. Browne band nun den Kragen ihres Hemdes auf, um den Zustand ihrer Lungen zu untersuchen und dabei ergoß sich ein glänzendes Erröthen auf ihren Busen, sich in einer bogenförmigen Linie über das obere Drittel jeder Brust und abwärts zwischen die Brüste bis nahe an den schwertförmigen Fortsatz des Brustbeins erstreckend. Es ist dieser Fall deshalb von Interesse, weil sich hiernach das Erröthen nicht eher so weit hinab erstreckte, als bis es dadurch intensiv wurde, daß ihre Aufmerksamkeit auf diesen Theil ihres Körpers gelenkt wurde. Im weiteren Verlaufe der Untersuchung wurde sie ruhig und das Erröthen verschwand; aber bei mehreren spätem Gelegenheiten traten dieselben Erscheinungen wieder auf.

Die vorstehend erwähnten Fälle zeigen, daß sich der allgemeinen Regel nach bei englischen Frauen das Erröthen nicht tiefer hinab als bis zum Halse und dem obern Theil der Brust erstreckt. Nichtsdestoweniger theilt mir Sir James Paget mit, daß er kürzlich von einem Fall gehört habe, und er könne sich sicher auf die Angabe verlassen, in welchem ein kleines Mädchen, über etwas beleidigt, was ihrer Idee nach ein Act der Unzartheit war, über ihr ganzes Abdomen und die obern Theile ihrer Beine erröthete. Auch Moreau berichtet[1] nach der Autorität eines berühmten Malers, daß die Brust, Schultern, Arme und der ganze Körper eines Mädchens, welches sich nach Widerstreben dazu verstanden hatte, als Modell zu dienen, roth wurden, als sie zum ersten Male von ihren Kleidern entblößt wurde.

Es ist ziemlich merkwürdig, warum in den meisten Fällen das Gesicht, die Ohren und der Hals allein roth werden, während doch häufig die ganze Oberfläche des Körpers prickelt und heiß wird. Dies scheint hauptsächlich davon abzuhängen, daß das Gesicht und die benachbarten Theile der Haut gewöhnlich der Luft, dem Lichte und den Temperaturveränderungen ausgesetzt gewesen sind, durch welche


  1. s. Lavater, Ausgabe von 1820, Vol. IV, p. 303.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/307&oldid=- (Version vom 31.7.2018)