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so z. B. das Weinen und das Lachen. Die Erblichkeit der meisten unserer ausdruckgebenden Handlungen erklärt die Thatsache, daß Blindgeborene, wie ich von Mr. R. H. Blair höre, dieselben ebenso gut zeigen, wie die mit dem Augenlicht begabten Kinder. Wir können hieraus auch die Thatsache verstehen, daß sowohl die jungen als die alten Individuen weit von einander verschiedener Rassen, sowohl beim Menschen als bei den Thieren, denselben Seelenzustand durch dieselben Bewegungen ausdrücken.

Wir sind mit der Thatsache, daß junge und alte Thiere ihre Gefühle in derselben Art und Weise zum Ausdruck bringen, so vertraut, daß wir kaum bemerken, wie merkwürdig es ist, daß ein junges, kaum geborenes Hündchen mit dem Schwanze wedelt, wenn es freudig gestimmt ist, daß es seine Ohren niederdrückt und die Eckzähne entblößt, wenn es böse werden will, genau so wie ein alter Hund, oder daß ein kleines Kätzchen seinen Rücken krümmt und sein Haar sträubt, wenn es zum Fürchten oder in Zorn gebracht wird, wie eine alte Katze. Wenn wir uns indessen zu Geberden wenden, die bei uns selbst weniger häufig sind und welche wir gewöhnt sind, für künstliche oder conventionelle anzusehen, — so das Zucken der Schultern als ein Zeichen der Unfähigkeit oder das Erheben der Arme mit offenen Händen und ausgespreizten Fingern als ein Zeichen der Verwunderung, — so überrascht es uns vielleicht zu sehr, um sofort zu finden, daß sie angeboren sind. Daß diese und einige andere Geberden vererbt werden, können wir indessen daraus entnehmen, daß sie von ganz kleinen Kindern, von Blindgeborenen und von den allerverschiedensten Menschenrassen ausgeführt werden. Wir müssen auch im Auge behalten, daß neue und in hohem Grade eigenthümliche Gewohnheiten in Association mit gewissen Seelenzuständen bekanntermaßen bei gewissen Individuen entstanden und auf ihre Nachkommen, in einigen Fällen durch mehr als eine Generation, vererbt worden sind.

Gewisse andere Geberden, welche uns so natürlich zu sein scheinen, daß wir uns leicht einbilden könnten, sie wären angeboren, sind allem Anscheine nach gelernt worden wie die Wörter einer Sprache. Dies scheint bei dem Falten und Emporheben der Hände und dem Wenden der Augen nach oben im Gebet der Fall zu sein. Dasselbe gilt für das Küssen als ein Zeichen der Zuneigung; dies ist indessen angeboren, insofern es von dem Vergnügen abhängt, welches die Berührung mit einer geliebten Person hervorruft. Die Belege hinsichtlich


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/343&oldid=- (Version vom 31.7.2018)