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denen auch die verschiedenen Arten einer Gattung von einander abweichen. Um dies zu erläutern, will ich nur zwei Beispiele anführen, welche zufällig als die ersten auf meiner Liste stehen; und da die Verschiedenheiten in diesen Fällen von sehr ungewöhnlicher Art sind, so kann die Beziehung kaum zufällig sein. Eine gleiche Anzahl von Tarsalgliedern ist allgemein in sehr großen Gruppen von Käfern ein gemeinsamer Character; aber in der Familie der Engidae ändert nach Westwood’s Beobachtung diese Zahl sehr ab; und hier ist die Zahl in den zwei Geschlechtern einer und derselben Art verschieden. Ebenso ist bei den grabenden Hymenopteren der Verlauf der Flügeladern ein Character von höchster Wichtigkeit, weil er sich in großen Gruppen gleich bleibt; in einigen Gattungen jedoch ändert die Aderung von Art zu Art und gleicher Weise auch in den zwei Geschlechtern der nämlichen Art ab. Sir J. Lubbock hat kürzlich bemerkt, daß einige kleine Kruster vortreffliche Belege für dieses Gesetz darbieten. „Bei Pontella z. B. sind es hauptsächlich die vorderen Fühler und das fünfte Beinpaar, welche die Sexualcharactere liefern; und dieselben Organe bieten auch hauptsächlich die Artenunterschiede dar.“ Diese Beziehung hat nach meiner Anschauungsweise einen deutlichen Sinn: ich betrachte nämlich alle Arten einer Gattung eben so gewiß als Abkömmlinge desselben Stammvaters, wie die zwei Geschlechter irgend einer dieser Arten. Folglich: was immer für ein Theil der Organisation des gemeinsamen Stammvaters oder seiner ersten Nachkommen veränderlich geworden ist, es werden höchst wahrscheinlich die natürliche und geschlechtliche Zuchtwahl aus Abänderungen dieser Theile Vortheile gezogen haben, um die verschiedenen Arten ihren verschiedenen Stellen im Haushalte der Natur und ebenso um die zwei Geschlechter einer nämlichen Species einander anzupassen, oder endlich die Männchen in den Stand zu setzen mit anderen Männchen um den Besitz der Weibchen zu kämpfen.

Endlich gelange ich also zu dem Schlusse, daß die größere Veränderlichkeit der specifischen Charactere oder derjenigen durch welche sich Art von Art unterscheidet, gegenüber den generischen Merkmalen oder denjenigen, welche alle Arten einer Gattung gemein haben, – daß die oft äußerste Veränderlichkeit des in irgend einer einzelnen Art ganz ungewöhnlich entwickelten Theiles im Vergleich mit demselben Theile bei den anderen Gattungsverwandten, und die geringe Veränderlichkeit eines wenn auch außerordentlich entwickelten, aber

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/191&oldid=- (Version vom 31.7.2018)