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der Kreuzung in der andern Richtung das Gegentheil eintritt. Es wird rathsam sein, durch ein Beispiel etwas vollständiger auseinander zu setzen, was ich unter der Bemerkung verstehe, daß Sterilität mit andern Verschiedenheiten zusammenfalle und nicht eine specielle Eigenthümlichkeit für sich bilde. Die Fähigkeit einer Pflanze, sich auf eine andere propfen oder oculiren zu lassen, ist für deren Gedeihen im Naturzustande so gänzlich gleichgültig, daß wohl, wie ich glaube, Niemand diese Fähigkeit für eine specielle Begabung der beiden Pflanzen halten, sondern Jederman annehmen wird, sie falle mit Verschiedenheiten in den Wachsthumsgesetzen derselben zusammen. Den Grund davon, daß eine Art auf der andern etwa nicht anschlagen will, kann man zuweilen in abweichender Wachsthumsweise, Härte des Holzes, Zeit des Flusses oder Natur des Saftes u. dgl. finden; in sehr vielen Fällen aber läßt sich gar keine Ursache dafür angeben. Denn selbst sehr bedeutende Verschiedenheiten in der Größe der zwei Pflanzen, der Umstand, daß die eine holzig die andere krautartig die eine immergrün die andre winterkahl ist, selbst ihre Anpassung an ganz verschiedene Climate bilden nicht immer ein Hindernis ihrer Aufeinanderpropfung. Wie bei der Bastardbildung so ist auch beim Propfen die Fähigkeit durch systematische Affinität beschränkt; denn es ist noch Niemand gelungen, Baumarten aus ganz verschiedenen Familien aufeinanderzupropfen, während dagegen nahe verwandte Arten einer Gattung und Varietäten einer Art gewöhnlich, aber nicht immer, leicht aufeinander gepropft werden können. Doch wird auch dieses Vermögen ebensowenig als das der Bastardbildung durch systematische Verwandtschaft in absoluter Weise beherrscht. Denn wenn auch viele verschiedene Gattungen einer und derselben Familie aufeinander zu propfen gelungen ist, so nehmen doch wieder in andern Fällen sogar Arten einer nämlichen Gattung einander nicht an. Der Birnbaum kann viel leichter auf den Quittenbaum, den man zu einem eigenen Genus erhoben hat, als auf den Apfelbaum gezweigt werden, der mit ihm zur nämlichen Gattung gehört. Selbst verschiedene Varietäten der Birne schlagen nicht mit gleicher Leichtigkeit auf dem Quittenbaum an, und ebenso verhalten sich verschiedene Aprikosen- und Pfirsichvarietäten dem Pflaumenbaume gegenüber.

Wie Gärtner gefunden hat, daß zuweilen eine angeborene Verschiedenheit im Verhalten der Individuen zweier zu kreuzenden Arten vorhanden ist, so glaubt Sageret auch an eine angeborene

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/350&oldid=- (Version vom 31.7.2018)