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traurig. „Verschwunden, ohne uns nur eine Zeile zurückzulassen, ohne uns in diesen drei Tagen irgend eine Nachricht über seinen neuen Aufenthaltsort zu geben. – Kannst du dir das erklären –?“

Er erhielt keine Antwort. Dreßler hatte wie mechanisch[1] der Schale eine frische Zigarette entnommen und sie ebenso mechanisch angezündet. Sein bartloses Gesicht hatte einen sehr nachdenklichen Ausdruck angenommen. Eine ganze Weile verging so. Man hörte nur das Ticken der Schwarzwälderuhr und das ferne Läuten einer elektrischen Straßenbahn.

Schließlich fragte Dreßler kurz: „Wo und wann hast du Durgassow zum letzten Mal gesehen?“

„Wir, das heißt Anna, meine Frau und ich, waren Dienstag abend in dem Hubermann’schen Konzert. Der Papa hatte sich uns nicht anschließen wollen. Er sagte, er fühle sich etwas matt und wolle daher ausruhen. Wir gingen auch noch in seine Wohnung hinauf und verabschiedeten uns von ihm. Nach dem Konzert besuchten wir für kurze Zeit den Ratskeller und kamen gegen zwölf nach Hause. Als unser Stubenmädchen dann meinem Schwiegervater wie immer am nächsten Morgen um neun Uhr den Kaffee brachte, klopfte sie vergeblich, und –“

„Schon gut. Verzeih’, daß ich Dich unterbreche, lieber Freund. Aber wir kommen schneller zum Ziel, wenn ich Dich jetzt das mir wichtig Erscheinende abfrage. Hier – bitte bediene Dich zunächst –“ Damit hielt er seinem Gaste die Zigarettenschale hin. Als Wieland ablehnen wollte, sagte Dreßler ruhig:

„Rauche nur – es ist besser so! Man regt sich weniger auf, wenn die glimmende Zigarette etwas von den Gedanken für sich beansprucht. – So – und nun zur Sache. – Also seit drei Tagen kein Brief, keine sonstige Nachricht; ebensowenig wißt Ihr etwas von irgendwelchen Reiseplänen Durgassows?“

Wieland nickte nur. – Auch die weiteren Fragen des Freundes konnte er meist nur mit kurzem Ja oder Nein beantworten. – Das, was Dreßler auf diese Weise über das rätselhafte und plötzliche Verschwinden


  1. Vorlage: Mechanisch
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)