Seite:Das tote Hirn.pdf/126

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Aluminiumbuddel in der linken Manteltasche, wer stärker sei: guter Kognak oder ein eisiger Wind unweit Kap Horn. Der Kognak redete mir ein, daß er siegen würde. Allmählich kam ich immer mehr in Stimmung. Ich fühlte mich als Gott in meiner halben Trunkenheit und im Bewußtsein meiner zähen, unverbrauchten Kräfte. Was mir acht Monate Staatshotel seelisch und körperlich geraubt hatten, hatte mir der Torstensen zurückgegeben. Ich liebte den Kutter, von dem ich jeden Fußbreit kannte. Ich betrachtete ihn als meine neue Heimat, und das Meer als das unendliche Sanatorium all derer, die nicht mit der Nachtmütze über den Ohren durchs Leben schleichen.

Kognak …! Und dieser Kognak hier an Bord war kein stinkender Fusel. Ich war bisher nie Alkoholiker gewesen. Mein Vater hatte mir das Hochgefühl eines leichten Schwipses gründlich ausgebläut. Und doch hatte ich ihn einmal so betrunken gesehen, daß ich ihn nicht nur haßte, sondern verachtete: am Todestage meiner Mutter!! Später begriff ich ihn. Er hatte sich betäuben wollen …

Und letzten Endes wollte ich dasselbe heute ebenfalls. Auch ich hatte Tote zu beklagen, die meinem Dasein wieder Inhalt gegeben: Gerda und Boche Boche!

So stampfte ich denn weiter meine Runde, hielt mich an der Reling fest, starrte in die Finsternis, ließ die Sturzseen über mich hinweggleiten, spürte das beißende Salz des Ozeans in den Augen und im Munde, den faden Geschmack allzu reichlichen Kognaks … Hin und wieder, wenn der Torstensen wie ein armseliges Korkstückchen von den Wogen umhergeworfen wurde und die Ankerketten noch schriller sangen, taumelte

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)