Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage | |
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die Natur den Mann später reif werden liess, als das Weib hat sie ihn bevorzugt und hat gezeigt, dass sie höher mit ihm hinaus wollte. Noch viel grösser aber wird die Begünstigung des Mannes dadurch, dass er die einmal erlangten Fähigkeiten fast bis zum Lebensende behalten darf. Das frühreife Weib dagegen hat durchschnittlich nur 30 Jahre, in denen es vollständig ist. Zunächst bedeutet das Klimakterium ja nur das Aufhören der geschlechtlichen Thätigkeit, indessen der Organismus ist Eines und die verschiedenen Functionen stehen in Abhängigkeit von einander. Insbesondere bestehen enge Beziehungen zwischen der geschlechtlichen Thätigkeit und der Gehirnthätigkeit. Erwacht jene, so verändert sich diese und verschwindet jene, so wird sich diese auch verändern. Jene erste Veränderung ist ein beträchtliches Plus, demnach wird die zweite ein Minus sein. Wir haben demnach vom Klimakterium, durch das das Weib ein „altes Weib“ wird, eine Abschwächung der Geistesfähigkeiten zu erwarten. Die Erfahrung trügt die Erwartung nicht. Ich schicke hier gleich voraus, dass es Ausnahmen giebt, dass manche alte Frauen durch erstaunliche Frische bis ins hohe Alter hinein erfreuen. Sie sind aber nur die alte Garde, die sich nicht ergiebt und auch den Hauptansturm des Feindes wenigstens in der Hauptsache, abschlägt: das Gros der Armee unterliegt. Zuerst muss man wieder daran erinnern, dass das Aeussere der Spiegel des Inneren ist. Man spottet zwar vielfach über die Physiognomik, und in der That sind wir gewöhnlich nicht im Stande, unsere physiognomischen Urtheile discursiv zu begründen, es handelt sich da um ein instinctives Erkennen, aber nichtsdestoweniger kann man sich auf das verlassen, was das Gesicht sagt. Man betrachte unbefangen das Gros der alten Weiber und denke über das unwillkürlich gebildete Urtheil nach. Es ist bekannt, welche Fülle von Spott und missgünstigen Bemerkungen seit undenklichen Zeiten her sich über die armen alten Weiber in Versen, Sprüchwörtern und anderweitiger Rede ergossen hat. Sollte das ohne Grund geschehen sein? Man könnte meinen, es sei ein Ausdruck feindseliger Gesinnung, aber wo sollte diese herkommen? Der Mann hasst doch das weibliche Geschlecht nicht, es sei denn, dass er gezwungen ist, mit ihm zu kämpfen. Aber gegen die geschlechtlich nicht mehr
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)