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thätigen Weiber muss er, von Specialfällen abgesehen, Gleichgiltigkeit oder sogar mit Mitleid gemischtes Wohlwollen empfinden. Sie thun ihm nichts mehr, und die Erinnerung an die eigene Mutter sollte jeden zur Milde mahnen. Wenn trotzdem die Volkesstimme von ihnen fast nur Uebles zu sagen weiss, und das Sprüchwort an ihnen wenig gute Haare lässt, so müssen wohl ihre eigenen Eigenschaften mit daran schuld sein. Man wirft ihnen vor Aberglauben, Engherzigkeit, Kleinlichkeit überhaupt, Zanksucht, Schwatzhaftigkeit, Klatschsucht, alles Eigenschaften, die auf einen niedrigen Stand der geistigen Fähigkeiten deuten und eben den erworbenen Schwachsinn des Weibes ausmachen. Gerechterweise muss man freilich hinzufügen, dass das allgemeine Urtheil milder ausgefallen wäre, wenn die alten Weiber weniger hässlich wären. Hässlich heisst ja hassenswerth und das Volk hasst thatsächlich das Hässliche, wie man an den für hässlich geltenden Thieren sieht. So schiesst die abgünstige Meinung über das Ziel hinaus, wenn sie von boshaften alten Weibern, bösen alten Hexen u. s. w. spricht. Die boshaften alten Weiber haben auch früher nichts getaugt, man hat ihnen die Bosheit nur nicht angekreidet, solange sie körperliche Reize hatten. Allerdings tritt durch den Schwachsinn die Bosheit unverhüllter zu Tage und nimmt lächerliche Formen an, aber er erzeugt sie nicht. Der einfache Schwachsinn der Jahre lässt glücklicherweise die wahrhaft guten Eigenschaften des Weibes unverändert, die mütterliche Gesinnung bleibt, und trotz aller Einfältigkeit kann ein altes Weib einen Schatz von Zärtlichkeit in sich bergen.

Nach dieser allgemeinen Uebersicht wäre etwa noch genauer zu zeigen, wie sich der erworbene physiologische Schwachsinn des Weibes kundgiebt. Es ist schon Anderen aufgefallen, dass die Lernfähigkeit des Weibes, ihre am meisten entwickelte Fähigkeit, relativ früh aufhört. Näheres darüber ist freilich sehr schwer festzustellen. Ein sehr auffallender Zug ist die allmähliche Zunahme der geistigen Myopie. Nur das Nächste wird gesehen und deshalb wird es überschätzt. Characteristisch ist die Sparsamkeit am unrechten Orte; grosse Ausgaben müssen gemacht werden, weil man sich zu kleinen nicht entschliessen konnte, und, um Pfennige zu retten, wird

Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)