Seite:De Arndt Mährchen 1 272.jpg

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Jüngling geträumt, der vor ihr Bett getreten, sich demüthig und freundlich vor ihr verneigt und sie mit einem großen grünen Kranze ganz zugedeckt hatte. Durch diese süße Erscheinung war sie aufgeweckt und hatte den blonden Kranzträger vergebens in dem Zimmer und in dem Hause und Garten gesucht; denn ihr däuchte, er sey leibhaftig da gewesen. Jetzt ging sie voll der süßen und wehmüthigen Gefühle, welche das holde Bild in ihrem Busen erregt hatte, in ihrem Liliengange auf und ab und hörte die Nachtigallen schlagen und den Morgen begrüßen. Besonders ergötzte sie sich an einer Nachtigall, die sie, in der Luft hin und her fliegend, immer begleitete und fast, wie die Lerchen und Graßmücken thun, um Fluge sang. Das war aber keine von den Nachtigallen der alten Hexe, die zum Garten gehörten, sondern es war einer der kleinen Weissen, unter den Vögeln versteckt. Als sie nun so unschuldig und in süßer träumender Sehnsucht und Wehmuth versunken unter ihren Blumen spazieren ging, da kam mit Einem Male von dem andern Ende des Gartens eine alte Frau daher in einem braunen Rocke und mit schneeweissem Kopfe, den eine schwarze Mutze bedeckte und der bis zur Erde niederhing; sie kroch aber mehr, als sie ging, und hustete bei jedem Schritt, den sie that. Als sie nun

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_272.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)