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Bräutigam zu begrüßen. Nein an dir sind alle meine Künste verloren.

Darauf wandte sie sich zu dem Lilienmädchen und ihre Blicke wurden so fürchterlich, als seyen tausend Kröten zugleich aus ihren glühenden Augen gesprungen und als zischten wer weiß wie viele Schlangen aus ihrem garstigen Munde. Das Kind erschrack bei diesem scheußlichen Anblick so sehr, daß ihre ganze süße kleine Seele in ihr bis in das Innerste erbebte, und sie hatte grade noch Zeit, ehe ihr das Aergste widerfuhr, sich mit dem Ringelein die Stirn zu reiben und das Reimlein herzusagen:


     Goldringelein! Goldringelein!
Mach mich klein, mach mich fein!
Sandkorn ist das Kleinste,
Spinnweb ist das Feinste.


Und als sie diese Worte leise gemurmelt hatte, fiel sie flugs als ein Sandkörnchen und Spinnwebchen auf die Erde, und die Hexe fuhr vor Schauder wohl drei Schritt vor ihr zurück. Und als sie sich so klein geworden sah, flüsterte sie leise die Worte darüber:


     Huhu! welch ein Wicht!
Körnlein verwehe nicht!
Spinnweb zerreisse nicht!
Huhu! Huhu!
Mein Glück wie dünn bist du!

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_288.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)