Seite:De Arndt Mährchen 1 459.jpg

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Und in derselben Minute, als der Alte sein letztes Wort ausgemurmelt hatte, war Hans nicht mehr da und der alte graue Mann nicht mehr da, und Mariechen stand ganz allein an der grünen Wiese unter der Eiche und das arme Kind zitterte und bebte vor Furcht und Schrecken an allen Gliedern. Als sie sich besann, sah sie ein kleines grünes Dornsträuchlein auf der Stelle stehen, wo eben Hans gestanden hatte. Es war ein Schlehenstrauch und stand da mit schneeweissen Blüthen und rührte seine grünen Blättchen fröhlich im Abendwinde. Und Mariechen, als sie sich besonnen hatte und ihn erblickte, rief ausser sich vor Freuden: Mein Dom! mein Dom! mein süßer Baurendom! mein Hans! mein Bräutigan! so bist du denn endlich da?

Und das Kind warf sich auf die Erde und umschloß das Dornsträuchlein mit seinen Armen und herzte es und küßte es und weinte viele Thränen darauf, und es ist wohl jede Blüthe und jedes Blättchen des Sträuchleins mit einem Thränchen aus ihren Augen benetzt worden. Und Mariechen lag wohl drei Stunden so und hielt das Dornbüschchen zärtlich in ihren Armen; dann hörte sie es zwölf schlagen, sagte ihm mit tausend Küssen Lebewohl, nahm den weissen Hahn, dem Hans mit seinem Schnupftuche die

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_459.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)