Seite:De Arndt Mährchen 2 289.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sucht nicht bergen können; denn er nur Einen Gedanken und Ein Leben, und das war Nanthilde und immer Nanthilde.

Und der König sein Vater ward bestürzt, als er ihn so bleich stumm und traurig erblickte, und fragte ihn um die Ursache seiner Traurigkeit. Der Prinz aber antwortete ihm: Mein Herr König und Vater, dein Sohn und Diener hatte im einsamen Waldthale, wo er jagen gegangen war, ein schneeweißes Reh gefunden, das zahm war wie ein Kind und mit dem er scherzen und spielen konnte, und das Reh war seiner Seele lieb geworden – und siehe! nun sind Räuber gekommen und haben das niedliche Thierchen getödtet oder gestohlen. Darum ist mir das Herz so voll Traurigkeit. Und wenn du mich lieb hast, sey nun gnädig und erlaube, daß deine Zimmerleute mit mir dahinab ziehen und mir ein Häuschen bauen, worin ich zuweilen wohnen und die fröhlichen und unschuldigen Waldvögelein klingen und zwitschern hören kann, wenn mir des Schellengeklingels und Zungengeflüsters der Schmeichler und Schönsprecher in deinen königlichen Sälen zu viel wird. Und der alte König lächelte und sprach Ja, und schickte seine Zimmerleute über das Gebirg hinab, und der Prinz ritt mit ihnen, und zeigte ihnen, wo und wie sie ihm das Häuschen bauen sollten. Er wollte aber eben ein solches Häuschen haben, wie er weiland auf der Brandstättte gesehen, und es sollte auch da wieder hingebaut werden. Und sie waren in zwei Tagen fertig mit dem Bau, und verwunderten sich des Prinzen, daß seine Herrlichkeit unter einem so niedrigen Dache wohnen wollte.

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_289.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)