Seite:De Arndt Mährchen 2 295.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Heiden begraben müssen. Als er ihn nun so todesbleich und elend sah, ist er eines Tages vor ihm auf die Kniee gefallen, hat ihm die Hand genommen und mit Küssen bedeckt und mit tausend heißen Thränen begossen, und dann diese Worte gesprochen: Stirb nicht! – o bei dem allmächtigen Gott bitt’ ich dich – lieber Hilderich, stirb mir nur hier nicht! O ich kenne deine Krankheit, und muß und will sie heilen. Wenn du liebst – und ich fühle und weiß, du liebst – so liebe auch mit Hoffnung! denn ohne die grüne Hoffnung ist die schönste Liebe welk. Sey jung und muthig, wie du ein Jüngling bist! liebe und hoffe, und hoffe und liebe! Denn wie dunkel es dich auch dünke, es kann ja mit Gott noch alles lichter Sonnenschein werden. Und der Prinz erstaunte ob der Rede des Mannes, und sie hatte ihm so weich gefunden und gemacht, daß er endlich sein süßes und schmerz1iches Geheimniß gebeichtet hat. Und Reginfrid war froh und sagte: Geliebter Prinz, glaube und vertraue, Gott ist mit in diesem wundersamen Spiel. Gewiß das süße Kind lebt, so grausam hat der Himmel nicht mit dir spielen wollen; du wirst sie wiederfinden und alles Leid wird Freude werden. Und er hauchte dem Kranken so viel Hoffnung und Muth in die Brust, daß er von Stund an gesund ward und in wenigen Tagen wieder zu Roß saß.

Jetzt aber legten sie der Rückreise scharfe Sporen an, und es ging wie auf Windesflügeln ohne Rast und Ruh aus dem Morgenlande immer gen Westen; und der Prinz hätte den Vogel Greif der Wüste Kobi haben mögen, um recht geschwind zur Stelle zu seyn, wohin seine Sehnsucht

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_295.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)