Dann kam ich in das Gedränge, und zwischen lauter fremden Menschen, die alle auch ihre Sorgen hatten und eilten und hasteten, ward ich vom Schiff auf die Brücke und dann in den großen dunkeln Schuppen geschoben, an dem der Dampfer noch lag. Ich blieb noch einmal stehen, durch das große, offene Tor, das man eben schließen wollte, sah ich noch einmal das Schiff – es war jetzt los vom Lande, ein Zittern ging durch das Ungeheuer, als ob ein Riese sich seiner Kraft bewußt würde. Ich suchte noch einmal mit den Blicken nach Ta und dem Provikar – da schloß sich das Tor.
Vor mir zur Straße zurück ging eine gebeugte, alte Frau, die bitterlich weinte; ein kleiner Junge führte sie, und ich hörte ihn tröstend sagen: »Never mind, granny dear, they’ll come back!« Aber die alte Frau weinte weiter, sie hatte wohl oft Menschen gehen und nicht wiederkehren sehen und wußte wie ich, daß Menschen vielleicht, Zeiten aber nie wiederkehren.
Das Episodenhafte des Lebens lastet heute so besonders schmerzlich auf mir, lieber Freund, das Zerrissene, Heimatlose. Der arme Ta war mir immer noch wie eine Verbindung mit den chinesischen Jahren; sie waren ja in vielem traurig und enttäuschend, manches haben wir dort erlebt, manches aus der Heimat dort vernommen, was
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/129&oldid=- (Version vom 31.7.2018)