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Menschen gekannt! Knechtung, Erpressung und Ungerechtigkeit, wie auch große verheerende Naturkatastrophen schienen sie geduldig zu tragen; vielleicht sahen sie in ihnen nur die verhältnismäßig gleichgültigen Begleiterscheinungen des einen großen Übels, des Lebens. Jahrhundertelang sind sie gezüchtet worden in einem System, dessen Erpressung, Ungerechtigkeit und Betrug so recht auf der ewigen Trägheit und Feigheit der großen Massen beruhen. Jeder hatte dort immer Mächtigere zu versöhnen, umzustimmen, zu erkaufen. Die einzige Erleichterung und Rettung vor der ungeheuren Last war schlaue Überlistung der Bedrücker. Wie so oft in menschlichen Verhältnissen, knechtet dort der Stärkere den Schwächeren und wird dafür von ihm hintergangen. Leicht zu befriedigen schienen mir eigentlich die Chinesen, verlangten nicht mehr, als daß die paar Kupfermünzen, die sie täglich verdienten, ihnen nicht von einem ihrer Peiniger abgerungen würden; daß dies aber oft vorkommen muß, sahen sie alle als alte Weltenregel an, in die man sich philosophisch fügt, wenn man sie nicht listig zu umgehen weiß. Arme, durch Bedrückung schlau und gemein gewordene Menschen, deren Geist viel mehr nach kleinen Schlichwegen, spitzfindigen Verdrehungen und Betrügereien als nach großen Taten zu sinnen schien. Und sie alle sollen

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/204&oldid=- (Version vom 31.7.2018)