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kleiner Vorrat an Widerstandskraft wiederum ein bißchen abgenommen hat. Die Hitze und Schwüle der Stadt seien schuld daran, meinte der Arzt, Seeluft würde mir gut tun. Ich weiß es anders. Die fortwährende namenlose Angst nagt an mir Tag und Nacht; und nur das, was wie ein Wunder wäre, kann mir noch helfen.

Aber mein Bruder wünschte so sehr, etwas für mich zu tun, für die doch nichts mehr zu tun ist. Da hab ich mich gefügt, und wir sind in dies nahe Seebad gezogen.

Ich bin so müde, so hoffnungslos. Warum noch irgend etwas? Warum irgend etwas nicht? Was kann noch Wert haben, wenn das Eine, Entsetzliche geschehen durfte? Es ist jetzt ja doch alles einerlei.

Das Eine aber, was ich nicht ertragen kann, ist, wenn fremde, wohlmeinende Menschen mir sagen: »Wie müssen Sie froh sein, daß Sie nicht in Peking sind!« Oder: »Es ist doch eine wahre Fügung Gottes, daß Sie wenige Monate vorher abgereist sind.«

O nein, ich bin nicht froh, fort zu sein! Wachend und träumend habe ich ja nur den einen Wunsch, in Peking zu sein, seitdem ich weiß, daß Sie dort sind. Dann wären wir doch zusammen – und was läge mir dann daran, alle Leiden erdulden zu müssen? Sie wären ja alle leichter zu ertragen als

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/241&oldid=- (Version vom 31.7.2018)