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wie die, dass sie Lucifer zu Ehren Messen lesen liessen, und dass ihr „filius major“[1] seine eigenen beiden Kinder in feierlicher Weise ehelich miteinander verbunden habe, dürften sich kaum anders als durch Geständnisse, welche die Folter von den angeklagten Häretikern erzwang, erklären lassen[2]. Das Misstrauen, welches die angedeuteten Widersprüche gegen die Glaubwürdigkeit des Berichtes erregen, wird noch bedeutend durch die Beobachtung verstärkt, dass die Anklage des Satansdienstes vom 13. bis ins 15. Jahrhundert gegen die verschiedenartigsten ketzerischen Parteien, und zwar offenbar ohne jedwelchen stichhaltigen Grund, erhoben worden ist. So bedürfen in erster Linie die schon von dem deutschen Klerus jener Zeit als solche erkannten Märchen Konrad’s von Marburg[3] von der Teufelsverehrung und den Orgien der von ihm verfolgten Ketzer für den unbefangenen Leser der Quellenberichte keiner Widerlegung; und doch sind dieselben ohne Zweifel für ähnliche grundlose Anklagen der

  1. Es ist zu beachten, dass bei Pez, dessen Version in mancher Beziehung den Vorzug vor den übrigen Fassungen verdient, dieser Titel nicht vorkommt. Sollte er erst in der gemeinsamen Quelle der anderen Fassungen eingesetzt worden sein? Dass man Einrichtungen der Katharer auf andere Secten übertrug, kommt auch anderwärts vor; so mussten sich z. B. die 1387 processirten piemontesischen Waldenser (vergl. S. 324, Anm. 3) durchgehends zum Empfang des Consolamentum bekennen.
  2. Ueber die Anwendung der Folter und anderer gewaltthätiger Mittel zur Erpressung von Geständnissen in den Inquisitionsprocessen vergl. Lea I, 417 ff. und die charakteristische Aeusserung des 1319 processirten Bernard Delicieux: quod beati Petrus et Paulus ab heresi defendere se non possent, si viverent, dum tamen inquireretur cum eis per modum ab inquisitoribus observatum (Limborch, Liber sententiar. inquisitionis Tolosanae S. 269). David von Augsburg (S. 223 und 225) empfiehlt Bedrohung mit dem Tode, Zusicherung der Amnestie nach abgelegtem Geständniss, durch Nahrungsentziehung verschärfte Einzelhaft und Anwendung der Folter, um die angeklagten Ketzer zum Geständniss zu bringen. Der um 1346 ernannte böhmische Inquisitor Swatibor erhält die Ermächtigung, seinen Untersuchungsgefangenen Ketten und Handeisen anzulegen, sie zeitweilig oder lebenslänglich einzukerkern und zu foltern (Arch. f. österr. Gesch. 61, 339).
  3. Vergl. Hartzheim, Concilia Germaniae III, 543 ff. Ketzer- und Dämonengeschichten von geradezu unbegreiflicher Naivetät erzählt u. a. Cäsarius von Heisterbach, Hist. memorab. V, 18, und Alberic von Trois-Fontaines ad a. 1160 (a. a. O. S. 845). Statt den im 12. und 13. Jahrhundert herrschenden, sich in solcherlei Ammenmärchen aussprechenden Aberglauben für die Erdichtung der unsinnigen, gegen die Ketzer jener Zeit erhobenen Anklagen verantwortlich zu machen, bemerkt Kaltner (Konrad von Marburg S. 61), jenes nahezu allmächtige Schalten Satans habe sich erst aus dem Systeme der Katharer und Luciferianer entwickelt.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_323.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2022)