Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts

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Autor: Herman Haupt
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Titel: Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 1 (1889), S. 285–330.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1889–1890
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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[285]
Waldenserthum und Inquisition
im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts.[1]
Von
Herman Haupt.


Wenige Jahrzehnte nach der erstmaligen Verhängung des Kirchenbannes über die waldensische Secte im Jahre 1184 sehen wir dieselbe schon im Westen des deutschen Reiches, in den Bisthümern Metz, Toul, Besançon und Strassburg verbreitet, und auch den Beginn der waldensischen Missionsthätigkeit im übrigen Süddeutschland werden wir nicht weit über den Beginn des 13. Jahrhunderts hinausrücken dürfen[2]. Zur Zeit des Religionsgespräches [286] von Bergamo, das 1218 zwischen Abgesandten der französischen und der lombardischen Gruppe der Waldenser stattfand und eine lange dauernde Trennung beider Parteien herbeiführte, war die Propaganda der lombardischen Armen in Süddeutschland bereits organisirt: wenige Jahre nach jenen Verhandlungen werden die deutschen Reiseprediger und ihre Gläubigen von dem Misserfolg des Gespräches in Kenntniss gesetzt, und zwei Angehörige der lombardischen Genossenschaft, Ugolo und Algosso, zur näheren Informirung der Glaubensgenossen in Deutschland entsandt[3]. Nur den lombardischen Zweig der waldensischen Secte, welcher der Kirche gegenüber eine weit schroffere Haltung einnahm als die französische Gruppe, sehen wir künftig in Deutschland vertreten, und bis in das 15. Jahrhundert hinein ist das deutsche Waldenserthum der Centralleitung der lombardischen oder italienischen Armen untergeordnet geblieben.

Wie allerwärts, so trafen die Waldenser auch in Oesterreich den Boden für die Verbreitung ihrer Reformideen durch die ihnen vorangegangenen Katharer – auch deren Ausgangspunkt ist ohne Zweifel die Lombardei gewesen – vorbereitet. Zum Jahre 1210 berichten die Klosterneuburger Annalen[4] von einer Verfolgung [287] der „Patarener“, die vielleicht mit den grausamen von Herzog Leopold VI. (1198–1230) gegen die österreichischen Hetzer ergriffenen Massregeln, von denen uns Thomasin von Zirkläre[5] erzählt, in Verbindung zu bringen ist. Als sich der Herzog in den Jahren 1207 und 1208 um die Gründung eines eigenen Bischofsitzes in Wien bemühte, wurde dieser Plan von ihm besonders durch den Hinweis auf die weite Verbreitung der Ketzer in seinen Ländern begründet[6]. Ein etwas bestimmteres Zeugniss für das Vorhandensein österreichischer Katharer im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts liefert uns der merkwürdige Brief des vor der Albigenserinquisition um 1215 aus Frankreich geflüchteten Clerikers Ivo von Narbonne an den Erzbischof Girald von Bordeaux (1227–1261) aus dem Jahre 1242[7]; der geistliche Abenteurer berichtet in demselben sehr ausführlich über seinen Verkehr mit den Katharergemeinden von Como, Mailand, Gemona (n. von Udine) und anderen Städten Oberitaliens, von seiner Wanderung über die Alpenpässe nach Friesach in Kärnthen, wo er, wie es scheint, abermals Katharer antrifft, und von seinem Aufenthalt in Wiener-Neustadt und Wien: hier und in den umliegenden Orten will er viele Patarener zur Kirche zurückgeführt haben. Auch der zwischen 1220 und 1250 in [288] Oesterreich dichtende „Stricker“ widmet in seiner „Klage“[8] den Ketzern seiner Zeit ein längeres Capitel, in welchem er die dualistischen Lehren der Katharer zurückweist.

Die Zurückdrängung des Katharerthums in Deutschland in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts werden wir uns wohl in der Weise vorzustellen haben, dass dasselbe durch die waldensische Secte, deren strenge Sittenlehre und Feindseligkeit gegen die herrschende Kirche sich von der der Katharer kaum unterschied, rasch aufgesogen wurde. In Frankreich sehen wir die der Kirche entfremdeten Volkskreise um die Mitte des 13. Jahrhunderts häufig genug überhaupt gar keinen Unterschied zwischen katharischen und waldensischen Reisepredigern machen, bald die Seelsorge des einen, bald die des anderen in Anspruch nehmen[9]; ebenso werden auch gleichzeitig in Oesterreich die Bekenner des Katharerthums, dessen dualistische Lehren dem religiösen Bedürfnisse des deutschen Volkes offenbar wenig entsprachen, in ihrer grossen Mehrheit den rastlos thätigen waldensischen Missionaren sich zugewandt haben. Aus einzelnen Stellen der Predigten Berthold’s von Regensburg[10] scheint zwar hervorzugehen, dass um [289] die Mitte des 13. Jahrhunderts in Süddeutschland neben den Waldensern auch die Katharer noch verbreitet waren. Dagegen nennt Berthold’s Lehrer, der wohlunterrichtete David von Augsburg[11], dessen zwischen 1256 und 1272 verfasster Tractat über die Waldenser die von David als Inquisitor gemachten Erfahrungen zu Grunde liegen, als die gefährlichsten Ketzer seiner Zeit eben die Waldenser, neben welchen die Katharer überhaupt nicht, die Ortliber, Arnoldisten und Runcarier nur beiläufig als Abzweigungen der Waldenser erwähnt werden. Der gleichfalls aus vielseitiger eigener Erfahrung schöpfende sogenannte Passauer Anonymus ferner, dessen grosses polemisches Sammelwerk über Juden und Ketzer zwischen 1260 und 1270 in der Diöcese Passau und zwar in deren österreichischem Theile entstanden ist, kennt als ketzerische Secten in Deutschland nur noch die der Runcarier, Ortliber und Leonisten (Waldenser); die Katharer sind nach ihm damals bereits auf die Lombardei beschränkt gewesen[12].

Von dem grossen Verfolgungssturme, der in den Jahren 1230–1233 über das deutsche Ketzerthum hereinbrach[13], sind [290] die baierisch-österreichischen Waldenser sicherlich nicht verschont geblieben; haben sich doch in Mittel- und Südwestdeutschland jene Verfolgungen in erster Linie gegen die „Armen von Lyon“ gerichet[14]! Was wir von der Inquisition in Baiern und Oesterreich aus jener Zeit erfahren, beschränkt sich allerdings fast nur auf die verschiedenen päpstlichen und kaiserlichen Erlasse, wie sie damals für sämmtliche Theile des Reiches ergingen; über die Art und Weise ihrer Ausführung sind uns Zeugnisse nicht erhalten. Nachdem Papst Gregor IX. am 20. Juni 1231, wie an die übrigen deutschen Prälaten, so auch an den Erzbischof von Salzburg und an dessen Suffraganbischöfe die von ihm gegen die Ketzer erlassenen neuen Statuten behufs allgemeiner Bekanntmachung übersandt hatte[15], beauftragte er am 27. November desselben Jahres die Dominicaner zu Friesach und wohl gleichzeitig auch die zu Regensburg, jene Statuten mit rücksichtsloser Strenge zur Ausführung zu bringen[16]. Die österreichischen [291] Dominicaner erhielten noch die besondere Weisung, gegen das in Oesterreich angeblich weit verbreitete Laster der widernatürlichen Unzucht einzuschreiten[17]. Jeder Widerstand, den die Inquisitoren bei der damals besonders in Süddeutschland vorhandenen bedenklichen Gährung der Gemüther zu befürchten hatten, schien aussichtslos, als Friedrich II. mit seiner ganzen kaiserlichen Autorität für die Inquisition in Deutschland eintrat. Es ist bekannt, dass seine auf dem Reichstage zu Ravenna erlassenen Constitutionen vom März 1232 zum ersten Male die Hinrichtung der Ketzer reichsgesetzlich forderten und das jedem Herkommen, aber auch den einfachsten Forderungen der Gerechtigkeit widersprechende Gerichtsverfahren der päpstlichen Inquisitoren durch die rückhaltslose Bestätigung der vorausgegangenen päpstlichen Erlasse für immer sanctionirten. Die uns vorliegenden Ausfertigungen der kaiserlichen Constitutionen sind, obwohl an die geistlichen und weltlichen Fürsten, Herren, Amtleute und überhaupt an Alle im Reich gerichtet, sämmtlich für deutsche Dominicanerklöster, unter ihnen auch die zu Regensburg und Friesach im März 1232 ausgestellt; der Kaiser nimmt in ihnen zugleich die mit der Inquisition „in partibus Theutoniae“ beauftragten Klosterconvente in seinen Schutz und gebietet, sie bei der Ausübung ihres Amtes zu beschirmen und zu unterstützen, an den durch sie verurtheilten Ketzern aber die verdiente Strafe zu vollziehen[18]. Den päpstlichen und kaiserlichen Erlassen sind die Landesfürsten im südöstlichen Deutschland ohne Zögern nachgekommen; gleich dem Herzog Otto von Baiern, der seinen Beamten die Unterstützung der Regensburger Dominicaner bei Ausrottung der Ketzerei befahl, haben auch Herzog Bernhard von Kärnthen und Erzbischof Eberhard II. von Salzburg ihre Richter und Amtleute zur Unterstützung der Dominicaner von Friesach und zur Ausführung der von diesen erlassenen Strafurtheile angehalten[19]. Die schleunige Bestrafung der der Ketzerei [292] überführten Geistlichen wurde dem Erzbischof Eberhard II. von Salzburg in einer päpstlichen Bulle vom 22. November 1232 ans Herz gelegt, indem er gleich anderen Bischöfen zur Einhaltung eines abgekürzten Verfahrens bei der Degradirung der ketzerischen Geistlichen ermächtigt wurde[20].

Die grenzenlose Verwirrung, in welche Deutschland durch die Massenhinrichtungen der Jahre 1230–33, durch die von den Inquisitoren gegen die Stedinger und die Ketzer am Rhein gepredigten Kreuzzüge, endlich durch die Ermordung Konrad’s von Marburg und seines Genossen Torso gestürzt wurde, scheint der Thätigkeit der Inquisition in Deutschland für kurze Weile ein Ziel gesetzt zu haben[21]. Während Gregor IX. unverdrossen die Bekämpfung der Häretiker in der Lombardei fortsetzte[22] und Friedrich II., um sich der ihm drohenden Excommunication gegenüber als treuen Sohn der Kirche zu zeigen, seine Ketzergesetze 1238 und 1239 wiederholt veröffentlichte[23], liegen über weitere Ketzerverfolgungen in Süddeutschland bis gegen Mitte des 13. Jahrhunderts Berichte nicht vor; man mochte wohl auch in kirchlichen [293] Kreisen Bedenken tragen, den wilden Fanatismus gegen das Ketzerthum angesichts der mit dem „furor Teutonicus“ gemachten schlimmen Erfahrungen von Neuem zu entflammen.

Aber auch die zerrütteten kirchlichen Verhältnisse Deutschlands schlossen, namentlich in den uns zunächst interessirenden südostdeutschen Landschaften, eine straffe Handhabung der kirchlichen Strafdisciplin gegen die Ketzer während der folgenden Jahrzehnte aus. Es ist bekannt, dass nach Friedrich’s II. Excommunication vom 20. März 1239 die baierischen Bischöfe mit grosser Entschiedenheit Partei für den gebannten Kaiser genommen haben; im Jahre 1240 wurde von dem päpstlichen Bevollmächtigten, dem Passauer Erzdiakon Albert von Behaim, der Bann über die Bischöfe von Freising, Eichstädt, Regensburg, Passau, den Erzbischof von Salzburg, den Herzog Friedrich von Oesterreich und zahllose Geistliche jener Bisthümer verhängt[24]. Während nach dem Jahre 1245 die baierischen Bischöfe – Eberhard II. von Salzburg ist 1245 im Kirchenbann gestorben – ihren Frieden mit Rom machten, trat Herzog Otto von Baiern 1245 von der päpstlichen Seite zur kaiserlichen über, der er trotz der gegen ihn geschleuderten Excommunication bis an sein Lebensende (1253) treu blieb. Bischof Rüdiger von Passau, der abermaligen Hinneigung zur kaiserlichen Partei verdächtig, wurde 1250, nicht ohne Anwendung von Waffengewalt, abgesetzt, die Kirchenfürsten von Salzburg, Freising und Regensburg 1249 wegen angeblichen Ungehorsams abermals excommunicirt[25]. Im Erzbisthum Salzburg endlich hatte das durch die Absetzung des Erzbischofs Philipp und die Wahl Ulrich’s von Seckau im Jahre 1256 ausgebrochene Schisma, das bis zum Jahre 1265 andauerte und abermals zahllose gegenseitige Excommunicationen der beiden Prätendenten und ihres Clerus zur Folge hatte, zu völliger Aufhebung jeder kirchlichen Ordnung und zu grauenvoller Verwüstung des Landes geführt[26]. Es ist nicht zu verwundern, [294] dass auch der rechtgläubige Klerus zum Theil in schroffe Opposition gegenüber dem reichsfeindlichen Papstthum gedrängt wurde: den Magister Marquard von Ried hatte um 1229 der Bischof Gebhard von Passau excommunicirt, weil er den Papst einen Häretiker genannt hatte, der Pfarrer von Wien wurde 1250 als der Ketzerei verdächtig abgesetzt[27].

Noch weniger konnte die kirchliche Stellung der süddeutschen Volkskreise durch den seit 1239 entbrannten Vernichtungskampf zwischen Kaiserthum und Papstthum unberührt bleiben. Wie hoch zeitweise die Wogen der leidenschaftlichen Feindseligkeit der ghibellinischen Kreise gegen die Kirche gingen, zeigt am überraschendsten die um 1250 von schwäbischen Geistlichen ghibellinischer Richtung geschürte, vornehmlich von Schwäbisch-Hall ausgehende Bewegung, welche auf nichts weniger als auf die Beseitigung der gesammten Hierarchie und der mit ihr zusammenhängenden kirchlichen Ordnungen hinarbeitete. Die Verwerfung des Papstthums, welches Kaiser Friedrich als gottgesandter Richter zur Rechenschaft ziehen sollte, wird hier allerdings ausschliesslich durch joachimitische Gedanken und Erwartungen motivirt; aber in den einschneidenden praktischen Folgerungen, dass Papst, Bischöfe und Klerus, weil von Sündenschuld befleckt, ihre Amtsgewalt verloren hätten, dass man sich um ihre Interdicte nicht kümmern, ihre Seelsorge nicht in Anspruch nehmen dürfe, trifft doch die „Secte von Schwäbisch-Hall“ mit der waldensischen Opposition zusammen[28]. Während der weiteren Ausdehnung der joachimitisch-ghibellinischen Bewegung der Tod König Konrad’s IV., der offen für dieselbe eingetreten war, ein Ziel setzte, hat die waldensische Propaganda gerade in jener Zeit der Wirren erneuten Aufschwung genommen. Wir hören von David von Augsburg, wie die Waldenser die mit dem Klerus in Streit liegenden Volksmassen für sich zu gewinnen wussten, wie sie aber auch einen deutschen Reichsfürsten der staufischen Partei – Otto von Baiern oder Friedrich II. von Oesterreich? – auf ihre Seite zu bringen suchten[29]. „Wird das Interdict verhängt, [295] so jubeln die Waldenser, weil sie dann das Volk verderben können“: so berichtet der Passauer Anonymus[30]. Wessen man sich speciell in den Volkskreisen Oesterreichs zu den Päpsten versah, lehrt die drastische Aeusserung einer Wiener Chronik über Martin IV.: Der Papst wünsche die Deutschen in Frösche verwandelt, um ihnen als Storch den Garaus machen zu können[31].

Auch Otakar von Böhmen hat bekanntlich als Thronfolger, solange er den Sturz seines Vaters Wenzel betrieb, auf der Seite der Ghibellinen gestanden[32]; nach dem unglücklichen Ausgange seiner Anschläge hat jedoch Otakar alle Beziehungen zu seinen früheren staufischen Verbündeten abgebrochen und ist [296] fortan die festeste Stütze der päpstlichen Partei geblieben. Während er im Jahre 1253 der Kirche den Eid unbedingter Unterwürfigkeit leistete und seine Regierung in Oesterreich und Steiermark mit einer wahren Ueberfülle von Gnaden und Vertrauensbezeigungen an den dortigen Klerus eröffnete, hat andererseits das Papstthum nicht nur die gewaltthätigsten Schritte der Politik des böhmischen Königs gutgeheissen, sondern ihm eine geradezu beherrschende Stellung auch hinsichtlich der kirchlichen Verhältnisse Südostdeutschlands zugestanden. Wir erinnern in dieser Beziehung namentlich an den Ausgang des Salzburger Kirchenstreites, zu dessen Schlichtung Otakar von Alexander IV. und Urban IV. die weitgehendsten Vollmachten erhielt, und der 1265 zur Besetzung des erzbischöflichen Stuhles von Salzburg mit einem Verwandten Otakar’s führte, während gleichzeitig ein dem Könige ergebener Prälat den bischöflichen Stuhl von Passau bestieg[33]. Das selbständige Vorgehen Otakar’s in kirchlichen Angelegenheiten, aber auch sein lebendiges Interesse für die Herstellung einer straffen kirchlichen Disciplin lernen wir aus einem Erlasse des Königs vom 16. October 1259 kennen, worin er die Visitation aller österreichischen Pfarreien und Stifter ankündigt. Mit verstecktem Tadel gedenkt das Schriftstück der bisher von dem Bischof Otto von Passau seinem Klerus gegenüber geübten Nachsicht, betont die Gefahren, welche aus den allzulange geduldeten kirchlichen Missständen für das Seelenheil des Volkes entstünden, und weist von vornherein jeden etwaigen Widerspruch gegen die Massregeln der Visitatoren mit Entschiedenheit zurück. Indem Otakar die Uebereinstimmung des Passauer Bischofs, wie es scheint, stillschweigend voraussetzt, werden von ihm zwei österreichische Geistliche mit der Ausführung der in Gemeinschaft mit dem Bischofe vorzunehmenden Visitation beauftragt[34].

Auf einem anderen Gebiete zeigt uns Otakar eine Bulle des [297] Papstes Alexander IV. vom 17. April 1257 thätig: wir erfahren, dass der König in der unmittelbar vorangehenden Zeit als eifriger Ketzerverfolger in seinen Stammlanden aufgetreten ist. Der Papst zollt den Massregeln, welche Otakar gegen die in verschiedenen Theilen des Königreiches und an der polnischen Grenze aufgespürten Ketzer ergriffen hat, volle Anerkennung: durch sie seien Viele auf den rechten Weg geleitet, manche Gefahren beseitigt worden. Nichtsdestoweniger ernennt Alexander IV., dem Ersuchen des Königs nachkommend, zwei Minoriten, den als Prediger hochberühmten Lector des Brünner Klosters, Bartholomäus, und Lambert „den Deutschen“ aus der Prager Diöcese, zu Inquisitoren für die bezeichneten Gebiete mit weitreichenden Privilegien; neben ihnen sollen aber auch die Bischöfe kraft der ihnen früher ertheilten Vollmachten Processe gegen die Häretiker einleiten dürfen[35].

Während uns von dem Erfolge der Thätigkeit der beiden böhmischen Inquisitoren[36] jede Kunde fehlt, sind wir über eine gleichzeitig im Herzogthum Oesterreich stattfindende umfassende Ketzerverfolgung aufs beste unterrichtet. Ein Geistlicher der Passauer Diöcese, welcher zwischen 1260 und 1270 ein weitschichtiges polemisches Sammelwerk gegen Juden und Häretiker niederschrieb, ist es, dem wir die überaus werthvollen Nachrichten [298] über diese Inquisition verdanken[37]. Der Verfasser hat nach seiner Angabe an der gegen die österreichischen Ketzer angestellten Untersuchung oft Antheil genommen, zeigt sich (von wenigen Ausnahmen abgesehen) mit den Glaubenslehren derselben wohl vertraut und liefert uns vor Allem einen mit seltener Ruhe und Unparteilichkeit abgefassten, seinem Verfasser dadurch zu hoher Ehre gereichenden Bericht. Mangels genauerer chronologischer Angaben können wir nur vermuthen, dass die Anfänge dieser österreichischen Inquisition mit der uns aus der Bulle Alexander’s IV. vom Jahre 1257 bekannt gewordenen Ketzerverfolgung zusammenfallen, vielleicht auch mit der oben erwähnten Kirchenvisitation vom Jahre 1259 in Verbindung zu bringen sind. Dass die Initiative von König Otakar ausgegangen ist, lässt sich um so sicherer annehmen, als die Mittheilungen des Passauer Anonymus sich ausschliesslich auf den österreichischen Theil der Passauer Diöcese beschränken, was doch wohl kaum der Fall wäre, wenn die Inquisition sich auf die gesammte Diöcese Passau erstreckt hätte. Den Höhepunkt hat die Thätigkeit der Inquisition i. J. 1266 erreicht, in welchem in weit über 40 Ortschaften Oesterreichs, von der Grenze Baierns bis nach Wien und vom Alpengebiete bis an die mährische Grenze ketzerische Conventikel aufgespürt wurden[38]. Sie alle [299] rechnet der Passauer Anonymus, und gewiss mit Recht, der waldensischen Secte, den „Leonisten“ zu, neben welchen die Ortliber, Runcarier, Siegfrider, die um 1261 auch in Oesterreich [300] auftretenden Geissler und die um die Mitte des 13. Jahrhunderts nach dem Südosten Deutschlands sich verbreitende Secte der Brüder vom freien Geiste offenbar nur eine unbedeutende Rolle spielten[39]. Die grosse Masse der österreichischen Waldenser hat jedenfalls der Landbevölkerung und dem Handwerkerstand angehört, aus welch letzterem auch die Mehrzahl ihrer „Meister“ – d. h. der eigentlichen „Armen“, welche sich der apostolischen Armuth, Keuschheit und Wanderpredigt gelobt hatten – hervorging. Doch hören wir auch von erfolgreichen Versuchen dieser Reiseprediger, in den adelichen Familien des Landes Anhänger zu gewinnen; der Nachricht des David von Augsburg, dass auch ein staufisch gesinnter Reichsfürst zu den Waldensern Beziehungen unterhielt, haben wir bereits oben Erwähnung gethan. Dass sie andererseits auch die von der Welt und der Kirche verlassenen Kreise nicht verschmäht haben, zeigt uns die Thatsache, dass die Meister ihre Seelsorge auch den Leprosenhäusern zugewandt haben[40]. Die Conventikel oder „Schulen“ der Waldenser – in der einzigen Pfarrei Kematen gab es deren zehn, die sich wohl ausser den Filialdörfern auch noch auf Weiler und Höfe vertheilten – sind natürlich nicht als eigentliche kirchliche Gemeinden [301] mit bis ins Einzelne geordneter Seelsorge zu betrachten. Doch war es gerade der Druck der äusseren Verhältnisse, welcher die Gläubigen der Secte als „Kunden“ oder „Freunde“ und als Glieder der „wahren Kirche Christi“ gegenüber den Katholiken enge aneinander schloss und das religiöse Element zu dem alles Andere beherrschenden Mittelpunkt in dem Leben jener österreichischen Bauern und Handwerker werden liess. „Alle Leonisten, Männer und Frauen, Gross und Klein“, so klagt der Anonymus, „lernen und lehren unablässig, bei Tag und bei Nacht; der Handwerker widmet den Tag seiner Arbeit, die Nacht religiöser Belehrung, so dass für das Beten wenig Zeit übrig bleibt; Neubekehrte suchen schon nach einigen Tagen auch Andere zur Secte zu ziehen.“ Wir sehen, der lockere Verband, der anderwärts die waldensischen Gläubigen mit den ursprünglich die eigentliche Secte bildenden „Vollkommenen“, den Reisepredigern, verknüpft, ist hier bereits zu einer engen kirchlichen Gemeinschaft, welche auch die Keime wirklicher Gemeindebildung in sich schliesst, umgestaltet. An der Spitze der österreichischen Waldenser ist wohl der nach dem Zeugniss des Anonymus in Anzbach in Niederösterreich residirende Bischof gestanden; aber auch mit der Centralleitung der lombardisch-waldensischen Secte wurden Verbindungen unterhalten und den „Bischöfen“ in der Lombardei Collecten zugeführt[41].

In erster Linie war es wohl die sittliche Reinheit und Strenge der waldensischen Meister und ihrer Gläubigen und deren Contrast zu der von Zeitgenossen aufs schärfste getadelten Verwilderung des damaligen katholischen Klerus, welche der Verbreitung der Secte Vorschub leistete: von unserem Passauer Anonymus wird tadellose Lebensführung geradezu ein verdächtiges Kennzeichen der „Leonisten“ genannt. Gleichwohl ist die Secte nicht nur auf die „Stillen im Lande“ beschränkt geblieben, sondern ist offenbar mehr und mehr der Mittelpunkt auch für weit radicalere Strömungen der volksthümlichen religiösen Opposition geworden. Bereits ganz taboritisch klingt die von dem [302] Anonymus bezeugte Aeusserung österreichischer Waldenser, der Klerus solle durch Verweigerung der Zehnten und Einziehung des weltlichen Besitzes zur Tagelöhnerarbeit gezwungen werden; einem den Scheiterhaufen besteigenden Meister legt der Anonymus die Drohung in den Mund, dass bei gegebener Gelegenheit die Waldenser Gleiches mit Gleichem vergelten würden. Aber auch in blutigen Gewaltthaten sollte der durch die grausamen Verfolgungen genährte Hass der österreichischen Waldenser gegen die „Pharisäer und Schriftgelehrten“ sich kundgeben: in Kematen (Oberösterreich, bei Neuhofen) und Nöchling (Niederösterreich) wurden die Pfarrer, angeblich zur Rache für die verurtheilten Waldenser jener Gemeinden, erschlagen[42]. Ueber den Ausgang der ganzen Verfolgung von 1266 berichtet die einzige uns erhaltene Quelle, die leider nur in einer späteren Bearbeitung vorliegt, dass die Inquisition nicht vollständig habe durchgeführt werden können; auch die Ermordung der eben genannten Geistlichen sei ungeahndet geblieben. Dem in Kurzem folgenden Zusammenbruche der Macht König Otakar’s und den grossen politischen Umwälzungen, deren Schauplatz mit dem Emporkommen der Habsburger die südostdeutschen Länder wurden, hatten es die österreichischen Waldenser gewiss in erster Linie zu danken, wenn nach den Verfolgungen der sechziger Jahre eine kurze Ruhepause in der gegen sie gerichteten Thätigkeit der Inquisition eingetreten ist.

In den Oesterreich benachbarten deutschen Landschaften hat wohl erst der ausserordentlich rege Eifer, welchen die Päpste Alexander IV. und Urban IV. für die Unterstützung der Inquisition bekundeten, zu den daselbst ergriffenen Massregeln gegen die Verbreitung der Häresie und insbesondere des Waldenserthums die Anregung gegeben[43]. Aehnliche scharfe Verordnungen [303] gegen die Ketzer, wie sie das Mainzer Provinzialconcil im Jahre 1261 erliess, werden wir wohl auch für die verlorenen Salzburger Provinzialstatuten des Jahres 1260 vorauszusetzen haben[44]. Einem Erlasse des Herzogs Ludwig II. von Baiern vom 17. December 1262 entnehmen wir, dass damals die Regensburger Dominicaner als Inquisitoren thätig waren; ihre nachdrückliche Unterstützung im Kampfe gegen die Häretiker wurde den herzoglichen Ministerialen und Behörden ans Herz gelegt. Näher gekennzeichnet werden die Ketzer in jenem Erlasse nur insofern, als es von ihnen heisst, falls sie nicht entdeckt worden, sei Leib und Gut der Katholiken durch sie bedroht gewesen[45]. Einen bestimmteren Fingerzeig gibt uns eine urkundliche Notiz aus dem Jahre 1265, wornach der Vicepleban Konrad von Nittenau (am Regen, nordnordöstlich von Regensburg) in der vorausgegangenen Zeit Anhänger der waldensischen Secte zur Rechenschaft gezogen hatte[46]. Damit sind ferner die Nachrichten des mehrfach angeführten Tractates des David von Augsburg (verfasst zwischen 1256 und 1272) zu verbinden, denen allem Anschein nach die von David bei der Verfolgung baierischer oder schwäbischer Waldenser gemachten Erfahrungen zu Grunde liegen[47]. Auf der [304] 1284 zu St. Pölten abgehaltenen Passauer Diöcesansynode wurde dem Klerus eingeschärft, viermal im Jahre die Strafsentenzen gegen die Häretiker zu verkündigen; die Unterlassung der Anzeige der der Ketzerei verdächtigen Personen wurde mit der Strafe der Excommunication bedroht[48]. Von dem gleichzeitigen Einschreiten der durch Rudolf von Habsburg[49] kräftig unterstützten Inquisition in den baierisch-österreichischen Ländern hören wir nur im Salzburgischen, wo 1285 ein gewisser Albert aus dem Lungau (östl. von Gastein), der sich einen evangelischen Lehrer nannte und jede Autorität des Papstes leugnete, festgenommen und verbrannt wurde[50].

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts brach ein abermaliger, überaus heftiger Sturm von Verfolgungen über das Ketzerthum in Oesterreich und den Nachbarländern los. Schon in den Prager Synodalbeschlüssen vom Jahre 1301 ist von päpstlichen Inquisitoren in der Diöcese Prag die Rede, welchen die der Ketzerei Verdächtigen angezeigt werden sollen [51]. Auf Grund von Klagen über den zunehmenden Abfall von der Kirche in den nördlichen Theilen des Patriarchates von Aquileja (also wohl in Kärnthen, Krain und in der südlichen Steiermark) hiess der Patriarch Ottobuono de Razzi (1303–1315) im Jahre 1313 den Karthäuserprior von Seitz (östl. von Cilli in Steiermark) gegen die dortigen Ketzer einschreiten[52][WS 1]. Für das Bisthum Passau ernannte Bischof [305] Bernhard zwischen 1308 und 1311, im Einvernehmen mit dem Erzbischof Konrad von Salzburg und dem Herzog Friedrich dem Schönen von Oesterreich, eine Anzahl von Inquisitoren, deren Thätigkeit, nach den erhaltenen Nachrichten zu schliessen, sich wieder vornehmlich auf den österreichischen Theil der Passauer Diöcese concentrirte [53]. Im Jahre 1311 finden wir die Inquisitoren in Steyer, wo sie eine Anzahl von Häretikern zum Tragen von Busskreuzen verurtheilten, Andere dem Scheiterhaufen überantworteten; ein Theil der Angeklagten entzog sich der Verfolgung durch die Flucht[54]. In den folgenden Jahren – Kaiser Friedrich’s II. Ketzergesetze waren mittlerweile durch Heinrich VII. erneuert worden[55] – dehnte sich die Untersuchung über ganz Niederösterreich aus. In dem eng begrenzten Gebiete zwischen Traiskirchen und St. Pölten waren es nicht weniger als 36 Ortschaften, in denen die Ketzerei Eingang gefunden hatte; in Krems erlitten 16, in St. Pölten 11, in Wien angeblich gar 102 Ketzer den Feuertod. Unter den Opfern der Verfolgung wird auch ein Bischof der österreichischen Ketzer genannt, der um 1315 zu Himberg (südsüdöstl. von Wien) verbrannte Neumeister, der sein Amt seit 50 Jahren verwaltet hatte. Seinem Zeugnisse zufolge zählte die Secte allein im Herzogthum Oesterreich über 80,000 Anhänger, während in Böhmen und Mähren deren Zahl eine geradezu unermessliche gewesen sein soll[56].

[306] Wie unsere im Anhang mitgetheilte Untersuchung über die religiöse Stellung der österreichischen Sectirer von 1311 ff. zeigen wird, haben wir dieselben der waldensischen Secte zuzurechnen, die demnach die Verfolgungen der sechziger Jahre des 13. Jahrhunderts siegreich überdauert und namentlich in Niederösterreich ihr Verbreitungsgebiet weit ausgedehnt hatte. Den hasserfüllten Aeusserungen gegen die Hierarchie und den Cultus des Katholicismus zufolge, welche die Inquisitionsberichte den Häretikern in den Mund legen, war die Kluft zwischen ihnen und der Kirche eine noch tiefere als vordem geworden. Schon standen die österreichischen Waldenser, wie ein in St. Pölten verbrannter Anhänger der Secte aussagte, im Begriffe, ihren Glauben öffentlich zu predigen und mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen; einer der Inquisitoren, der Kremser Dominicanerprior Arnold soll angeblich im Jahre 1318 von den Ketzern in Krems auf der Kanzel angefallen und ermordet worden sein[57]. Am deutlichsten verräth sich die Leidenschaft des von der Kirche gegen das Waldenserthum geführten Kampfes in den Anklagen, welche jetzt die österreichische Inquisition gegen die Secte erhob und welche ihren Zweck, die Waldenser zum Abscheu der frommen Gemüther zu machen, wohl vielfach erreicht haben. Satansdienst und grauenvolle Unsittlichkeit, die in unterirdischen Räumen verübt wird, diese Vorwürfe werden auf Jahrzehnte hinaus stehende Anklageartikel in den gegen die Waldenser geführten Untersuchungen, deren eigentlichen Lehrbegriff wir erst in den Inquisitionsacten des ausgehenden 14. Jahrhunderts [307] wieder zu erkennen vermögen. Die letzte Consequenz aus diesem Anklagesystem hat man bekanntlich im 15. Jahrhundert in den romanischen Ländern gezogen, wo „Vauderie“ geradezu der technische Ausdruck für die Anklage auf Zauberei und Teufelsbuhlschaft geworden ist.

Die Angabe des Inquisitionsberichts von 1315, dass die in Ober- und Niederösterreich verfolgte Secte auch in den Nachbarländern massenhaften Anhang gehabt habe, legt es nahe, die Berichte über gleichzeitige Ketzerverfolgungen in anderen südostdeutschen Landschaften gleichfalls mit den Waldensern in Verbindung zu bringen. In erster Linie gilt dies bezüglich Böhmens und Mährens[58], wo, wie wir sahen, die Inquisition bereits zur Zeit der Waldenserverfolgung von 1260 ff. in Thätigkeit getreten, und wo nach der Aussage des österreichischen Waldenserbischofs Neumeister das Waldenserthum um 1315 besonders tief eingewurzelt war. Die Irrthümer, die Papst Johann XXII. den um 1318 verfolgten böhmischen Ketzern auf Grund der ihm aus Böhmen zugegangenen Berichte beilegt[59], sind zum Theile dieselben wie diejenigen, welche uns in dem Kremser Inquisitionsberichte begegnen: Verwerfung des Eides, Verwaltung der Busssacramente innerhalb der Secte, Erwartung der Erhöhung Lucifers, Veranstaltung von schändlichen Orgien, welche sich an die in Höhlen stattfindenden Predigten der ketzerischen Bischöfe anschliessen; ausserdem wird den böhmischen Ketzern noch die Vornahme der Wiedertaufe, Leugnung der Auferstehung der Todten und der Trinität und die Irrlehre, [308] Christus habe einen Scheinleib gehabt, vorgeworfen. An ihrer Spitze stand angeblich ein Erzbischof mit sieben Bischöfen, deren jeder über 300 Gläubige gesetzt war. Ohne Frage hat ein Gemisch von zum Theil arg missverstandenen Zügen des waldensischen und katharischen Lehrsystems als Unterlage für die Aufstellung jener Anklagepunkte gedient. Wir fügen aber auch sofort hinzu, dass durch dieselben Gründe, welche uns die Zugehörigkeit der Kremser Ketzer zu den Katharern verneinen liessen, die Annahme, das Katharerthum habe in Böhmen bis ins 14. Jahrhundert hinein fortbestanden, ausgeschlossen wird; für eine Beziehung des Berichtes auf die Secte vom freien Geiste sind Anhaltspunkte überhaupt nicht gegeben. Weist andererseits das päpstliche Schreiben von 1318 im Zusammenhalt mit dem gleichzeitigen entschiedenen Vorgehen der Curie gegen die Häretiker in Böhmen und den Nachbarländern auf eine straffe Organisation und weite Verzweigung der verfolgten Secte hin, so werden wir auch hierdurch wieder auf die Waldenser geführt; die Thatsache ferner, dass nur deren Secte, abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Begharden, in der Folge die böhmische Inquisition beschäftigt und dass insbesondere die von den besprochenen Ereignissen nur durch eine kurze Spanne Zeit getrennte Inquisition der Jahre 1330 ff. sich gegen die waldensische Secte kehrte, lässt kaum einen anderen Schluss zu als den, dass die böhmischen Häretiker von 1318 ff. Waldenser gewesen sind[60].

Auch zeitlich gehören die österreichische und böhmische Ketzerverfolgung zusammen. Die letztere hatte aller Wahrscheinlichkeit nach, nachdem bereits die Prager Synodalstatuten des Jahres 1301 die Aufmerksamkeit des Klerus auf die Häretiker gelenkt hatten[61], um 1315 erhebliche Ausdehnung gewonnen; in Prag bestiegen in diesem Jahre 14 Verurtheilte den Scheiterhaufen. Wohl die Gewaltthätigkeit des Vorgehens der Inquisitoren hatte heftige Conflicte zwischen diesen und dem Prager Bischof Johann von Dražik (1301–1343) zur Folge, in deren [309] Verlauf der Bischof, aber auch König Johann von Böhmen dem Papste als Beschützer der Ketzer denuncirt wurden[62]. Bekanntlich haben die gegen den Bischof von einem persönlichen Feinde, dem Domherrn Heinrich von Schönburg, erhobenen Anklagen im Jahre 1318 zur Suspension und Vorladung desselben nach Avignon geführt, von wo er erst im Jahre 1329 in seine Diöcese zurückkehrte. In wieweit jene Wirren durch den gleichzeitig in Böhmen tobenden Bürgerkrieg[63] mitherbeigeführt waren, entzieht sich der Entscheidung.

Die unmittelbar nach der Abberufung des Prager Bischofs von der Curie ergriffenen Massregeln belehren uns, dass man die Gefahren, mit welchen die Verbreitung der Häresie in Böhmen und den Nachbarländern die Kirche bedrohte, als sehr ernste angesehen hat. Eine wahre Fluth von päpstlichen Bullen ging am 1. Mai 1318 an die Bischöfe von Olmütz, Meissen und Krakau, an den König von Böhmen, den Markgrafen von Meissen, die Herzöge von Krakau und Breslau, die böhmischen Landherren und die Magistrate der böhmischen und mährischen Städte aus, welche den Adressaten die geschehene Ernennung von päpstlichen Inquisitoren für die bezeichneten Gebiete ankündigten und deren eifrige Unterstützung in dringlichster Weise forderten. Die an die Bischöfe gerichteten Bullen enthalten den Vorwurf, dass diese nicht wachsam genug ihres Amtes gewaltet und damit dem Umsichgreifen der Ketzerei Vorschub geleistet hätten. Zu Inquisitoren für die Diöcesen Krakau und Breslau werden der Dominicaner Peregrinus von Oppeln und der Minorit Nicolaus Hyspodinet von Krakau, zu solchen für die Diöcesen Prag und Olmütz der Dominicaner Colda aus dem böhmischen Herrengeschlechte von Colditz[64] und der Minorit Hartmann von Pilsen ernannt[65].

[310] Ueber die Ergebnisse der in Böhmen angestellten Inquisition sind wir ohne Nachricht. Wir erfahren nur beiläufig, dass die Glaubensrichter auch diesmal wieder dort auf Widerstand stiessen; einen Ordensbruder des Dominicaners Colda, Nicolaus Otachari, den dieser zu seinem Subdelegaten ernannt hatte, haben angeblich die ihm aus Anlass seiner gewissenhaften Ausübung erwachsenen Anfeindungen sogar zum Austritt aus seinem Orden genöthigt[66]. In Schlesien war dagegen schon vor Aufstellung der päpstlichen Inquisitoren eine systematische Ketzerverfolgung seitens der vom Breslauer Bischof Heinrich I. damit beauftragten Breslauer Dominicaner und Minoriten eingeleitet worden. Im Jahre 1315 bestiegen 50 Personen, unter ihnen Weiber und Kinder, in Schweidnitz den Scheiterhaufen; andere Autodafé’s fanden in Breslau, Neisse und anderen Plätzen statt, nicht ohne dass auch hier in weltlichen und klerikalen Kreisen oppositionelle Stimmen gegen das Vorgehen der Inquisition laut geworden wären[67].

Im Herzogthum Oesterreich dauern auch nach der blutigen Verfolgung von 1311–1318 die Klagen über das Ketzerthum fort. In den Mittheilungen des Abtes Johann von Victring über die um 1327 in Oesterreich und Böhmen verbreiteten Häretiker wird die frühere Anklage der Veranstaltung von Orgien in unterirdischen Höhlen gegen die „adamitische Secte“ – zum ersten Male begegnet uns hier die Bezeichnung in diesem Zusammenhang – wiederholt, daneben der Vorwurf der Verwerfung der Messe [311] und der Fürbitte für die Todten erhoben[68]. Ganz ins Fratzenhafte verzerrt erscheint das Bild der österreichischen Häretiker bei Johann von Winterthur (zum Jahre 1338), der die Schilderung der schamlosen Zusammenkünfte der Secte noch durch Teufelserscheinungen verschiedener Art belebt[69]. Gemeinsam ist beiden Berichten die Angabe, dass die Ketzer heftig verfolgt und in grosser Zahl auf den Scheiterhaufen geführt worden seien. Aus anderen Quellen erfahren wir, dass 1336 in Klosterneuburg, 1338 in Enns, Steyer und sonstigen Orten zahlreiche Ketzerverfolgungen stattfanden; die Inquisition begegnete dabei, wie es scheint, mehrfach einem sehr entschlossenen Widerstande, der auch einer Reihe von katholischen Geistlichen das Leben kostete[70].

Dass es sich bei diesen Vorgängen um ein planmässiges Vorgehen gegen das immer bedrohlicher sich ausbreitende Waldenserthum [312] handelte, machen die zu derselben Zeit gegen die Waldenser in Franken[71], der Mark Brandenburg[72], in Böhmen und Polen eingeleiteten Processe in hohem Grade wahrscheinlich. Die Acten über eine um 1330 in Böhmen und Polen gegen die dortigen Waldenser angestellte Untersuchung waren noch im Besitz des Flacius; seinen Mittheilungen daraus ist die Thatsache des Fortbestehens einer engen Verbindung der lombardischen Centralleitung der waldensischen Secte mit deren Anhängern in Böhmen und Polen zu entnehmen[73]. Auf diese Inquisition bezieht sich ohne Frage eine Reihe von päpstlichen Schreiben, die in den Jahren 1327 und 1330 nach Polen und Ungarn gerichtet wurden. Am 1. April 1327 theilt Papst Johann XXII. dem Erzbischof von Gnesen und dessen Suffraganen, ferner dem Bischof von Kammin und dem König Wladislaw von Polen mit, dass er es für nothwendig befunden, Massregeln gegen die aus Deutschland und Böhmen nach Polen eindringende Ketzerei zu treffen; er habe desshalb dem polnischen Dominicanerprovinzial Vollmacht zur Aufstellung von Inquisitoren ertheilt, die von den Adressaten unterstützt werden sollen[74]. Am 1. Februar desselben Jahres [313] hatte der Papst bereits für den Dominicanerprovinzial in Ungarn die gleiche Vollmacht ausgestellt und dem ungarischen Klerus, dem König Karl II., dem Ban von Slavonien, dem Grossfürsten von Siebenbürgen und der Walachei, sowie den ungarischen Magnaten die Förderung der Inquisition anbefohlen; von der das ungarische Reich bedrohenden Ketzerei heisst es hier, dass sie ihren Ausgangspunkt in den deutschen und polnischen Landschaften habe. Drei Jahre später, am 16. März 1330, fand es der Papst für nothwendig, die Behinderung der ungarischen Inquisitoren bei der Verfolgung der aus Deutschland und Polen sich einschleichenden Ketzer nochmals unter allen Umständen zu untersagen[75]. In Schlesien endlich finden wir im Jahre 1330 den Dominicaner Johann von Schwenkenfeld aus dem Kloster von Schweidnitz als päpstlichen Inquisitor thätig[76].

Es lässt sich nicht deutlich erkennen, ob bei der 1335 erfolgten Aufstellung von Inquisitoren für die Diöcesen Prag und Olmütz es sich um die Fortsetzung einer unmittelbar vorausgegangenen Ketzerverfolgung, zu der die 1326 von dem Mainzer Erzbischof angeordnete Visitation der Diöcese Prag[77] Veranlassung gegeben haben mochte, oder um die Einleitung einer neuen Inquisition gehandelt hat; die eben besprochenen auf Polen und Ungarn bezüglichen Schriftstücke machen die erstere Annahme wahrscheinlicher. Wie in den genannten Ländern, so werden auch in Böhmen und Mähren der zum Inquisitor [314] für die Prager Diöcese ernannte Dominicaner Gallus de Novo Castro[78] (Nimburg, Gratzen bei Budweis, Neuhaus?) und sein für die Olmützer Diöcese bestimmter Amtsbruder, der Minorit Petrus von Naczeracz, dem König und dem Thronfolger, dem Burggrafen von Prag, den Bischöfen und dem Klerus behufs thatkräftiger Förderung der Inquisition empfohlen. Und wie dort so heisst es auch von den böhmischen Ketzern, dass sie aus Deutschland und den umliegenden Landschaften eingedrungen seien; auch in dem sofort zu besprechenden päpstlichen Schreiben vom Jahre 1340 werden die in ganz Böhmen, besonders aber auf den Herrschaften des Ulrich von Neuhaus verbreiteten Ketzer als „Deutsche und Fremdlinge“ bezeichnet[79]. Aus all’ dem scheint hervorzugehen, dass die Inquisition von 1327 ff. in erster Linie die erst jüngst germanisirten, an das Herzogthum Oesterreich anstossenden Landestheile von Böhmen, Mähren und Ungarn, dann auch Schlesien und die angrenzenden polnischen Gebiete, wo in vielen der bedeutenderen Städte, wie z. B. in Krakau, das deutsche Element die Oberhand hatte, betroffen haben wird[80]. Auf einer weit in das tschechische Sprachgebiet [315] hineinragenden deutschen Sprachinsel des südlichen Böhmens, in Neuhaus[81], finden wir den böhmischen und mährischen Inquisitor im Jahre 1338 in vereinter Thätigkeit[82]. Nachdem eine Anzahl der häretischen Unterthanen des Dynasten Ulrich III. von Neuhaus – sein Gebiet umschloss unter anderm das südwestlich von Tabor gelegene Deschna und die mährischen Orte Zlabings und Teltsch – ihre Ketzerei abgeschworen hatte, führte die Abreise des Inquisitors Gallus an den päpstlichen Hof zu Avignon um 1339 zu einem abermaligen allgemeinen Abfall von der Kirche. Wir erfahren aus einem an Ulrich von Neuhaus gerichteten Schreiben des Papstes Benedict XII. vom 6. März 1340, dass, ganz analog den früher von uns im Herzogthum Oesterreich beobachteten Verhältnissen, die böhmischen und mährischen Ketzer der gegen sie eingeleiteten Verfolgung entschlossen entgegentraten und durch Brandstiftung und Gewaltthätigkeiten verschiedener Art – der Papst spricht sogar von einer Fehdeerklärung der Häretiker gegenüber Ulrich von Neuhaus – die Inquisition lahmlegten. Die Angelegenheit war ernst genug, um den Neuhauser zu einer Reise nach Avignon zu veranlassen, wo ein förmlicher Kreuzzug gegen die Rebellen verabredet wurde; die Theilnehmer sollten dieselben kirchlichen Gnaden wie die Kreuzfahrer nach Palästina geniessen[83]. Dass der Inquisitor Gallus nach seiner Rückkunft nach Böhmen mit grosser Entschiedenheit gegen die Häretiker eingeschritten ist, ersehen wir aus einem Briefe des Papstes Benedict XII. vom 13. September 1341, worin er die Ueberführung der durch Gallus verhafteten Ketzer in die Gefängnisse des Prager Bischofs anordnet, da für dieselben sonst keine Kerker vorhanden seien. Zur gleichen Zeit wird Ulrich von Neuhaus von dem [316] Papste ersucht, für die Durchführung dieser Massregel einzutreten, und ebenso der böhmische Thronfolger, der spätere Kaiser Karl IV., zur Unterstützung des Inquisitors Gallus aufgerufen[84]. Bereitwillig gab Karl dem Verlangen des Papstes nach; schon um 1344 sehen wir das Inquisitionsgericht im Besitze einer Anzahl von Häusern in Prag, welche aus dem confiscirten Vermögen der verurtheilten Häretiker bezahlt werden[85]. Nichts desto weniger erhebt Papst Clemens VI. in einem Schreiben vom 30. Juni 1346, auf Beschwerden des Inquisitors Gallus sich berufend, bei dem Prager Erzbischof abermals Klage über den Mangel von Gefängnissen für die böhmischen Ketzer und heisst den Erzbischof Abhilfe treffen[86]. Im Vertrauen auf die in ihrer Art in Deutschland einzig dastehende mächtige Unterstützung seitens des Landesfürsten scheint der Inquisitor Gallus in Ausübung seines Amtes den Bogen allzu straff gespannt zu haben. In der Zeit nach seiner Rückkehr aus Avignon wurde er in Prag von einem im Einvernehmen mit Mitverschworenen handelnden gewissen Albert überfallen und verwundet; wohl nur durch glücklichen Zufall ist er dem Schicksal seines Ordensbruders, des ermordeten schlesischen Inquisitors Johann von Schwenkenfeld entgangen[87].

Dass die auf den Neuhausischen Gütern verfolgten Ketzer in ihrer Mehrheit den Waldensern zuzurechnen sind, dürfte aus dem [317] Zusammenhang der bisher besprochenen Thatsachen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit hervorgehen. Es kommt hinzu, dass das päpstliche Schreiben vom 6. März 1340 geheime Zusammenkünfte der Ketzer „mit ihren Meistern, die sie Apostel nennen“, erwähnt[88], dass die Ketzer, wie schon bemerkt, als „insgemein Eingewanderte und Deutsche“ bezeichnet werden, dass endlich in der Nähe des im Süden an Niederösterreich anstossenden und Theile des mährischen Thaya-Thales einschliessenden Neuhauser Gebietes die in den Untersuchungen von 1260 ff. und 1390 ff. als Sitze von Waldensern genannten Orte Drosendorf und Hardeck, beide an der Thaya gelegen, sich befinden.

In Arnest von Pardubic (1343–1364), wohl dem bedeutendsten in der gesammten Reihe der Prager Kirchenfürsten, erstand dem böhmischen Ketzerthum ein höchst gefährlicher Gegner. Wie ihm die Einrichtung des ständigen böhmischen Inquisitionsgerichtes zuzuschreiben ist, so hat er auch seinen Diöcesanklerus fortgesetzt zur Wachsamkeit gegenüber der Häresie angehalten. So fordern bereits die Diöcesanstatuten von 1343 die Verfolgung der Häretiker und ihrer Gönner durch die Pfarrgeistlichkeit, in erster Linie ihre Anzeige bei dem Erzbischof und seinen Inquisitoren; dieselbe Verordnung kehrt in den Statuten von 1353 und von 1355 wieder. Die kirchliche Verwaltung der Prager Diöcese [318] sowie der jetzt dem Erzbischof untergeordneten Diöcesen Olmütz und Leitosmischl wurde von Arnest durch seine Provinzialstatuten von 1349 zum Theil auf ganz neue Grundlagen gestellt, und namentlich wurde auf die Disciplin des Klerus und dessen gewissenhafte Amtsführung ein scharfes Augenmerk gerichtet; den Archidiakonen wurden sowohl in den Statuten als in speciellen Mahnschreiben des Erzbischofs alljährliche Visitationen der Pfarreien zur Pflicht gemacht, wobei vor Allem den Häretikern nachgespürt werden sollte[89].

Als Inquisitor finden wir noch im Jahre 1346 den Dominicaner Gallus im südlichen Böhmen thätig. Wohl erst nach seinem Tode und, wie es scheint, nicht vor dem Jahre 1351 wurde das Amt des Inquisitors für die Diöcese Prag dem Dekan von Wyssegrad, Johann von Padua, übertragen; etwa zwischen 1351 und 1357 sind diesem dann der Prior des Dominicanerklosters zu Prag, Leo, und der Lector der Iglauer Dominicaner, Swatibor, als Amtsgenossen beigegeben worden. In dieselbe Zeit dürfte die Berufung des Lectors des dem Meissener Bisthum angehörenden Görlitzer Minoritenklosters, Siegfrid, zum Inquisitor der Prager Erzdiöcese fallen[90]. Die Machtbefugnisse, welche die Ernennungsdecrete [319] den Inquisitoren einräumen, sind sehr weit gesteckte; sie dürfen zeitweilige oder ewige Kerkerstrafen verhängen, die Angeklagten foltern, gegen Widerspenstige mit den schärfsten kirchlichen Strafen einschreiten.

Es ist eine bedeutsame Thatsache, dass die uns über die Thätigkeit der genannten Inquisitoren erhaltenen Nachrichten abermals ausschliesslich den südlichsten Theil von Böhmen, das an Baiern, Ober- und Niederösterreich und Deutsch-Mähren angrenzende Dreieck, betreffen. So richtet Erzbischof Arnest an den Pfarrklerus des Bechiner Archidiakonats – dasselbe, das südlichste der zehn Archidiakonate des Erzbisthums, umfasste gerade den eben genannten Bezirk – in einer Formel seiner Cancellaria die Mittheilung, dass der Inquisitor Swatibor in Kürze im Archidiakonate erscheinen werde, um daselbst, was sich als höchst nothwendig herausgestellt, seines Amtes zu walten; er solle, über die ihm von dem Bischof gewährten Diäten hinaus, seitens der Geistlichkeit mit Geldbeiträgen unterstützt und in Ausübung seines Amtes möglichst gefördert werden[91]. Noch bestimmter wird das Feld der Thätigkeit Swatibor’s in einer zweiten Formel bezeichnet, die ihm, in Verhinderung des Johann von Padua, die Vollmacht überträgt, auch allein die Inquisitionsprocesse im Diatricte von Pisek durchzuführen[92]. Dass es sich hier, unweit der deutschen Sprachgrenze – unter der Bevölkerung der Stadt Pisek war zu jener Zeit wie in allen anderen freien königlichen Städten Böhmens wohl das deutsche Element noch stark vertreten – um die Verfolgung einer seit Langem eingewurzelten und sich von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzenden Ketzerei handelte, scheint aus einer Stelle der Acten des Prager Consistoriums von 1381 hervorzugehen; es heisst dort, der Priester Johl von Pisek könne nicht ordinirt werden, weil sowohl sein Vater als sein Grossvater als Ketzer verurtheilt worden seien[93].

[320] Wir brechen die Darstellung der Geschichte der häretischen Bewegungen des 14. Jahrhunderts in Böhmen und seinen Nachbarländern mit dem Zeitpunkt der Thronbesteigung Karl’s IV. ab. In einem folgenden Artikel werden wir die Geschichte des Waldenserthums im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts und im Zusammenhang damit seine Beziehungen zum Husitismus zu schildern haben.




Anhang I. Die Strassburger Waldenser von 1212 und das böhmische Ketzerhaupt „Birkhardus“.

Nach dem sich ausdrücklich für urkundlich ausgebenden Zeugnisse des Strassburgers Daniel Specklin (gestorben 1589), dessen Glaubwürdigkeit bisher, so viel ich sehe, von keiner Seite angezweifelt worden ist, müsste Böhmen bereits im Jahre 1212 als Hauptsitz des Waldenserthums in Deutschland gelten. Specklin, der seinen von C. Schmidt[94] mitgetheilten Bericht (die einzige ihn enthaltende Handschrift ist leider im Jahre 1870 mit der Strassburger Bibliothek zu Grund gegangen) aus einer Handschrift des Klosters zu St. Arbogast bei Strassburg geschöpft haben will, erzählt, die im Jahre 1212 in Strassburg entdeckten Ketzer, die Specklin mit aller Bestimmtheit als Waldenser[95] bezeichnet, seien unter drei „Obristen“ gestanden, welchen Geld und andere Gegenstände zur Unterstützung der Armen [321] zugeschickt wurden. Das gemeinsame Oberhaupt habe seinen Sitz in Mailand gehabt; ein zweiter „Obrist“ sei der Priester Johannes zu Strassburg, der dritte ein gewisser „Birkhardus“ in Böhmen gewesen. Dürfen wir die letztere Angabe als authentisch betrachten? Nach unserer Auffassung verbietet sich dies durch den ganzen Charakter der Specklin’schen Aufzeichnung, welche ganz unverkennbar mit den aus der Klosterhandschrift geschöpften Angaben verschiedene von Specklin erfundene Züge verquickt. So wird von dem Priester Johannes in ausführlicher Rede die lutherische Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben und von der Unzulänglichkeit der guten Werke begründet; unter den angeblich waldensischen Glaubensartikeln finden wir die Forderung des Laienkelchs und der Priesterehe, sowie die Bekämpfung der Ohrenbeichte – was alles auf keine der am Anfang des 13. Jahrhunderts am Oberrhein auftretenden Secten passt. Dass die Inquisition, deren Acten Specklin vorlagen, keinesfalls im Jahre 1212 stattgefunden haben kann, geht schon daraus hervor, dass sie nach Specklin’s Angabe von den Dominicanern geleitet wurde, deren Orden erst im Jahre 1216 die päpstliche Bestätigung erlangte und in Strassburg wohl nicht lange vor dem Jahre 1224 sich festsetzte[96].

Die Quelle, auf welche höchstwahrscheinlich Specklin’s Notiz über das böhmische Ketzerhaupt zurückgeht, ist nicht schwer zu ermitteln. Sein „Birkhardus“ oder „Picardus“, wie ein zweiter Benutzer der Specklin’schen Handschrift liest[97], muss wohl als identisch mit dem fabelhaften „Pichardus“ angesehen werden, den zuerst Aeneas Sylvius zur Erklärung des Namens der böhmischen Picarden (Begharden) des 15. Jahrhunderts in die Kirchengeschichtschreibung einführte[98] und der, nachdem in der Folge die böhmischen Brüder den [322] Namen „Picarden“ und Waldenser beigelegt erhalten hatten, ziemlich allgemein als Stifter des böhmischen Zweigs der Waldenser – soweit man nicht Waldes selbst nach Böhmen versetzte – gegolten hat[99].




Anhang II. Ueber die religiöse Stellung der österreichischen Häretiker von 1311 ff.

Die Frage, welcher Secte die uns hier beschäftigenden Häretiker zuzurechnen sind, ist bisher in sehr verschiedener Weise beantwortet worden. Gieseler[100], Friess (S. 222 ff), Hahn[101] und Lea (II, 358) betrachten sie als einen Zweig der pantheistischen Brüder des freien Geistes, Preger[102] als Katharer, Riezler[103] als Waldenser. So grosse Schwierigkeiten die Beschaffenheit unserer einzigen Quelle, des Kremser Berichtes[104], der Untersuchung entgegenstellt, so dürfte es bei sorgfältig kritischer Behandlung jener Aufzeichnung doch gelingen, die religiöse Stellung der Sectirer von 1311 ff. mit annähernder Sicherheit zu fixiren.

Die den österreichischen Ketzern beigelegten Glaubenslehren lassen sich in drei Gruppen scheiden; die erste deckt sich im Wesentlichen mit den Lehrsätzen, die man zur Zeit Konrad’s von Marburg den „Luciferianern“ zuschrieb; die zweite charakterisirt sich durch eine scharf ausgeprägte Opposition gegen das cultische System des Katholicismus; die dritte Gruppe bringt leider nur vereinzelte Angaben über die Organisation und den Cultus der verfolgten Secte.

Wollte man den Mittheilungen des Berichtes über den Satansdienst der österreichischen Häretiker Glauben schenken, so wäre ihre Secte noch am ersten als eine Abzweigung des Katharerthums zu bezeichnen; Beziehungen zu den Amalricianern lässt der Bericht überhaupt nicht erkennen. Aber auch als Katharer können die Kremser Ketzer nimmermehr gelten. Den fundamentalen Grundsätzen der Katharer entgegen essen sie, voran ihr angeblicher „filius major“, Fleisch und ergehen sich geschlechtlichen Ausschweifungen; Angaben, [323] wie die, dass sie Lucifer zu Ehren Messen lesen liessen, und dass ihr „filius major“[105] seine eigenen beiden Kinder in feierlicher Weise ehelich miteinander verbunden habe, dürften sich kaum anders als durch Geständnisse, welche die Folter von den angeklagten Häretikern erzwang, erklären lassen[106]. Das Misstrauen, welches die angedeuteten Widersprüche gegen die Glaubwürdigkeit des Berichtes erregen, wird noch bedeutend durch die Beobachtung verstärkt, dass die Anklage des Satansdienstes vom 13. bis ins 15. Jahrhundert gegen die verschiedenartigsten ketzerischen Parteien, und zwar offenbar ohne jedwelchen stichhaltigen Grund, erhoben worden ist. So bedürfen in erster Linie die schon von dem deutschen Klerus jener Zeit als solche erkannten Märchen Konrad’s von Marburg[107] von der Teufelsverehrung und den Orgien der von ihm verfolgten Ketzer für den unbefangenen Leser der Quellenberichte keiner Widerlegung; und doch sind dieselben ohne Zweifel für ähnliche grundlose Anklagen der [324] späteren Zeit, wie z. B. die des Templerprocesses vorbildlich geworden. Der Inquisitionsbericht über die sangerhausischen Geissler vom Jahre 1454 lässt dieselben Ketzer bussfertige Gebete an Christus richten, die seinen Sturz durch Lucifer erhoffen und diesem zu Ehren die abscheulichsten Orgien veranstalten; die sittenstrengen böhmischen Brüder sind von Renegaten und Inquisitoren aller nur denkbaren sittlichen Ausschreitungen, der Weibergemeinschaft, des Teufelsbündnisses und der Verehrung eines Fliegengottes beschuldigt worden[108]; auch eine Gruppe der italienischen Fraticellen wird 1466 der Veranstaltung nächtlicher Orgien und des rituellen Kindermords für schuldig befunden[109]. Besonders aber die Waldenser sind frivolen Anklagen der erwähnten Art in den verschiedensten Ländern ausgesetzt gewesen. So erpresst ein italienischer Inquisitor im Jahre 1387 piemontesischen Waldensern durch die Folter das Geständniss, dass sie Sonne und Mond anbeten, die Gotteskindschaft Christi leugnen und in ihren Versammlungen schändliche Unzucht verüben; ganz ähnliche erzwungene Geständnisse kehren in italienischen Waldenserprocessen der Jahre 1451 und 1492 wieder [110]. Während David von Augsburg die deutschen Waldenser gegen den Vorwurf des Satansdienstes in Schutz nimmt, wird diese Anklage, sowie der, auch bei dem Passauer Anonymus und David von Augsburg angedeutete Vorwurf der Unzucht und Weibergemeinschaft wieder gegen eichstädtische Waldenser des 14. Jahrhunderts erhoben; brandenburgische Waldenser werden 1336 zu Angermünde als „Luciferianer“ abgeurtheilt und noch in dem grossen Processe gegen die pommerischen und brandenburgischen Waldenser der Jahre 1393–1394 werden diese über ihren Glauben an Lucifer befragt[111]. In den romanischen Ländern endlich war schon [325] in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Bezeichnung „Vauderie“ gleichbedeutend mit Teufelsbuhlschaft und Hexerei geworden, so dass die provençalischen Waldenser im Jahre 1535 den Namen „Vaudois“ als beschimpfend abwiesen[112].

Gibt uns nach dem Gesagten die erste Gruppe der den Kremser Ketzern beigelegten Lehren nicht das Recht, sie dem manichäischen Sectenkreise ohne Weiteres zuzurechnen und ihre Zugehörigkeit zu der waldensischen Secte abzuweisen, so wird auch durch die Lehrsätze der zweiten Gruppe die Abgabe eines abschliessenden Urtheils nicht ermöglicht. Die Kremser Ketzer verwerfen angeblich die Taufe, die Eucharistie, die letzte Oelung, den Eid, die kirchlichen Fasttage, Feste und Weihen, den Kirchengesang; die katholische Kirche gilt ihnen als eine heidnische, die kirchlichen Gebäude nennen sie Steinhäuser, die Ehe eine „fornicatio iurata“[113]. Mit Ausnahme des letzten Satzes, der sich aber unschwer aus dem Missverstehen der bekämpften ketzerischen Lehre erklären lässt, finden wir die sämmtlichen Anklageartikel in den Verzeichnissen der waldensischen Irrthümer, wie sie uns David von Augsburg und der Passauer Anonymus liefern, zum Theil in wörtlicher Uebereinstimmung wieder[114]; aber auch die Katharer sind hinsichtlich der aufgeführten Punkte in Opposition zur kirchlichen Lehre gestanden. Einen festen Anhaltspunkt erhalten wir erst durch die Lehrstücke der dritten Gruppe und zunächst durch [326] die Aussagen der Kremser Ketzer über ihre Hierarchie. Darnach steht an der Spitze der Secte ein Bischof und zwölf Apostel, als deren ausschliessliche Function die Abnahme der Beichte[WS 2] erscheint, und welche seitens ihrer Gläubigen eine unbegrenzte Autorität geniessen; die Apostel durchziehen die verschiedenen Gegenden der Erde und besuchen abwechselnd zu zweien das Paradies, wo sie von Henoch und Elias die Macht zu binden und zu lösen erhalten, um sie auch ihren Amtsgenossen mitzutheilen. Ganz ähnliche abergläubische Anschauungen über das Wesen ihrer Reiseprediger finden wir bei den eichstädtischen und brandenburgisch-pommerischen Waldensern des 14. Jahrhunderts; nur werden dort als Ertheiler der himmlischen Vollmachten bald die Engel des Paradieses, bald die Apostel, bald Gott selbst genannt. Entscheidend ist, dass diese Vorstellungen ausschliesslich dem waldensischen Sectenkreise eigenthümlich sind, und dass ebenso die Bezeichnung als Apostel, Zwölfboten und Beichtiger für die waldensischen Reiseprediger charakteristisch ist[115]. Die Angaben des Kremser Berichtes über die Beichtceremonien der österreichischen Häretiker lauten in den einzelnen Versionen verschieden; da wir auch über die waldensischen Beichtceremonien nicht bis ins Einzelne unterrichtet sind, so müssen wir jene Angaben, die übrigens auch keine nähere Beziehung zum katharischen Cultus verrathen, hier ausser Betracht lassen[116]. Abermals auf die waldensische Secte weist dagegen die Angabe des Inquisitionsberichtes über die bei den Kremser Ketzern als Erkennungszeichen dienenden Losungsworte [327] hin: was uns der Passauer Anonymus über die „Leonisten“ von 1260 in dieser Beziehung mittheilt, stimmt ganz mit dem über die Kremser Häretiker Berichteten überein[117]. Auch die letzte noch erübrigende Mittheilung unseres Quellenberichtes endlich, dass unter den österreichischen Ketzern beiderlei Geschlechts sich selten Jemand finde, der nicht den Text des neuen Testamentes auswendig wisse[118], dürfte sich am ungezwungensten mit den Gläubigen der Waldensersecte in Verbindung bringen lassen.

Zu den inneren Gründen, welche die Beziehung des Kremser Berichtes auf die waldensische Secte wahrscheinlich machen, kommt als unterstützendes Moment noch die bereits früher (S. 289) von uns hervorgehobene Thatsache hinzu, dass die Katharer, die allein ausser den Waldensern noch etwa in Betracht kommen könnten, schon um 1260 aus Süddeutschland und speciell auch aus Oesterreich durch die Waldenser zurückgedrängt waren. Die ausserordentlich weite Verbreitung der ketzerischen Secte von 1311 ff. in Oesterreich und den Nachbarländern lässt sich ferner nur unter der Voraussetzung erklären, dass dieselbe dort seit Generationen eingebürgert war; ihr Bischof hatte damals schon 50 Jahre lang seines Amtes gewaltet, und bereits die Eltern der Verurtheilten hatten der Secte angehört[119]. Dies alles führt uns in die Zeit um 1250–1260 zurück, zu welcher, wie den Mittheilungen des Passauer Anonymus zu entnehmen ist, die Inquisition in Oesterreich ausschliesslich durch die Verfolgung der dortigen Waldenser in Anspruch genommen war. Und auch die locale Verbreitung der Secte von 1311 ff. entspricht zum guten Theile derjenigen der österreichischen Waldenser von 1266, aber auch dem, was wir von der Geschichte der Secte am Ende des 14. Jahrhunderts wissen. So begegnet Steyer sowohl in der Liste der von den Waldensern inficirten Pfarreien von 1266, als auch in den Ketzerprocessen [328] der Jahre 1311 ff.; um 1390 erscheint die Stadt und Umgebung wieder als ein Hauptstützpunkt der Waldenser. Im Gebiete zwischen Traiskirchen und St. Pölten, wo die Ketzerei von 1311 ff. in 36 Ortschaften Eingang gefunden, hatten auch die Waldenser von 1266, wie die Ortsliste des Passauer Anonymus zeigt, ihren Anhang; als Sitze von Waldensern nennt die Ortsliste von 1266 auch eine Anzahl von Pfarreien in der allernächsten Umgebung von Krems, das in der Inquisition von 1315 eine so bedeutende Rolle spielte. Wien endlich, wo um 1315 Autodafé’s stattfanden, sehen wir später mehrfach in die Waldenserverfolgungen aus dem Schlusse des 14. Jahrhunderts verflochten. Dass die gemeinsame Quelle unserer Berichte über die Kremser Inquisition die Ketzer von 1266 und von 1311 ff. als identisch betrachtete, ergibt sich daraus, dass sie die Ortsliste von 1266 ohne weitere Unterscheidung ihren Mittheilungen über die Kremser Ketzer anfügte. Fasst man zuletzt noch ins Auge, dass der Inquisitor Petrus Zwicker im Jahre 1395 von einem ununterbrochenen 150jährigen Bestande der waldensischen Secte in Oesterreich spricht[120], dass ferner die Bekenntnisse der seit 1391 verfolgten Waldenser aus der Umgebung von Steyer die Verbreitung dieser Secte in derselben Gegend am Anfang des 14. Jahrhunderts bezeugen[121], dass endlich in Böhmen und Mähren, wo die Ketzer von 1315 unzählige Anhänger gehabt haben sollen, von 1330 an wiederholt die waldensische Secte verfolgt und über deren Verbreitung geklagt wird, dagegen niemals von Luciferianern oder Katharern die Rede ist, so wird man wohl den Wahrscheinlichkeitsbeweis für die These für erbracht erachten: die österreichischen Ketzer von 1311 ff. und ihre Glaubensgenossen in Böhmen und Mähren sind Waldenser gewesen.




Nachtrag.

Eine sehr willkommene Bestätigung der Richtigkeit unserer soeben vorgetragenen Vermuthung bringt Wattenbach’s Mittheilung über das Handbuch eines Inquisitors aus dem ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts (Abhandlungen der Berliner Akademie 1889). Unter den in diesem Handbuch den Angaben des Nicolaus Eymerici über die Waldenser beigefügten Zusätzen (S. 20) begegnet der Satz: „isti se filios Israel nominant“. In der mir bekannten Ketzerliteratur hat diese Notiz nur in der Angabe des Kremser Berichtes über die dortigen [329] Ketzer (Friess S. 256) ihr Gegenstück: „nostros presbyteros Romaniolas, suos vero Israheliticos appellabant“. Vergl. auch den von Wattenbach mitgetheilten Satz: „et die Lune et die Mercurii [Waldenses] libidini totaliter se exponunt et utendo carnibus ieiunant.“




Beilage I.

Gesuch um päpstliche Entscheidung der Frage, ob ein zweimal in Ketzerei verfallener Kleriker zum Priester geweiht werden dürfe.

Aus Cod. ms. 577 des k. k. H.-, H.- und Staatsarchives zu Wien p. 131.

Si clericus in duas hereses lapsus possit ad sacerdocium promoveri.

Licet omnes, qui christiano nomine censentur, a vobis tamquam a Christi vicario et magistro catholice fidei super dubitabilibus querere documenta, ne christiana professio vacillare noscatur. quidam autem nostre dyocesis clericus, dum at[122] in minoribus ordinibus constitutus, se Paterenorum secte frequenter immiscuit, sed postmodum ad penitentiam rediens postulavit ad sacros ordines promoveri. qui cum postea consisteret in ordine dyaconatus, Leonistas non timuit imitari et cum eis fuit diucius conversatus. nunc autem qualicumque penitentia ductus instanter petiit, ut ipsum in sacerdocium debeamus promovere. verum quia in duabus heresibus vacillavit, in facto eciam procedere pertimemus, presertim cum heretica labes consueverit difficile removeri.




Beilage II.

Herzog Ludwig II. von Baiern empfiehlt die als Inquisitoren aufgestellten Dominicaner dem Schutze und der Unterstützung seiner Beamten. 1262 Dec. 17. Regensburg.

Aus München Reichsarchiv, Klöster (Dominicaner in Regensburg fasc. 10) or. membr. c. sig. pend. laeso. – Das an einer grünen und rothen seidenen Schnur hängende Siegel ist jetzt ziemlich defect. – Die Abschrift der Urkunde verdanke ich der Güte des Herrn Archivraths Dr. Will in Regensburg. – (Abschrift in Codex chronologico-diplomaticus episcopatus Ratisbonensis III, Nr. 336, Manuscript des Kreisarchivs zu Regensburg; hiernach benutzt von Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg II, 479.)

Ludwicus dei gracia palatinus comes Reni et dux Bawarie universis ministerialibus suis dilectis et fidelibus scultetis, prepositis, [330] iudicibus, sive ceteris officialibus suis in civitatibus, castellis aut villis in sua iurisdictione constitutis graciam suam et omne bonum. quoniam ad defendendos pauperes de manibus diripientium eos in sublimitate sumus constituti, precipue tamen ad exstirpandas hereses et infideles homines, qui heu sicut audivimus in nostris finibus nuper emerserunt, quorum diabolus versucia quasi in occulto, cum in palam nocere non possit, tunicam domini scindere et vineam domini Sabaoth nititur demoliri et hereditatem eius delere, gladio materiali sumus accincti, qui quanto familiariores secundum phylosophum, tanto sunt nocentiores, discunt enim curiose circuire domos, sicut ait apostolus, sub specie pietatis verbis vanis et superfluis subvertentes corda simplicium, multiplic[it]ate eloquii infigentes eis sagittas lingue igneas plenas veneno mortifero infidelitatis, detrahentes sacramentis ecclesie, legibus sacratissimis principum et sanctionibus patrum, suam per omnia iusticiam constituere volentes, quos nisi citius deus revelasset in suis latentes perfidiis, fideles quosque simul privassent vita et regno. cum autem multi ad defendendam creatoris iniuriam relictis liberis et uxoribus omnibusque, quae possiderint, nudi nudum Christum sequantur, portantes crucem suam in terras longinquas et trans maria, fidei vestre mandamus et districte precipimus, quatenus divine remuneracionis intuitu ac nostre dilectionis respectu dilectos fratres predicatores, quorum ordo ad hoc noscitur institutus, ut tales inimicos ecclesie perscrutentur et proclament, cum ad vos venerint, benigne recipiatis, ferentes eis contra hereticos et eorum defensores, fautores sive receptatores sub obtentu gracie nostre consilium et auxilium fidele et oportunum, ut et ipsi ab iniuriis et violentiis nostro defensi auxilio ministerium suum adimplere valeant et nos, qui extra terras pugnando dispersa congregare non possumus, domi saltem congregata conservemus. datum Ratispone anno domini 1262, XVI. kal. Januarii.




Siehe auch: Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland seit der Mitte des 14. Jahrhunderts

Anmerkungen

  1. Vorbemerkung. Der von mir bearbeitete Stoff ist zum Theil schon durch G. E. Friess (Ueber Patarener, Begharden und Waldenser in Oesterreich, in der Oesterr. Vierteljahrsschr. f. kathol. Theologie XI (1872) S. 209 ff.) und W. Preger (Beiträge zur Geschichte der Waldesier, in den Abhandlungen der histor. Classe der Münchener Akademie XIII, Abth. 1, S. 183 ff.; Ueber das Verhältniss der Taboriten zu den Waldesiern des 14. Jahrh., in denselben Abhandlungen XVIII, Abth. 1) behandelt worden. Da ich die sehr verdienstlichen Nachweisungen beider Gelehrten in einer Reihe von Punkten, zum Theil durch ungedrucktes Material, ergänzen kann, andererseits mit ihrem Urtheil über den Charakter der im südöstlichen Deutschland auftretenden Häresien mich mannigfach im Widerspruch befinde, so hielt ich es für geboten, um ein zutreffendes Bild der religiösen Volksbewegungen in Oesterreich und den Nachbarländern zu geben, deren Geschichte vom 13. Jahrhundert ab bis auf die Husitenzeit nochmals zusammenfassend darzustellen. Die von Friess und Preger erstmals erschlossenen Quellen sind für verschiedene Abschnitte meiner Darstellung grundlegend gewesen.
  2. Ueber die Waldenser zu Metz von 1199 vergl. Alberic von Trois-Fontaines, Mon. Germ. hist. Script. XXIII, 878. Cäsarius v. Heisterbach, Illustrium mirac. et histor. lib. V, cap. 20. Berger, La bible française au moyen-âge S. 37 ff. Ueber Waldenser zu Montpellier vergl. Cäsar. v. Heisterbach a. a. O. Ueber Edicte gegen Waldenser im Bisthum Toul im Jahre 1192 vergl. Martène et Durand, Thesaurus novus anecdotor. IV, 1180. Auch die 1212 und 1215 in Strassburg processirten Ketzer (vergl. C. Schmidt, Die Sekten zu Strassburg im Mittelalter. Zeitschrift für hist. Theologie X (N. F. IV, 1840), Heft 3, S. 31 ff.) sind wohl den Waldensern zuzurechnen. Ueber die angeblichen Verbindungen dieser Strassburger Waldenser mit Glaubensgenossen in Böhmen und deren Führer Birkhardus vergl. Excurs I.
  3. Vergl. die beiden genannten Abhandlungen von Preger, sowie die Schrift von K. Müller, Die Waldenser und ihre einzelnen Gruppen während des Mittelalters (Sep.-Abdr. aus den Theolog. Studien und Kritiken, Jahrgang 1886 und 1887) S. 27 (691). Das Sendschreiben kann kaum später als einige wenige Jahre nach dem Religionsgespräch des Jahres 1218 abgefasst sein, da, wie Preger bereits gesehen, von den sechs Abgeordneten zu jenem Gespräche sich fünf als Absender des Schreibens zeichnen, unter ihnen auch die Brüder Thomas und Johannes Franceschus (al. Francigena), über deren Angelegenheit zu Bergamo verhandelt worden war; andererseits scheinen die von Preger zuletzt geltend gemachten Grunde die Abfassung des Schreibens unmittelbar nach dem Gespräch von Bergamo auszuschliessen.
  4. Mon. Germ. Script. IX, 621 (vergl. 635) ad a. 1210: Pestilens heresis Paterinorum cum plurimos christiani nominis serpendo corrumperet, auctore deo prodita est, et variis tormentis multi eorum necati sunt. Ein zwingender Grund, die ganz allgemein gehaltene Angabe auf Oesterreich oder gar auf Klosterneuburg zu beziehen, liegt nicht vor.
  5. Der wälsche Gast. Herausg. v. H. Rückert v. 12 683 ff.:

    Lamparten waere saelden rîche,
    hiet si den herrn von Ôsterrîche,
    der die ketzer sieden kan,
    er vant ein schoene geriht dar an.

  6. Vergl. den Brief des Papstes Innocenz III. an Bischof Manegold von Passau vom Jahre 1207 (Monum. Boica XXVIII, p. 2, S. 274): quod gravius est, usque adeo, ut asseritur, ibi pestis invaluit hereticae pravitatis, ut passim in caulas dominicarum ovium lupi rapaces irrumpant.
  7. Matthei Parisiensis Chronica maiora. Mon. Germ. hist Scriptor. XXVIII, S. 230 ff. Der päpstliche Legat und Cardinal Robert von Courçon, dessen Verfolgung sich Ivo entzog, weilte 1213–15 in Frankreich und starb bereits 1218 unter den Mauern von Damiette (Hauréau, Histoire de la philosophie scolastique II, 2, S. 103. Raynaldus, Annal. ecclesiast. ad a. 1213 Nr. 2, 63; a. 1218 Nr. 5). Ivo’s Verkehr mit den lombardischen und deutschen Patarenern dürfte demnach etwa um das Jahr 1214–1220 anzusetzen sein.
  8. Kleinere Gedichte von dem Stricker. Hrsg. von Hahn (Bibliothek der gesammten deutschen Nationalliteratur Bd. XVIII) S. 70 ff. Ueber die Heimath und Zeitverhältnisse des Stricker vergl. Bartsch’s Einleitung zu seiner Ausgabe des „Karl d. Gr.“ S. I ff., VI ff.
  9. Vergl. Lea, History of the inquisition Vol. II, S. 146 f. Zur Zeit Davids von Augsburg wachten die deutschen Waldenser, Ortliber, Runcarier u. s. w. ängstlich darüber, dass ihre Gläubigen nicht zum Uebertritt zu anderen Secten verleitet würden, machten aber der Kirche gegenüber gemeinsame Sache (Ausg. v. Preger S. 216). Ein Beispiel des Uebertritts von den Katharern zu den Waldensern liefert die wahrscheinlich dem Formelbuch des Florentiners Buoncompagno (um 1215) entlehnte Formel des sogenannten Formelbuches K. Albrecht’s I., welche ich im Anhange nach einer Abschrift, die ich der Güte der Direction des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien verdanke, mittheile; ein Bischof richtet in derselben an den Papst die Anfrage, ob ein Kleriker, der nach Empfang der niederen Weihen Patarener geworden, nach der Abschwörung seiner Ketzerei und seiner Weihe zum Diakon aber sich mit der Secte der Leonisten eingelassen hatte, die Priesterweihe erhalten dürfe. Ueber das Formelbuch vergl. Chmel im Archiv f. Kunde österreich. Geschichtsquellen II (1849) S. 213 f., und Schweizer in den Mittheilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung II, S. 229 ff.
  10. Predigt: Saelic sint die reines Herzen sint, in Pfeiffer’s Ausgabe der Predigten I, S. 402 ff. (vergl. auch S. 130), wo Berthold nach der Aufzählung der verschiedenen Secten – unter ihnen allerdings auch Arianer! – gegen die Schöpfungslehre der Katharer, alsdann gegen die laxen Anschauungen der Waldenser (vergl. Müller a. a. O. S. 122 [98]) vom erzwungenen Eide polemisirt.
  11. Ausgabe von Preger in den Abhandlungen der histor. Classe der Münchener Akademie Bd. XIV, Abth. 2, S. 204 f., 216.
  12. Vergl. die von Müller (a. a. O. S. 148 [122]) mitgetheilte Stelle aus den Münchener Handschriften des Anonymus: Sectae haereticorum fuerunt plus quam septuaginta, quae omnes… sunt deletae praeter sectas Manicheorum et Patarinorum, quae occupant Lombardiam et praeter sectas Ordlibariorum Runcariorum et Leonistarum quae Alemanniam infecerunt. Auf Verfolgungen von Katharern in Oesterreich scheint das von Friess (a. a. O. S. 252) aus einer Handschrift von St. Florian mitgetheilte Frageformular hinzudeuten. Der Patriarch von Aquileja Bertrand (1334–1350), dessen Diöcese bekanntlich auch Krain und Theile von Kärnthen und Steiermark einschloss, erliess in seinen Synodalstatuten eingehende Verordnungen gegen das Umsichgreifen der Katharer und anderer Häretiker, die aber doch wohl nur das transalpinische Gebiet des Patriarchates betroffen haben (Rubeis, Monumenta ecclesiae Aquilejensis col. 881).
  13. Vergl. darüber namentlich Ficker, Die gesetzliche Einführung der Todesstrafe für Ketzerei, in den Mittheilungen des Instituts für österreich. Geschichtsforschung I, S. 212 ff.; Felten, Papst Gregor IX, S. 215 ff.; Hausrath, Kleine Schriften religionsgeschichtlichen Inhalts 1883, S. 137 ff.; Kaltner, Konrad von Marburg 1882.
  14. Vergl. die wenig beachtete Stelle in dem von Alberic von Trois-Fontaines (Mon. Germ. hist. Scriptor. XXIII, S. 878) mitgetheilten Briefe des Erzbischofs Siegfrid von Mainz und des Dominicaners Bernhard an Papst Gregor IX: Magister Conradus contra pauperum Lugdunensium astutias zelo fidei armatus nefandam haeresis Manicheorum filiam olim absconditam… putavit ex toto deprehendere. Die Glaubenslehren, die Konrad von Marburg den von ihm verfolgten Ketzern beilegte (Verehrung von Kröten, Katern und des in den Zusammenkünften der Ketzer erscheinenden Satans, Verübung von Unzucht u. dergl.) sind natürlich sammt und sonders Ausgeburten des religiösen Fanatismus; wie man noch heute (vergl. Kaltner a. a. O.) jene Vorwürfe als thatsächlich begründet bezeichnen kann, ist unverständlich. Mit Ausnahme einzelner offenbar erfundener Züge (namentlich bezüglich angeblicher Weibergemeinschaft) sind die von Trithemius der angeblich um 1230 in ganz Deutschland verbreiteten Secte beigelegten Lehren (Annales Hirsaugienses Tom. I, S. 543 f. ad a. 1230) durchaus waldensisch.
  15. A. v. Meiller, Regesten zur Geschichte der Salzburger Erzbischöfe Nr. 372, S. 252. Der Text der Bulle ist offenbar ganz übereinstimmend mit der am 25. Juni 1231 an den Erzbischof von Trier und dessen Suffragane gerichteten (Böhmer, Acta imperii selecta Nr. 959, S. 665).
  16. Winkelmann, Acta imperii inedita Nr. 624, S. 499. Ebendaselbst die Nachweisungen ähnlicher Erlasse an die Dominicaner von Strassburg, an Konrad von Marburg etc. Die von Felten (a. a. O. S. 217, Anmerk. 6) gegen die Authenticität des an Konrad von Marburg gerichteten Erlasses erhobenen Bedenken scheinen mir ganz haltlos.
  17. Schreiben Gregor’s IX. vom 3. September 1232. Monumenta Germ. hist. Epist. saec. XIII, Tom. I, S. 388. Auch den von Konrad von Marburg verfolgten Ketzern ist bekanntlich die Verübung unnatürlicher Unzucht vorgeworfen worden; vergl. das Schreiben Gregor’s IX. vom 13. Juni 1233, ebenda S. 433.
  18. Vergl. Ficker a. a. O. S. 215 ff.; Böhmer, Regesta imperii 1198 bis 1272, hrsg. v. Ficker, Abth. 1, S. 385 f.
  19. Winkelmann, Acta imperii inedita I, Nr. 626, S. 502. Quellen und Erörterungen zur baierischen und deutschen Geschichte V, S. 55. Die drei Erlasse sind wohl kurz nach März 1232 anzusetzen.
  20. Winkelmann a. a. O. Nr. 628, S. 504; auch Friess a. a. O. S. 249. Vergl. die gleichlautenden Schreiben an den Erzbischof von Bremen und den Bischof von Strassburg bei Potthast, Regesta pontific. Nr. 9042 und 9046, und Monumenta Germ. Epist. s. XIII T. I, S. 390, Nr. 485.
  21. Vergl. Alberic von Trois-Fontaines a. a. O. ad a. 1233: Per Alemanniam vero facta est tanta hereticorum combustio, quod non possit numerus comprehendi, und über die Vorgänge nach dem Tode Konrad’s von Marburg: Facta est confusio a seculis inaudita. Als eifrigen Ketzerverfolger in der Schweiz lernen wir auch einen Habsburger, Graf Hartmann von Kyburg, kennen aus einem Schreiben Gregor’s IX. vom 8. Januar 1233, worin er den Grafen in seinen besonderen Schutz nimmt. Mon. Germ. Ep. s. XIII. T. I, Nr. 503, S. 403. Ueber die weite Verbreitung der Ketzerei in damaliger Zeit vergl. die Klagen des Provinzialconcils von Mainz vom Jahre 1233 (mitgeth. v. Mone in der Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins Bd. III [1852] S. 35 ff.): Virus heretice pravitatis partibus Alemanniae, nescimus a quo fonte, infusum nostris heu temporibus se usque adeo dilatavit, ut vix civitas, villa vel opidum expers huiusmodi feditatis valeat inveniri.
  22. Mon. Germ. Ep. s. XIII. T. I, S. 589, 594, 605, Nr. 693, 699, 704.
  23. Ficker a. a. O. S. 223. Ueber die Thätigkeit der Inquisition in den Niederlanden während der Jahre 1232–1247, vergl. Duverger, L’inquisition en Belgique. Verviers 1888, S. 31 f., und Fredericq, Corpus documentorum inquisitionis Neerlandicae. I. Gent 1889, S. 82 ff.
  24. Schirrmacher, Albert von Possemünster S. 54 ff.
  25. Schirrmacher a. a. O. S. 131 ff., 150ff; Riezler, Gesch. Baierns S. 74 ff., 81 ff., 93 ff., vergl. dagegen S. 98. Die Minoriten in Oesterreich erhalten 1250 vom Papst Innocenz IV. den Auftrag, das Kreuz gegen den gebannten Kaiser, seinen Sohn Konrad und deren Anhänger zu predigen. (Mitgetheilt von Friess im Archiv f. österr. Geschichte Bd. 64, S. 185.)
  26. O. Lorenz, Deutsche Geschichte im 13. u. 14. Jahrhundert Bd. I, S. 175 ff., 231 ff.
  27. Mon. Boica XXIX, 2, S. 348, 370 ff.
  28. Vergl. den Aufsatz von Völter in der Zeitschr. für Kirchengesch. IV (1881) S. 360 ff. und die Ergänzungen Bossert’s in den Württembergischen Vierteljahrsheften V (1882) S. 290 ff.
  29. Ausgabe von Preger a. a. O. S. 219. Preger (Abhandl. d. Münch. Akad., Hist. Cl. XIII, S. 227) bezieht die Stelle auf Friedrich II. von Oesterreich, Riezler, (Baierische Gesch. II, S. 227) mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf den im Kirchenbanne gestorbenen Herzog Otto II. von Baiern.
  30. Flacius Illyr., Catalogus testium veritatis. Francof. 1666, S. 953.
  31. Continuatio Vindob. ad a. 1284, in Monumenta Germ. hist. Script. IX, S. 712.
  32. Mit der Verschwörung Otakar’s und der staufisch gesinnten böhmischen Landherren hat zuerst Palacky (Ueber die Beziehungen und das Verhältniss der Waldenser zu den ehemaligen Secten in Böhmen. Prag 1869. S. 7 ff.) eine Bulle des Papstes Innocenz IV. (dat. Lugduni, XIV kal. Sept. pontif. nostri anno secundo) in Verbindung gebracht, welche den ungarischen Episkopat zur Bekämpfung der „haeretici in Boemiae regno constituti“ auffordert; u. a. ist auch Lea a. a. O. II, S. 427 dieser Combination beigetreten. Dagegen hat C. v. Höfler (Mittheilungen f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen. Jahrg. VII (1869), Heft 5 und 6) mit entscheidenden Gründen die Ansicht vertreten, dass die von H. R. Luard (Annales monastici I, S. 264) publicirte Bulle, deren Datum jedenfalls falsch ist und welche sich in E. Berger’s Regesten des Papstes Innocenz IV. nicht findet (Potthast setzt sie als Nr. 11 818 in das Jahr 1245), sich nicht auf Böhmen, sondern auf Bosnien beziehe, in welchem Lande allein der ketzerische Papst, welchen die Bulle nennt, gesucht werden könne. Eine allerdings recht nachlässige, in Einzelheiten aber den Luard’schen Druck ergänzende und verbessernde Abschrift der Bulle findet sich in der von mir eingesehenen Hs. Nr. 152 der Stadtbibliothek zu Lübeck (Dictamina Petri de Vineis betitelt und von W. Wattenbach im Oesterr. Notizenblatt I [1851], S. 382 ff. beschrieben) fol. 154 unter Briefen des 13. Jahrhunderts. Leider fehlt Eingang und Datum. Dass es sich bei dem Luard’schen Abdruck nicht um einen Lesefehler bezüglich der auf Böhmen resp. Bosnien bezüglichen Stellen handelt, zeigt die Thatsache, dass auch in der Lübecker Hs. Böhmen an die Stelle von Bosnien getreten ist. Die in der Lübecker Hs. enthaltene Lesart: „in Boemien regno“ ist ohne Frage aus „in Bosniensi regno“ entstanden.
  33. Vergl. Lorenz, Deutsche Geschichte I, S. 88 ff., 231 ff.
  34. Mon. Boica XXIX, 2 S. 427. Damit ist wohl identisch die in Lang’s Regesta III, S. 138 aufgeführte angebliche Aufforderung Otakar’s an Bischof Otto von Passau, den österreichischen Klerus zu reformiren. Dass es in der That schlimm um die Moralität der österreichischen Geistlichen stand, zeigt uns das Beispiel des Pfarrers von Wien, Leopold, der 1250 wegen des gleichzeitigen Besitzes zweier Pfründen, Todtschlag, Ehebruch, Simonie, Meineid und Ketzerei abgesetzt und excommunicirt wurde. Mon. Boica XXIX, 2, S. 370 ff.
  35. Codex diplom. et epist. Moraviae III, S. 238. Man wird sich hüten müssen, aus den einzelnen Sätzen der Bulle allzuviel für die speciellen Verhältnisse Böhmens in Betracht Kommendes herauszulesen, da dieselbe fast Wort für Wort mit der am 13. Dec. 1255 an den französischen Dominicanerprovinzial und den Pariser Minoritenguardian erlassenen Bulle des Papstes Alexander IV. übereinstimmt, worin diese als Inquisitoren für Frankreich aufgestellt werden (Ripoll, bullar. predicatorum I, 291, Nr. 52 und darnach Fredericq, Corpus documentorum inquisitionis Neerlandicae I, 125).
  36. Die Ketzer treten „in aliquibus partibus regni et dominii… regis Boemorum et Poloniae confiniis“ auf; man kann zweifelhaft sein, ob darunter nicht etwa auch die österreichischen Länder inbegriffen sind. Im Hinblick auf die im Folgenden zu besprechende österreichische Waldenserverfolgung derselben Zeit, die sich bis an die böhmisch-mährische Grenze ausdehnte, zweifle ich nicht daran, dass die böhmischen Inquisitoren in erster Linie gegen Waldenser einzuschreiten hatten. Die kirchlichen Verhältnisse im deutsch-böhmischen Grenzgebiete hat jedenfalls der Passauer Anonymus (Flacius S. 651) im Auge, wenn er als eine Ursache des Wachsthums der waldensischen Ketzerei die Abnahme der Beichte durch böhmische Geistliche in deutschen Bezirken bezeichnet.
  37. Ueber das Folgende vergl. namentlich Preger, Beiträge a. a. O. S. 184 ff., 220 ff., wo zum ersten Male die Bedeutung des sogenannten Pseudorainer (theilweise gedruckt in Gretser, Opera tom. XII, Bibliotheca max. Lugd. XXV, S. 262 ff., Flacius Illyricus, Catalogus testium veritatis. Francof. 1666, S. 641 ff.) erkannt und gewürdigt worden ist. Die Entstehungszeit zwischen 1260–1270 hat Preger, Ueber das Verhältniss der Taboriten zu den Waldesiern a. a. O. S. 30 gegen K. Müller (a. a. O. S. 147 [121] ff.) nachgewiesen.
  38. Preger, Ueber das Verhältniss der Taboriten etc. S. 30. Das Verzeichniss der „Schulen“ der Waldenser findet sich bei dem Passauer Anonymus (am vollständigsten bei Preger, Beiträge S. 241 aus CLM. 9558; unvollständiger in Bibliotheca max. XXV S. 264 D), ferner als Anhang zu dem Bericht über die Inquisition von Krems vom Jahre 1315 in zwei ziemlich verschiedenen Fassungen bei Pez, Script. Austriac. II, col. 536, und bei Friess, Vierteljahrsschrift etc. a. a. O. S. 254 ff. Ein Zweifel über die Identität der von dem Passauer Anonymus und in dem Berichte von 1315 mitgetheilten Ortslisten ist durchaus ausgeschlossen. Am engsten schliesst sich an den Anonymus die von Pez benutzte Hs. von St. Florian an, die mit wenigen Ausnahmen auch dieselbe Reihenfolge in der Aufzählung der Orte, wie der Anonymus, beobachtet; doch ist auch die Abweichung der von Friess aus einer Klosterneuburger Hs. mitgetheilten Liste nur eine scheinbare, da sich bei näherem Zusehen ergibt, dass hier die Ortschaften, mit geringen Abweichungen, einfach in umgekehrter Ordnung aufgeführt, einzelne übersehene aber am Schlusse nachgetragen werden; der nur hier erscheinende Ortsname „Nochling“ ist vielleicht identisch mit dem „Nachlewb“ (Gretser: Nachleub; CLM 14 637: Neleus) der Liste des Anonymus; den Namen „Huebing“ (Hubing bei Wels?) hat nur die Hs. von St. Florian. Am vollständigsten ist das von Preger a. a. O. S. 241 mitgetheilte Verzeichniss des Anonymus von 42 Orten; in Gretser’s Ausgabe des Anonymus werden 41, bei Pez 35, in der Klosterneuburger Hs. 37 Orte aufgezählt. Von Wichtigkeit aber ist, dass nur die Auslassung der auch in Gretser’s Vorlage übergangenen Gemeinde Algersbach den beiden die Inquisition von 1315 behandelnden Hss. gemeinsam ist, so dass aus beiden Reihen zusammen das fast vollständige Verzeichniss des Anonymus sich herstellen lässt. Bei Durchsicht verschiedener Münchener Hss. des Anonymus, (z. B. Nr. 4144 und 14 637) constatirte ich, dass auch in diesen mehrfach Auslassungen von Ortsnamen durch Versehen der Abschreiber vorgekommen sind. Wir werden demnach festzuhalten haben, dass dem Inquisitionsbericht von 1315 einfach die kurze Notiz über die Inquisition des Jahres 1266 sammt der dieselbe betreffenden Ortsliste des Anonymus angehängt worden ist. Auch in das Werk des Anonymus scheint die Liste von dem Verfasser erst nach Abschluss des betreffenden Abschnittes aufgenommen worden zu sein. Die Anordnung der Liste ist eine geographische; zuerst werden niederösterreichische, dann oberösterreichische Gemeinden, und innerhalb dieser beiden Abtheilungen wieder Gruppen benachbarter Orte aufgezählt, was für die Feststellung der richtigen Namensformen von Wichtigkeit ist. Die Nachweisungen von Preger und namentlich von Friess benutzend, aber auch ergänzend und berichtigend, lassen wir die Liste der waldensischen „Schulen“ folgen: in Niederösterreich: Lengenfeld, Stratzing, Langenloibe (vergl. Oesterley, hist.-geogr. Wörterbuch des deutschen Mittelalters S. 406), Drosendorf, St. Oswald (bei Persenbeug), Anzbach bei Neulengbach, Ollersbach bei Neulengbach (Oesterley S. 501), Christofen, Böheimkirchen bei St. Pölten, Ips, St. Georgen (südl. v. Seitenstetten?, südl. v. St. Pölten?, a. Reith bei Waidhofen?, a. d. Leis bei Scheibbs?, a. Walde bei Grein?), Amstetten, Winklarn (Bezg. Amstetten), Neustadtl bei Ips, Ardagger, Seitenstetten, St. Peter in der Au, Asbach (Aschbach, nordöstlich von Seitenstetten), Wolfsbach bei Amstetten, Weistrach (so richtig Pez), Haag, Sindlburg, St. Valentin bei Haag, Haidershofen, Nöchling bei Amstetten; in Oberösterreich: Steyer, St. Florian, Ansfelden, Sierning, Weisskirchen (bei Neuhofen), Kematen (sicher bei Neuhofen, und nicht am Innbach), Neuhofen, Wels, Schwannenstadt, Gunskirchen, Marienkirchen bei Waitzenkirchen, Pupping bei Efferding, Grieskirchen bei Wels, Naarn westl. v. Grein, Ens, Puchkirchen bei Wels, Kammer im Attergau, Hubing bei Wels. Es ist wohl zu beachten, dass die Liste nur Pfarreien (ecclesiae) enthält, und dass bei einer Reihe von Namen die Notiz „ibi scolae“ beigesetzt ist; in einzelnen Pfarreien, d. h. in deren Filialdörfern, Weilern, Höfen u. s. w. bestanden also mehrere „Schulen“, so z. B. in der Pfarrei Kematen allein deren zehn! (Flacius S. 630: in sola parochia Cammach fuerunt decem scholae haereticorum.) An Conventikel nichtwaldensischer Secten (vergl. Preger, Beiträge S. 222) dürfen wir dabei sicherlich nicht denken. Ganz ähnliche Verhältnisse finden sich um 1387 bei den in den piemontesischen Thälern verfolgten Waldensern (Archivio stor. italiano Ser. III, Tom. 1, parte 1, 2, 1865).
  39. Ueber die österreichischen Geissler um 1261–62 vergl. Förstemann, Die christl. Geisslergesellschaften S. 39 ff., über die pantheistischen Sectirer um die Mitte des 13. Jahrhunderts im schwäbisch-fränkischen Riess meine Mittheilung in Zeitschrift für Kirchengesch. VII, S. 503 ff. Vielleicht bezieht sich auf die letztgenannten Ketzer die Briefformel des 1312 vollendeten Formelbuches des Bernold von Kaisersheim (n. von Donauwörth), worin ein Abt dem Papste über die in der Umgebung des Klosters verbreiteten Häresien Anzeige erstattet. (Quellen zur baierischen und deutschen Geschichte. Bd. IX, Abth. 2, S. 856.)
  40. Bibl. max. XXV, S. 263 H: … docent etiam et discunt in domibus leprosorum; ib. S. 264 E: item in Newenhoffen et ibidem scholae leprosorum.
  41. Bibl. max. XXV, S. 263 H, ib. 266 C: item peregrinantur et ita Lombardiam intrantes visitant episcopos suos. ib. 274 A (Frageformular für die Inquirirung von Waldensern): an unquam collectas fecerit fratribus in Lombardia? ib. S. 264 D: item Emzempach (Preger: Einzinspach) et ibi scholae et episcopus.
  42. Bibl. max. XXV, S. 264 C und E. Friess a. a. O., S. 257. Codex Vorowensis in Mon. Germ. Script. IX, S. 827: in Chempnaten plebanum et in Nachlingen plebanum cum socio occiderunt et vindicta nulla ex desidia prelatorum secuta fuit. Da es wenig wahrscheinlich ist, dass sowohl um 1266 als 1315 die Pfarrer von Kematen ermordet wurden, so ist wohl auch die Notiz über die Blutthat von Nöchling in die Zeit um 1266 zu setzen.
  43. Ueber die Thätigkeit der Inquisition um die Mitte des 13. Jahrhunderts, vergl. Lea II, S. 222 ff. Raynaldus ad a. 1255, Nr. XXXI ff. Potthast, Regesta pontificum Romanorum, Vol. II, Nr. 15 797, 15 804–5, 15 824, 15 831, 15 952, 15 958, 15 969, 15 986, 15 995 (zum Jahre 1255), Nr. 16 286, 16 292, 16 295, 16 453, 16 480, 16 611 (zum Jahre 1256), Nr. 16 667, 16 679, 16 685, 16 764, 16 945, 17 097, 17 102, 17 112, 17 113 (zum Jahre 1257), Nr. 17 236, 17 302, 17 377, 17 381–2, 17 400–1, 17 403–5, 17 414, 17 429, 17 434, 17 436 (zum Jahre 1258), Nr. 18 723, 18 895 (zum Jahre 1263–4), Nr. 19 145, 19 348, 19 371–2, 19 379, 19 423, 19 433 (zum Jahre 1265), über die Inquisition in den Niederlanden 1250 ff. vergl. Duverger, L’inquisition en Belgique S. 33 und Fredericq, Corpus S. 119 ff. Ueber die weite Verbreitung der Waldenser um 1260 vergl. Bibl. max. Lugd. XXV, S. 264 F: fere nulla est terra, in qua haec secta non sit.
  44. Vergl. Hartzheim, Concilia Germaniae III, S. 596; Janner, Gesch. der Bischöfe von Regensburg II, S. 468 f. Albert den Grossen, der 1260–1262 den bischöflichen Stuhl von Regensburg innehatte, kennen wir aus seinen Aufzeichnungen über die pantheistischen Sectirer im Ries (vergl. oben S. 300, Anm. 1) als eifrigen Verfolger der Ketzerei.
  45. Vergl. Beilage.
  46. Ried, Codex chronologico-diplom. episcopatus Ratisbonensis I, S. 481 (Beurkundung einer Schenkung des Chunradus viceplebanus in Nitnaw an ein Regensburger Hospital): per quem inventi sunt et comprehensi heretici sectae pauperum de Lugduno.
  47. Vergl. Müller, Die Waldenser S. 157 ff., (131 ff.); Preger, Gesch. d. deutschen Mystik I, 273 f., und Abhandlungen der Münchener Akad. Hist. Cl. XIV, Abth. 2, S. 193 f. Preger irrt, wenn er eine Aeusserung des Passauer Anonymus über die Missachtung der Eucharistie in Baiern (quidam eucharistiam servant in cameris et in hortis ut in Bavaria) auf die dortigen ketzerischen Kreise bezieht; wie der Zusammenhang zeigt, rügt der Anonymus an jener Stelle Missbräuche, die sich bei dem katholischen Klerus eingeschlichen hatten.
  48. Hartzheim III, S. 677. Das Einladungsschreiben zu dem Salzburger Provincialconcil des Jahres 1288 erwähnt als eine der Aufgaben der Versammlung „die den Weinberg des Herrn durchwühlenden Füchse mit Gottes Hilfe zu verjagen“ (Binterim, Pragmat. Gesch. der deutschen National-, Provinzial- und Diöcesanconcilien V, S. 120), worunter ohne Zweifel die Bekämpfung der Ketzerei verstanden wird.
  49. Vergl. die Formeln bei Bodmann, Codex epistolaris Rudolfi I., Rom. regis S. 148 und bei Gerbert, Codex epistolaris Rudolfi I., Rom. regis S. 173 f.
  50. Annales St. Rudberti Salisb. ad a. 1285 (Scriptor. IX, 810).
  51. Dudik, Iter Romanum I, S. 213.
  52. Das Schreiben ist gedruckt bei de Rubeis, Monumenta ecclesiae Aquilejensis S. 831 und von Friess S. 229 benutzt. Dank der Güte des Herrn Archivdirectors von Zahn konnte ich seine Abschrift des Documentes aus den Kanzleibüchern des Melioranza (I f. 37, Museo civico zu Udine) benutzen, die mehrfach correcter ist, als der a. a. O. vorliegende Druck. Da das Schreiben zunächst auf Urkunden des Jahres 1313 folgt, so dürfte es ebenfalls in dieses Jahr zu setzen sein.
  53. Vergl. die Formel des sogenannten Formelbuches K. Albrecht’s I., mitgetheilt von Chmel im Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen II, S. 248, sowie, bezüglich ihrer Datirung, Friess S. 226, Anm. 1.
  54. Prevenhueber, Annales Styrenses S. 47 (nach den Jahrbüchern von Garsten).
  55. Böhmer, Regesta imperii 1246–1313, S. 302, wo der kaiserliche Erlass wohl mit Recht in das Jahr 1312 gesetzt wird.
  56. Die Hauptquelle für die geschilderten Vorgänge und die folgenden Erörterungen ist der wahrscheinlich von einem Kremser Geistlichen herrührende Bericht über die 1315 (oder 1312?) zu Krems angestellte Inquisition, der uns in vier auf eine gemeinsame Quelle zurückgehenden Fassungen vorliegt (Pez, Scriptores rerum Austriacarum T. II, col. 533 ff. nach einer Hs. der Stiftsbibliothek von St. Florian, die, wie scheint, eine ältere und ursprünglichere Form des Berichtes repräsentirt, Friess S. 254 ff. nach einer Klosterneuburger Hs., Annales Matseenses in Mon. Germ. Script. IX, S. 825 f. und die Fassung einer Hs. des Klosters Vorau, ebenda). Die gemeinsame Quelle hatte bereits am Schlusse die Notiz über die Inquisition des Jahres 1266 und die bei dem Passauer Anonymus begegnende Ortsliste beigefügt, welche Friess (a. a. O. 228 und Archiv f. österr. Gesch. 64, S. 89, Anm. 4) und Müller (Die Waldenser S. 154 [128] ff.) auf die Inquisition der Jahre 1311 f., Preger (Beiträge S. 220 ff., Ueber das Verhältniss der Taboriten zu den Waldesiern etc. S. 27) richtig auf die Ketzerverfolgung der Jahre 1260 ff. bezog. In wenig veränderter und erweiterter Form begegnet der Bericht auch in dem Chronicon Hirsaugiense des Joh. von Trittenheim (St. Gallen, 1690, Tom. II, S. 139 f.).
  57. So berichtet F. Steill, Ephemerides Dominicano-sacrae I, 2, S. 69 f. „ex registr. conv. Crembsensis“. Andere Nachweise bei Friess S. 231.
  58. Auffallend ist angesichts der im Folgenden zu besprechenden Thatsachen die Aeusserung des Bischofs Bruno von Olmütz in seinem Schreiben an Papst Gregor X. vom 1. Januar 1273 über den Zustand seiner Diöcese: de infidelibus vero inter nos conversantibus, deo teste, de haereticis nihil scimus (Codex dipl. et epistolar. Moraviae VI, 369). Auch in den Olmützer Synodalstatuten von 1318 (ib. VI, 385) geschieht der Häretiker nicht Erwähnung.
  59. Bulle vom 1. April 1318, abgedruckt bei Dudik, Iter Romanum II, 136 ff., auch erwähnt bei Peter von Königsaal (Königsaaler Geschichtsquellen, hrsg. v. Loserth S. 366); die Anzeige über das Ueberhandnehmen der Ketzerei in Böhmen war dem Papste von dem mit dem Prager Bischof aufs heftigste verfeindeten Domherrn Heinrich von Schönburg erstattet worden, was bei der Beurtheilung der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben der Bulle nicht ausser Acht gelassen werden darf.
  60. Die zuerst von Dubravius (Hist. Boh. l. XX, p. 168) ausgesprochene, jeder Begründung entbehrende Ansicht, die böhmischen Ketzer von 1315 ff. hätten der Secte der Apostoliker angehört, ist bis auf die Gegenwart vielfach wiederholt worden. Die genannte Secte hat auf deutschem Gebiete nie Boden gefasst.
  61. Dudik I, 213.
  62. Vergl. Palacky, Ueber die Beziehungen und das Verhältniss der Waldenser zu den ehemaligen Secten in Böhmen (1869) S. 12 ff.; Tomek, Gesch. der Stadt Prag S. 580 f.; Dudik II, 136 f., 101 Nr. 146.
  63. Vergl. Palacky, Geschichte von Böhmen II, 2, S. 113 ff.
  64. Vergl. über ihn – er war zugleich päpstlicher Pönitentiar und Lector im Prager Dominicanerkloster – Tomek’s Geschichte von Prag I, S. 485, 520.
  65. Die päpstlichen Schreiben in Codex dipl. et epistol. Moraviae VI, 101–106, auch bei Wadding, Annales minorum VI, ad a. 1318 Nr. 2–6 und Theiner, Vetera monum. Poloniae et Lithuaniae I, 137–139.
  66. Vergl. Dudik II, 102, 104, 194.
  67. Vergl. Grünhagen, Geschichte Schlesiens I, 162 und Anhang 63. Erwünschte Aufschlüsse gewährt auch das von Wattenbach herausgegebene Formelbuch des Domherrn Arnold von Protzan (Codex diplomaticus Silesiae V); Nr. 64 des Formelbuches unterrichtet von der Absetzung eines Geistlichen der Breslauer Domkirche durch Bischof Heinrich I. (1301–1319), der u. a. in einer zu Breslau gehaltenen Predigt für die der Ketzerei Verdächtigen eingetreten war; in Nr. 69 werden die Ketzerverbrennungen in Schweidnitz und Neisse erwähnt und der Klerus zur Verfolgung der flüchtig gewordenen und sich verborgen haltenden Ketzer ermuntert; Nr. 70 und 71 behandelt die Ernennung von Inquisitoren; nach Nr. 72 sind Ketzer nach Neisse geflüchtet, wo sie ihre Lehren verbreiten; in Nr. 89 wird der Famulus eines Breslauer Bürgers, der als Helfer der Ketzer aufgetreten ist und die Inquisitoren bedroht hat, excommunicirt; in Nr. 95 wird der Archidiacon von Glogau, Magister Mirislaus, als der Ketzerei im höchsten Grade verdächtig genannt.
  68. Böhmer, Fontes rerum Germanicar. I, 402
  69. Ausgabe von G. v. Wyss im Archiv f. schweizerische Geschichte XI (1856) S. 129 und 130 f. Vergl. auch seinen monströsen Bericht über die brandenburgischen Ketzer des Jahres 1338 a. a. O. S. 136.
  70. Catalogus abbatum Glunicensium in Pez, Scriptor. rer. Austriac. II, 330: eo tempore (1336), praecipue autem anno 1338 in civitate Laureacensi et Styrensi aliisque vicinis locis suborta est inquisitio haereticoram et ab istis econtra persecutio catholicorum, praesertim cleri et religiosorum. Annales Mellicenses (Mon. Germ. Script. IX, 512) zum Jahre 1338: magna multitudo hereticorum in lucem deducta est, qui clericos seculares et religiosos plures occiderunt. Kleine Klosterneuburger Chronik im Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen VII, 232: 1336 hat man die Ketzer zerstört, was man ir fandt, in der Drischlergassen und in der Gaysluecken. Zum Jahre 1340 berichtet Johann von Victring (ed. Böhmer S. 438), ein Priester Rudolf habe in Reichenhall und dann wiederholt in Salzburg den Kelch vom Altare genommen und den consecrirten Wein verschüttet; desshalb zur Rechenschaft gezogen, habe er sich gegen die Taufe und das Altarsacrament ausgesprochen und sich zu der Ansicht, dass die gefallenen Engel wieder erhöht werden könnten, bekannt. Er wurde als unbussfertiger Ketzer verbrannt. Ein bestimmtes Urtheil über seine religiöse Stellung ermöglichen diese Angaben nicht. Um 1327 erklärte sich Erzbischof Friedrich III. von Salzburg dem Papste Johann XXII. gegenüber bereit, mit seinen Suffraganbischöfen und den päpstlichen Inquisitoren seiner Provinz gegen etwaige Anhänger und Vertheidiger der Lehren der Fraticellen einzuschreiten (Mayer, Beiträge zur Gesch. des Erzbisth. Salzburg II, im Archiv für österr. Geschichte 62, S. 165); ein Zusammenhang zwischen den Fraticellen, über deren Verbreitung in den österreichischen Ländern sonst nichts bekannt ist, und der oben geschilderten religiösen Bewegung in Oesterreich hat keinesfalls bestanden.
  71. Vergl. meine „Religiösen Secten in Franken“ S. 4 und 18 ff. Johann von Winterthur berichtet unter dem Jahre 1334 und 1346 über Ketzerverbrennungen in Nürnberg (a. a. O. S. 108 und 236), die ebenso wie die grosse Untersuchung vom Jahre 1332 am ungezwungensten mit der waldensischen Secte, zu deren hauptsächlichsten Stützpunkten Nürnberg zu Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts gehörte, in Verbindung gebracht werden.
  72. Vergl. Wattenbach. Berliner Sitzungsberichte 1887, S. 518, und meine „Husitische Propaganda in Deutschland“ im Histor. Taschenbuch, 6. Folge, VII, (1888) S. 237, Anm. 1. Johann von Winterthur a. a. O. S. 136 (zum Jahre 1338).
  73. Catalogus testium (Frankf. 1666) S. 638. Ein irgendwie stichhaltiger Grund, der Angabe des in seinen Mittheilungen über die Waldenser durchaus zuverlässigen Flacius bezüglich der zeitlichen Ansetzung dieser Inquisition mit Preger (Ueber das Verhältniss etc. S. 6) zu misstrauen, liegt nicht vor; wir werden im Gegentheil im Folgenden das Zeugniss des Flacius über die von Preger angezweifelte polnische Ketzerverfolgung um 1330 ausdrücklich bestätigt sehen.
  74. Theiner, Monumenta vetera Poloniae et Lithuaniae I, 297 f. Der am Anfang des 17. Jahrhunderts schreibende Wengierski gibt an, um 1330 sei die waldensische Secte in der Gegend von Krakau verbreitet gewesen (Krasinski, Histor. sketch of the reformation in Poland I, 53). Ausser den Waldensern wurden um diese Zeit auch Begharden durch die polnische Inquisition verfolgt, u. a. um 1319 in der Diöcese Wladislaw (Theiner I, 150, 163) und 1354 im ganzen polnischen Reiche (Theiner I, 555). Eine an den polnischen Dominicanerprovinzial gerichtete päpstliche Bulle vom 29. April 1327 erwähnt Wattenbach (nach Bullar. praedicat. II, 175) im Codex dipl. Silesiae V, 1 Nr. 69 Anm.
  75. Theiner, Vetera monumenta historica Hungariam sacram illustrantia I, 511 ff., 527. Eine Beziehung der Schriftstücke auf die im südlichen Ungarn und namentlich in Bosnien verbreiteten südslavischen Katharer, gegen die im gleichen Jahre das Kreuz gepredigt wird, sowie auf die 1326 in Ungarn genannten Fraticellen (Theiner, I, 506, 513) ist jedenfalls ausgeschlossen.
  76. Grünhagen, König Johann von Böhmen und Bischof Nanker von Breslau. Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Philos.-hist. Classe 47 (1864) S. 86; Wattenbach, Codex dipl. Siles. V, 1, Nr. 69 Anm., wornach Joh. von Schwenkenfeld am 23. November 1330 als Inquisitor für die Diöcese Breslau bevollmächtigt wurde.
  77. Vergl. Emler, Regesta Bohemiae et Moraviae P. III, 459, 469.
  78. Die gewöhnliche Uebersetzung für Neuhaus ist im 14. Jahrhundert „Nova Domus“; in früherer Zeit kommt mehrfach auch der Name „Novum Castrum“ vor. Vergl. Pangerl, Die Witigonen, Archiv f. österr. Geschichte 51, 559, 562. Nimburg a. d. Elbe war Sitz eines Domincanerklosters.
  79. Codex diplom. et epist. Moraviae VII, 52–56; Dudik, Auszüge für Mährens allgem. Gesch. aus den Regesten der Päpste (1885) S. 6 f.; Raynaldus ad a. 1335, Nr. 61–62. Wenn es heisst, dass die Ketzer „de remotis tam Alamaniae quam circumpositis regionibus“ nach Böhmen gekommen sind, so ist hier wie an den entsprechenden Stellen der nach Polen und Ungarn gerichteten Schreiben der Nachdruck offenbar darauf gelegt, dass die Häretiker ans fremden (remotis) Ländern kommen, deren Namen dann erklärend beigesetzt werden; dagegen können die Stellen unmöglich so verstanden werden, dass nach Ungarn die Häretiker aus entfernten Gegenden Deutschlands und Polens, nach Polen aus entfernten Landschaften Deutschlands und Böhmens u. s. w. kommen. Die deutschen Einwanderer, welche die päpstlichen Briefe nennen, haben wir uns gewiss nur zum kleineren Theil als Flüchtlinge, – vergl. über solche z. B. die Urkunde von 1336, worin König Johann von Böhmen verheisst, die aufrührerischen Unterthanen der Herzöge von Oesterreich nicht aufzunehmen (Codex dipl. Morav. VII, 94) – in ihrer Hauptmasse aber als Colonisten zu denken.
  80. Ueber die deutsche Einwanderung in Böhmen, Mähren und Ungarn, namentlich im 13. Jahrhundert, vergl. Huber, Geschichte Oesterreichs I, 464 ff., 576 ff. – Ueber die deutsche Colonisation in Polen und Schlesien vergl. Caro, Geschichte Polens II, 525 ff., 555 f.; Grünhagen, Gesch. Schlesiens I, 36 ff., 58 ff., 87 ff., 111, 131.
  81. Zur Geschichte der Germanisirung dieses Theiles von Südböhmen und zur Geschichte der Herren von Neuhaus vergl. Tupetz, Gesch. der deutschen Sprachinsel von Neuhaus und Neubistritz in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Jahrgang XXVI (1888) Nr. 3 und 4, S. 283 ff., 359 ff.
  82. Am 18. November 1338 besiegeln beide Inquisitoren als Zeugen eine in Neuhaus von Ulrich von Neuhaus ausgestellte Urkunde. Codex dipl. et epist. Moraviae VII, 157.
  83. Cod. dipl. Mor. VII, 190.
  84. Dudik S. 14 und 23.
  85. Vergl. die Formel in der „Summa Gerhardi“, hrsg. von Tadra, Archiv f. österr. Gesch. 63, 369. Der in der Formel genannte Prager Stadtrichter W[enceslaus Rokyczaner], welcher für die Bezahlung der Kaufsumme für die zu Gunsten der Inquisition angekauften Häuser Bürgschaft geleistet hatte, bekleidete jenes Amt 1337 – Mai 1342 und Juli 1343 – März 1344. Vergl. Tomek, Gesch. der Stadt Prag I, 634, 646. – Frind, Kirchengesch. Böhmens II, 86, nennt als Nachfolger des Gallus als Inquisitor den Dominicaner Konrad, bemerkt aber an einer späteren Stelle (II, 273), dass derselbe mit dem Inquisitor Johann von Schwenkenfeld verwechselt werde.
  86. Dudik S. 31.
  87. Vergl. die Formel in dem von Tadra herausgegebenen Formelbuch des Erzbischofs Arnest von Prag (1343–1364) im Archiv für österr. Geschichte 61, 405. Eine genauere Bestimmung des Datums der Formel, als „um 1350“, ist schwerlich möglich. Nach Tadra S. 272 rühren die Formeln der „Concellaria Arnesti“ meist aus der Zeit 1350–1360 her. Ob das gleichfalls in der Cancellaria (S. 324 ff., 426) erwähnte Attentat auf den Canonicus von Wyssegrad, Ulrich Neumburger, mit dem berührten Vorgang in Verbindung steht, muss dahingestellt bleiben.
  88. Cod. dipl. Mor. VII, 190: in errores pristinos sunt relapsi, conventiunculas illicitas cum magistris eorum, quos vocant apostolos, faciendo. Preger (Ueber die Taboriten S. 8 f.) erblickt mit Recht in der Stelle einen Hinweis auf die waldensische Secte. Die Apostoliker und Katharer können aus den früher angegebenen Gründen nicht in Betracht kommen. Zwar heisst es auch einmal von den Begharden (Erlass des Erzbischofs Heinrich I. von Köln vom Jahre 1306 bei Mosheim, De beghardis et beguinabus S. 211 ff.), dass sie sich Apostel nennen; aber auf pantheistische Grübler kann die Erzählung von den Bauernaufständen im Neuhauser Gebiete am allerwenigsten bezogen werden. Die Unwahrscheinlichkeit der früheren Auffassungen von einer massenhaften Verbreitung der Secte vom freien Geiste und von deren angeblichen communistischen Tendenzen habe ich an anderer Stelle (Zeitschrift für Kirchengeschichte VII [1885], S. 533 ff) darzulegen gesucht. Dass einzelne Glieder der Secte sich auch in Mähren fanden, zeigen die von Wattenbach (Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1887, S. 517 ff.) mitgetheilten Bekenntnisse der Begharden Johannes und Albert von Brünn, welche sie vor Gallus de Novadomo ablegten, deren Glaubwürdigkeit allerdings von Punkt zu Punkt festzustellen sein wird. Von „Aposteln“ der Secte vom freien Geiste ist auch hier nicht die Rede.
  89. Vergl. Höfler, Concilia Pragensia 1353–1413 in den Abhandlungen der Gesellsch. der Wissenschaften zu Prag. V. Folge. XII, S. XXVIII ff. 2, 5; Emler, Regesta dipl. Bohemiae et Morav. IV, 540; Loserth, Hus und Wiclif S. 30 ff.; Dudik (Olmützer Statuten von c. 1349) im Archiv f. österr. Gesch. 41, 207; Wilhelmi Wissegradensis vita Arnesti in Höfler’s Geschichtschreibern der husitischen Bewegung II, 6: praecipue correctoris et inquisitoris officium censuit exercere, ut… haereticorum perfidiam et ipsorum doctrinam detestabilem realiter et efficaciter confutaret. Tadra, Cancellaria Arnesti im Archiv für österr. Gesch. 61, 348. – Die seit 1348 auch in Böhmen auftretenden Geissler hielt der Erzbischof in scharfer Zucht (Höfler a. a. O. und Benesch von Weitmühl z. J. 1348 in Scriptor. rer. Bohemicar. II, 347), ohne aber die öffentlichen Geisselungen schlechtweg zu verbieten (Dudik, Statuten von 1350 im Archiv f. österr. Gesch. 37, 416).
  90. Tadra, Cancellaria Arnesti im Arch. f. österr. Gesch. 61, 330, 338 und 296, Anm. 2. In der Ernennungsformel für Leo und Swatibor wird Johann von Padua schon als Inquisitor genannt; im November 1350 führt er diesen Titel noch nicht (Dudik, Statuten der Prager Metropolitankirche von 1350 im Archiv f. österr. Geschichte 37, 422), um 1357 ist er nach Tadra’s Vermuthung gestorben. Die Formeln der Cancellaria Arnesti gehören, wie bemerkt, grösstenteils der Zeit von 1350–1360 an.
  91. Cancellaria Arnesti S. 549. Als die zehn Archidiakonate, in welche im 14. Jahrhundert die Erzdiöcese Prag getheilt war, führt Tomek (Gesch. der Stadt Prag I, 84) auf: Prag, Kaurim, Bechin, Bischof-Teynitz, Pilsen, Saaz, Bilin, Leitmeritz, Bunzlau und Königgrätz.
  92. Cancellaria Arnesti S. 340.
  93. Ebenda S. 340 Anm. Als königliche Stadt neben Pilsen, Klattau, Taus, Mies u. s. w. wird Pisek u. a. in einem Privileg von 1337 genannt (Emler, Regesta IV, 183). Ein „Seidil von Piesk“ erscheint um 1338 mehrfach als Schöffe der (deutschen) Prager Altstadt in Urkunden (Emler IV, 202, 204 etc.). Die von mir vertretene These, dass uns in dem „Codex Teplensis“ die Bibelübersetzung der deutschen Waldenser des Mittelalters erhalten ist, scheint durch die obenstehenden Erörterungen eine neue Bestätigung zu erfahren. Einerseits ist das südliche Böhmen allen Anzeichen nach ein Hauptsitz des Waldenserthums im 14. Jahrhundert gewesen; andererseits hat die von W. Weiss geführte „Untersuchung zur Bestimmung des Dialektes des Codex Teplensis“ (Hallenser Dissertation 1887) zum Ergebniss geführt, dass die Bibelübersetzung der Tepler Handschrift im letzten Fünftel des 14. Jahrhunderts im südlichen Böhmen, etwa zwischen Krumau und Prag, entstanden ist, so dass wir auch hier wieder auf die Gegend von Tabor oder Pisek geführt werden.
  94. Die Secten zu Strassburg im Mittelalter. Zeitschrift für historische Theologie Bd. X (Neue Folge Bd. IV, 1840), Heft 3, S. 31 ff.
  95. Willkürlich genug gibt ihnen Specklin (a. a. O. S. 36) gleichzeitig den Namen „Brod durch Gott“, der seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (vergl. z. B. Mosheim, De beghardis et beguinabus S. 616) den bettelnden Beginen und Begharden beigelegt wurde.
  96. Deutsche Städtechroniken Bd. IX (Strassburg Bd. II), S. 733. Mit Recht weist Lea, A History of the Inquisition. Vol. II (1888) S. 317 Anm. den Bericht Specklin’s, dass Bischof Heinrich von Strassburg bei Gelegenheit seiner Romfahrt im Jahre 1209 dem Papste Innocenz III. und Dominicus selbst die Unterstützung des Dominicanerordens in Deutschland zugesagt und 1210 Predigermönche in seinem Gefolge nach Strassburg mitgebracht habe, als unglaubhaft zurück; es liegt hier sicherlich eine willkürliche Combination der Romfahrt des Bischofs mit dem viel späteren Auftreten der Dominicaner in Deutschland vor.
  97. Röhrich, Die Gottesfreunde und die Winkeler am Oberrhein. Zeitschrift f. histor. Theologie Bd. X (N. F. Bd. IV, 1840), Heft 1, S. 122.
  98. Historia Bohemica cap. 41 (de Adamitis hereticis): Picardus quidam ex Gallia Belgica transmisso Rheno per Germaniam in Bohemiam penetravit, qui praestigiis quibusdam fidem sibi concilians brevi tempore non parvam mulierum virorumque plebem ad se traxit, quos nudos incedere jubens Adamitas vocavit.
  99. Vergl. z. B. Camerarius, Hist. narrat. de fratrum orthodoxorum ecclesiis S. 7.
  100. Lehrbuch der Kirchengesch. II, 3 (2. Aufl.), S. 307 f.
  101. Geschichte der Ketzer II, S. 523 f.
  102. Ueber das Verhältniss der Taboriten u. s. w. S. 29.
  103. Geschichte Baierns II, 227.
  104. Ueber die verschiedenen Fassungen dieser Quelle vergl. oben S. 298, Anm. 2.
  105. Es ist zu beachten, dass bei Pez, dessen Version in mancher Beziehung den Vorzug vor den übrigen Fassungen verdient, dieser Titel nicht vorkommt. Sollte er erst in der gemeinsamen Quelle der anderen Fassungen eingesetzt worden sein? Dass man Einrichtungen der Katharer auf andere Secten übertrug, kommt auch anderwärts vor; so mussten sich z. B. die 1387 processirten piemontesischen Waldenser (vergl. S. 324, Anm. 3) durchgehends zum Empfang des Consolamentum bekennen.
  106. Ueber die Anwendung der Folter und anderer gewaltthätiger Mittel zur Erpressung von Geständnissen in den Inquisitionsprocessen vergl. Lea I, 417 ff. und die charakteristische Aeusserung des 1319 processirten Bernard Delicieux: quod beati Petrus et Paulus ab heresi defendere se non possent, si viverent, dum tamen inquireretur cum eis per modum ab inquisitoribus observatum (Limborch, Liber sententiar. inquisitionis Tolosanae S. 269). David von Augsburg (S. 223 und 225) empfiehlt Bedrohung mit dem Tode, Zusicherung der Amnestie nach abgelegtem Geständniss, durch Nahrungsentziehung verschärfte Einzelhaft und Anwendung der Folter, um die angeklagten Ketzer zum Geständniss zu bringen. Der um 1346 ernannte böhmische Inquisitor Swatibor erhält die Ermächtigung, seinen Untersuchungsgefangenen Ketten und Handeisen anzulegen, sie zeitweilig oder lebenslänglich einzukerkern und zu foltern (Arch. f. österr. Gesch. 61, 339).
  107. Vergl. Hartzheim, Concilia Germaniae III, 543 ff. Ketzer- und Dämonengeschichten von geradezu unbegreiflicher Naivetät erzählt u. a. Cäsarius von Heisterbach, Hist. memorab. V, 18, und Alberic von Trois-Fontaines ad a. 1160 (a. a. O. S. 845). Statt den im 12. und 13. Jahrhundert herrschenden, sich in solcherlei Ammenmärchen aussprechenden Aberglauben für die Erdichtung der unsinnigen, gegen die Ketzer jener Zeit erhobenen Anklagen verantwortlich zu machen, bemerkt Kaltner (Konrad von Marburg S. 61), jenes nahezu allmächtige Schalten Satans habe sich erst aus dem Systeme der Katharer und Luciferianer entwickelt.
  108. Vergl. meine Mittheilungen in der Zeitschrift für Kirchengesch. IX (1888), S. 114 ff. – Gindely, Gesch. der böhmischen Brüder I, 56 f., 97 f.
  109. Die Acten sind mitgetheilt von Ehrle im Archiv für Kirchen- und Literaturgeschichte des Mittelalters IV (1888), Heft 1–2, S. 110 ff.
  110. Archivio storico italiano Ser. III, T. I, pars 2, S. 18, 40 etc., 21, 39 f., 22; Rivista cristiana IX (1881), S. 363 ff.; Allix, Some remarks upon the ancient churches of Piedmont. New edition (1821), S. 340 f. – Im Jahre 1332 werden die piemontesischen Waldenser der Leugnung der kirchlichen Lehre von der Eucharistie und der Incarnation Christi beschuldigt (Raynaldus, Annales ecclesiastici ad a. 1332, Nr. 31). Die Grundlosigkeit der auch gegen die Katharer erhobenen Beschuldigung der Veranstaltung nächtlicher Orgien wird von einem Inquisitor des 13. Jahrhunderts mit Entschiedenheit betont (vergl. Molinier, Études sur quelques manuscrits concernant l’inquisition du XIIe au XVIIe siècle. Extrait des archives des missions scientifiques et littéraires T. XIV, 1887).
  111. David von Ausgsburg in Preger’s Ausgabe S. 211, 207 f.; Flac. Illyr., Catal. test ver. (1666), S. 953, Nr. 24; Wattenbach in den Berliner Sitzungsberichten 1887, S. 517 ff. – Dass die eichstädtischen Ketzer Waldenser sind, ergibt sich schon daraus, dass sie sich die „vor Gott Erkannten“ (Kunden) nennen. Ueber die brandenburgischen Waldenser vergl. meine Bemerkungen im Histor. Taschenbuch 6. Folge, VII (1888), S. 237.
  112. Vergl. Duverger, La Vauderie dans les états de Philippe le Bon (1875) und Bourquelot „Les Vaudois du XVe siècle“ in Bibliothèque de l’école des chartes, 2. série, T. III (1846), S. 81 ff.; C. Schmidt, Zeitschr. f. hist Theol. Bd. XXII, S. 250. Vergl. den Nachtrag am Ende dieses Anhangs.
  113. Hier wie im Folgenden kommt als Quelle in erster Linie die ausführlichere Fassung des Kremser Berichtes, wie sie die von Pez benutzte Handschrift enthält, in Betracht.
  114. Radicale Verwerfung der Taufe wird u. a. auch den eichstädtischen Waldensern des 14. Jahrh. (Wattenbach S. 519), Bekämpfung der Transsubstantiation im Altarsacramente sowohl diesen wie den Mainzer Waldensern von 1393 („Der waldensische Ursprung des Codex Teplensis“ S. 36) vorgeworfen. „Steinhäuser“ nennen auch die Leonisten des Passauer Anonymus (Bibl. max. XXV, S. 266 A) die katholischen Kirchen. Aehnlich wie die Kremser Ketzer sprechen sich die Waldenser David’s von Augsburg (S. 207) über die Ehe aus: matrimonium dicunt esse fornicationem iuratam, nisi continenter vivant; qualescunque alias luxurie immundicias magis dicunt esse licitas quam copulam coniugalem.
  115. Vergl. Wattenbach in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1886, S. 43 ff. und in den Berliner Sitzungsberichten 1887, S. 519; Müller, Die Waldenser S. 105 f. [81 f.]. – Der Bischof der Kremser Ketzer heisst einmal auch „magister“, was vielleicht ein Irrthum ist; bei Pez col. 536 begegnet der Ausdruck: confessores.
  116. Nach den Annalen von Mattsee und der Vorauer Hs. befiehlt der Bischof der österreichischen Ketzer den Beichtenden: „Chuss auf di erden; darauf solt du geraynet werden.“ In der Hs. von St. Florian hiess es angeblich: „Kuss auf de Huer“ (??); die Klosterneuburger Hs. hat die Version: „chusse an die hindern.“ Die 1494 in Valence im Dauphiné processirte Waldenserin Peyronetta bekannte: ipsa confessa est peccata sua alteri [ex magistris Waldensium] genibus flexis ac si fuisset coram suo proprio sacerdote, et inde facta confessione ipsam absolvebat, manum ad caput imponendo more sacerdotum. Bei der Weihe der waldensischen Predigercandidaten in Deutschland „leite sich der nider, den su do zu eime meistere woltent machen, uff die erden uf einen mantel“; im Verlaufe der Ceremonie kniet er nieder und erhält die Weihe durch Handauflegung (Röhrich, Mittheill. aus der Geschichte der evangel. Kirche des Elsasses I, S. 42. – Friess S. 258).
  117. Friess S. 256: item cum alter ad alterum voluit venire, ne christianis praesentibus inopinate intraret, appropinquans ianuae dicit: „ist icht chrumpes holtzs drinne?“ womit zu vergleichen die Angabe des Passauer Anonymus über die Waldenser in Bibl. max. XXV, 264 B: quando simul conveniunt, tunc primum dicunt: „Cavete, ne inter nos sit lignum curvum, id est, aliquis extraneus“.
  118. Pez col. 536: raro est apud eos homo cuiuscunque sexus, qui textum novi testamenti non sciat cordetenus in vulgari. Vergl. die Angaben des Passauer Anonymus über die Waldenser a. a. O. S. 264 A: novum et vetus testamentum vulgariter transtulerunt et sic docent et discunt; audivi et vidi quendam rusticum idiotam, qui Job recitavit de verbo ad verbum et plures qui totum novum testamentum perfecte sciverunt.
  119. Vergl. Pez col. 535: quidam, Andreas nomine, tunc temporis crematus dixit: ab infantia parentes nostri in haeresi nos nutrierunt.
  120. Friess S. 262.
  121. In den später mitzutheilenden Inquisitionsprotokollen wird eine 1391 processirte 60jährige Waldenserin aus Dammbach bei Steyer als „nata in secta“ bezeichnet.
  122. So die Hs.; l. eet (= esset).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage (in der Anmerkung): benuzt
  2. Vorlage: Beicht