Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland seit der Mitte des 14. Jahrhunderts

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Herman Haupt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland seit der Mitte des 14. Jahrhunderts
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 3 (1890), S. 337–411.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J. C. B. Mohr
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Freiburg i. Br
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

Siehe auch: Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts


[337]
Waldenserthum und Inquisition
im südöstlichen Deutschland seit der Mitte des 14. Jahrhunderts.
Von
Herman Haupt.


In unserer früheren Darstellung der Geschichte der häretischen Bewegungen in Böhmen bis zum Ende der Regierung König Johann’s[1] sahen wir Karl IV. bereits als Thronfolger der Ketzerverfolgung hilfreich zur Seite stehen; als König und Kaiser hat sich Karl als einen nicht minder eifrigen Förderer der Inquisition erwiesen. In dem um 1350 von ihm entworfenen, aber bekanntlich nicht in Kraft getretenen neuen Böhmischen Gesetzbuche, der Majestas Carolina, nehmen die Strafbestimmungen gegen die Ketzerei, die angeblich durch Ausländer in Böhmen eingebürgert worden, und gegen welche der Kaiser eine Fluth von leidenschaftlichen Vorwürfen schleudert, die erste Stelle ein. Die königlichen Beamten sollen nicht allein den Inquisitoren jede mögliche Unterstützung leihen, sondern auch selbständig gegen die Häretiker vorgehen und die Verdächtigen dem Inquisitionsgerichte zur Aburtheilung überliefern; als Strafe für die unbussfertigen Ketzer wird der Feuertod festgesetzt[2]. In gleich entschiedener Weise wird in einem für den neuernannten Inquisitor Swatibor ausgestellten königlichen Erlasse dessen Unterstützung seitens aller Unterthanen, in erster Linie seitens der Geistlichkeit und der königlichen Beamten gefordert. Zur Bestreitung der dem Inquisitionsgerichte erwachsenden Kosten wird ein Drittel des Besitzes [338] der verurtheilten Häretiker bestimmt; bei dieser Gelegenheit etwa erfolgende Hinterziehungen sollen für die Schuldigen den Verlust des gesammten Vermögens zur Folge haben[3]. Ein königliches Edict vom 18. September 1376 spricht dann wiederholt den Bann gegen jede Ketzerei im Böhmischen Königreiche aus, bedroht deren Anhänger mit dem Scheiterhaufen und ordnet ihre energische Verfolgung seitens der königlichen Beamten an[4].

Ein näheres Eingehen auf die Reichsgesetzgebung Kaiser Karl’s IV. in Bezug auf die Verfolgung der Häretiker müssen wir uns hier versagen[5]. So spärlich auch die Spuren sind, welche die Wirksamkeit der von Karl IV. mit den weitgehendsten Privilegien für das ganze Deutsche Reich ausgerüsteten Inquisitoren hinterlassen hat, so wird man doch die Bedeutung jener Ketzererlasse für die Niederhaltung der mächtig angewachsenen kirchlichen Oppositionsparteien des 14. Jahrhunderts nicht hoch genug anschlagen können. Die sämmtlichen Gesetze haben sich ja bekanntlich in erster Linie gegen die – unfraglich grösstentheils orthodoxen – Begharden und Beginen gerichtet, die nun auf lange hinaus, in schreiendem Widerspruch mit den thatsächlichen Verhältnissen, als die hauptsächlichste ketzerische Secte Deutschlands gelten[6]; wir erfahren aber mit Bestimmtheit, dass die päpstlichen Inquisitoren jener Zeit auch Angehörigen wirklicher häretischer Secten, namentlich Geisslern und Waldensern den Process gemacht haben[7]. Für Böhmen ist jene missbräuchliche Anwendung [339] der Bezeichnung „Beghard“ als Ketzername in der Folge insoferne von Wichtigkeit geworden, als hier mit besonderer Vorliebe unter dem Namen der „Beghardia“ oder „Picardia“ fortan die verschiedenartigsten ketzerischen Systeme – darunter auch das Waldenserthum – zusammengefasst worden sind[8].

Auch im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts hat die Bekämpfung der Häresie die Kirche in Böhmen und Mähren fortdauernd beschäftigt. Die Prager Synodalstatuten haben allerdings über die vom Erzbischof Arnest getroffenen und fortan in Geltung bleibenden Bestimmungen hinaus keine diesbezüglichen Zusätze erhalten, es sei denn dass die Klage der Statuten von 1371 über die Entheiligung der Feiertage in diesen Zusammenhang gebracht werden müsste[9]. Dagegen haben die sogenannten Vorläufer der Husitischen Bewegung wiederholte Veranlassung zur Untersuchung der ihnen mit Recht oder Unrecht beigemessenen Ketzereien gegeben. Ein äusserer Zusammenhang zwischen dem Auftreten Konrad’s von Waldhausen, Milicz’ von Kremsier und Mathias’ von Janow und der vor ihnen zu Tage getretenen sectirerischen Opposition, namentlich dem Waldenserthum, hat sicherlich nicht bestanden[10]. Eine andere, nicht ohne Weiteres zu verneinende Frage ist es aber, ob die von den sämmtlichen drei Predigern eröffnete Polemik gegen das Mönchthum, Milicz’ Anfeindung des Universitätsstudiums und des weltlichen Besitzes des Klerus, Mathias’ von Janow Bekämpfung der Auswüchse [340] des Heiligencultus und der Reliquien- und Bilderverehrung[11] nicht die übereinstimmenden Waldensischen Lehren, wenigstens zum Theil zur Voraussetzung hatten. Müssen wir nach unseren früheren Auseinandersetzungen das Waldenserthum um 1370 seit Generationen in weiten Kreisen Oesterreichs und Böhmens uns eingewurzelt denken, so ist es anderseits leicht verständlich, dass die steigende religiöse Erregung jener Zeit, welche Wallfahrer in unerhörter Anzahl zur Gewinnung von Ablässen und Verehrung der Reliquien nach der Böhmischen Hauptstadt führte[12], auch der gegen diese Seiten des kirchlichen Lebens gerichteten Waldensischen Opposition erhöhten Einfluss verliehen hat. Ausser allem Zweifel ist die tiefgehende Waldensische Beeinflussung des Böhmischen Geistlichen Jacobus, der gleichzeitig mit Mathias von Janow am 18. October 1389 eine Reihe von ketzerischen Lehrsätzen vor der Prager Synode zurücknahm[13]. Er hatte u. a. die Wirksamkeit der Fürbitten der Heiligen und der Gottesmutter, den Nutzen der guten Werke für die Todten und des Sichbekreuzens geleugnet, jede Verehrung der Reliquien und Bilder, die zu Ehren der Heiligen eingesetzten Fasttage, die für die Verehrung der Muttergottesbilder gewährten Ablässe und die Breviergebete verworfen, die Autorität der Kirchenväter bestritten. In Uebereinstimmung mit Mathias von Janow trat er für den möglichst häufigen Abendmahlsempfang der Laien ein. In gleicher Weise an die leidenschaftliche Opposition der Oesterreichischen Waldenser von 1315 wie an den späteren Bildersturm der Taboriten klingt der Satz des Jacobus an, die Reliquien dürfe man mit Füssen treten und verbrennen; auch das Muttergottesbild hatte [341] er verhöhnt und sich bereit erklärt, mit Heiligenbildern seine Erbsen zu kochen.

Ein dritter Böhmischer Geistlicher, Andreas, hatte vor der Synode von 1389 gleichfalls seinen Widerspruch gegen die Verehrung der Bilder zu widerrufen[14]. Als mit den Oberösterreichischen Waldensern in Verbindung stehend wird uns um 1370 ein Johannes von Prag, wie es scheint, ein Meister der Secte, genannt.[15]

Als Inquisitoren der Diöcese Prag fungirten unter den Nachfolgern Arnest’s von Pardubič der spätere Domherr Jogelinus oder Johann von Prag (um 1370), Bischof Nicolaus von Nazareth (1392, 1395, 1413 ff.), der Cölestinerprovinzial Petrus Zwicker (1390 ff.), ein nicht näher bezeichneter Dominicaner (um 1384), endlich der Minorit und Bischof von Sarepta Jaroslaw (1403 ff.)[16]. Für die Olmützer Diöcese war um 1370/71 der durch seine Verketzerung des Sachsenspiegels bekannt gewordene Augustiner Johann Klenkok als Inquisitor bestellt; am 4. Juli 1370 übertrug er seine Vollmachten auf kurze Zeit zwei Mitgliedern des Olmützer Domcapitels[17].

Wenn wir um dieselbe Zeit den Inquisitor Heinrich von Olmütz mit der Untersuchung gegen Waldenser im Oesterreichischen [342] Theil der Diöcese Passau betraut finden[18], so liegt es sehr nahe, die Berufung des Mährischen Inquisitors daraus zu erklären, dass derselbe vorher bereits Processe gegen Mährische Waldenser geführt hatte. Die unter dem Bischof Johann von Neumarkt (1364–1380) beginnenden und bis ins 15. Jahrhundert hinein fortdauernden Streitigkeiten zwischen den Bischöfen und dem Domcapitel von Olmütz einerseits und den Markgrafen von Mähren andererseits[19] – gegen die Letzteren und die Stadt Olmütz wurde im Laufe derselben der Bann ausgesprochen – machten eine geordnete kirchliche Verwaltung Mährens während dieser Zeit nahezu unmöglich und mussten das Anwachsen der Ketzerei ganz besonders begünstigen.

Auch mit seinem Diöcesaninquisitor, dem Dominicaner Albert von Olmütz, gerieth Bischof Johann von Neumarkt in heftige Conflicte, die zu gegenseitigen Anklagen bei der päpstlichen Curie führten. Der Inquisitor, der Partei für den Markgrafen genommen zu haben scheint, wird der Ueberschreitung seiner Amtsgewalt, der Bestechlichkeit und arger Gewaltthätigkeiten gegen den Klerus beschuldigt; auf seine intimen Beziehungen zu den Nonnen des Stiftes Pustimer spielt ein ironisches Schreiben des Bischofs Johann an[20]. Noch höher stieg die Verwirrung der kirchlichen Verhältnisse in der Mährischen Diöcese, als nach dem Ausbruch des kirchlichen Schismas (1378) dem von Kaiser und Reich anerkannten Papste Urban VI. gegenüber sowohl in Böhmen wie in Mähren Parteigänger der Obedienz des Gegenpapstes Clemens VII. auftraten und von dem Markgrafen Prokop und dem – nachmals im Kirchenbann gestorbenen – Bischof Peter von Olmütz (1380–1387) in Schutz genommen wurden. An Bischof Peter ist denn auch eine überaus heftige Philippica des Prager Erzbischofs Johann [343] von Jenzenstein vom Jahre 1381 gerichtet, welche für die bedeutende Zunahme der Ketzerei in der Olmützer Diöcese Zeugniss ablegt: das von den Waldensischen Häresiarchen in Mähren gesäete Unkraut, so heisst es hier, sei derart aufgeschossen, dass der Versuch, diese Ketzer auszurotten, nur mit grosser Besorgniss unternommen werden könne[21]. Bei Gelegenheit der 1381 stattgefundenen Provinzialsynode hat alsdann Erzbischof Johann von Prag in seiner Eigenschaft als apostolischer Legat auch die Bischöfe von Bamberg, Meissen und Regensburg in sehr bestimmter Weise zur Verfolgung der in diesen Diöcesen verbreiteten Waldenser aufgerufen und den Bischöfen für den Fall, dass sie dabei auf Widerstand stossen sollten, die ausgiebige Unterstützung seitens des Königs Wenzel in Aussicht gestellt[22].

Aber auch in Böhmen selbst ist der Erzbischof dem Waldenserthum zu Leibe gegangen. Es sind uns noch die Verhör- und Abschwörungsformeln der in den beiden letzten Decennien des 14. Jahrhunderts gegen die Böhmischen Waldenser geführten Untersuchungen – aber leider nur diese – erhalten[23]. König Wenzel’s [344] Antheilnahme an der Bekämpfung der Ketzerei ist uns durch einen Erlass vom 15. Februar 1384 bezeugt, welcher die Unterstützung eines als Inquisitor fungirenden ungenannten Dominicanerpriors seitens aller Unterthanen des Königs, besonders aber der Böhmischen Behörden anordnet; die letzteren sind gehalten, für den Unterhalt des Inquisitors zu sorgen und ihm geeignete Gefängnisse zur Verfügung zu stellen[24]. Durch eine weitere Verordnung, die durch Ausrufer allenthalben bekannt gemacht wurde, forderte Wenzel um 1388 zur allgemeinen Ausrottung der „Begharden und Hypocriten“ auf, wobei der Name „Beghardia“ bereits in der später allgemein angewandten Bedeutung von „Ketzerei“ gebraucht wird. Aus einem Erlasse des schon damals mit dem König verfeindeten Prager Erzbischofs Johann von Jenzenstein vom 10. Juni 1388 erfahren wir, dass die königliche Verordnung ohne dessen Wissen und Willen ergangen war und dass unter der Anklage der „Beghardia“ auch viele Rechtgläubige verfolgt wurden; der Erzbischof machte daher bekannt, dass über die Schuldfrage nur er und seine Stellvertreter zu entscheiden hätten und bedrohte falsche Anklagen mit der Excommunication, sowie mit Geld- und Gefängnissstrafen[25]. Was die Erfolge der [345] Böhmischen Waldenserinquisition anlangt, so müssen wir uns mit der allgemeinen Angabe des 1395 verfassten Tractates des Wiener Universitätsprofessors Petrus von Pilichdorf bescheiden, dass der Inquisitor Petrus kurz vor 1395 innerhalb zweier Jahre in Thüringen, der Mark Brandenburg, Böhmen und Mähren über tausend Waldenser wieder mit der Kirche versöhnt habe; die Zahl der dem weltlichen Arm zur Bestrafung Uebergebenen erfahren wir nicht[26]. Von anderer Seite erhalten wir aber für die Würdigung der Bedeutung des Böhmischen Waldenserthums am Ende des 14. Jahrhunderts ein werthvolles indirectes Zeugniss: wie der um 1360/70 in Oesterreich gegen die dortigen Waldenser thätige Inquisitor aus Mähren gekommen ist, so sind die beiden Geistlichen, welche von etwa 1380 bis in das erste Decennium des 15. Jahrhunderts hinein an der Spitze der Waldenser-Inquisition in Oesterreich, Steiermark, Ungarn, Baiern, Franken, Thüringen, der Mark Brandenburg und Pommern gestanden haben, dahin aus Böhmen berufen worden. Es sind dies der Provinzial der Deutschen Cölestinerprovinz und Prior des (damals Böhmischen und der Prager Diöcese angehörenden) Klosters Oybin bei Zittau, Magister Petrus Zwicker aus Wormditten in Preussen[27], und Martinus, Altarpriester der Marienkirche vor [346] dem Teyn in der Prager Altstadt[28]. Da die als Schauplatz der Thätigkeit beider Inquisitoren erwähnten Landschaften weit über die Machtsphäre des Prager Metropoliten und des Böhmischen Königs hinausreichen, von einem Eingreifen des Papstes oder des Reiches aber nirgends die Rede ist, so liegt die Vermuthung am nächsten, dass die von den genannten Inquisitoren bei der Verfolgung von Böhmischen Waldensern gemachten Erfahrungen die Veranlassung ihrer Berufung nach den verschiedensten Kirchenprovinzen gewesen sind, und dass damals innerhalb der Waldensischen Secte deren Böhmischer Anhang irgendwie bedeutsam hervorgetreten ist.

Für die Bestimmung des allgemeinen Gangs der c. 1380 ff. in den verschiedenen Landschaften des südöstlichen Deutschlands eingeleiteten Waldenserprocesse kommen vor allem zwei aus dem Inquisitionsarchiv uns erhaltene Actenstücke in Betracht. Das erste, ein Verzeichniss von zwölf Persönlichkeiten aus allen Theilen Deutschlands, aus Polen und Ungarn, führt sich mit den Worten ein: „anno domini 1392 [al. 1391] die quarta mensis Septembris [347] infrascripti reperti sunt rectores protunc Waldensium haereticorum“[29]. Wohl mit Unrecht hat man bisher die Aufzeichnung auf die an demselben Tage erfolgte angebliche Festnahme von zwölf Waldensischen Meistern bezogen[30]; der Wortlaut spricht vielmehr dafür, dass wir es mit einem Verzeichniss der obersten Leiter, sei es einer einzelnen Gruppe, sei es, was wahrscheinlicher ist, der ganzen Deutschen Genossenschaft zu thun haben, deren Namen irgend ein in Untersuchung befindlicher Waldenser am genannten Tage dem Inquisitor dictirt hatte. Das zweite Actenstück bezeichnet sich dagegen als eine Liste von zwanzig abermals den verschiedensten Landschaften angehörenden Waldensischen Predigern, die, wie es scheint, noch vor dem Jahre 1391 in Untersuchung gezogen wurden und mit einer einzigen Ausnahme mit der Kirche sich wieder versöhnten[31]. Höchst wahrscheinlich haben wir das Verzeichniss als einen zusammenfassenden Ueberblick über die von den Inquisitoren Petrus und Martinus, vielleicht in langen Jahren und auf verschiedenen Schauplätzen, errungenen inquisitorischen Erfolge zu betrachten. Auf die in [348] beiden Listen genannten Persönlichkeiten werden wir im Folgenden mehrfach zurückzukommen haben.

Am frühesten, etwa 1380 finden wir den Inquisitor Martinus von Prag auf Baierischem Boden gegen die dortigen Waldenser in Thätigkeit. Die früher erwähnten Verfolgungen der Secte im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts hatten demnach dieselbe nicht auszurotten vermocht. In den Regensburger Synodalstatuten von 1377 finden sich Strafbestimmungen sowohl gegen die Begharden und die damals im Baierischen sich ausbreitende pantheistische Secte des freien Geistes, als auch gegen Ketzereien überhaupt; die besondere Warnung vor der als „Consolatio“ bezeichneten Handauflegung der Häretiker scheint auf die Waldenser hinzuweisen[32]. Am 17. Juli 1378 ist alsdann der Domdechant Heinrich als Inquisitor für die Diöcese Regensburg mit sehr weitgehenden Vollmachten aufgestellt worden[33]. Unter anderem verurtheilte dieser eine gewisse Weissenburgerin und eine Gred Altheimerin mit ihren Töchtern zum Scheiterhaufen; einer Nittenauerin – ich erinnere an die Nittenauer Waldenser von c. 1265 – wurde 1384 das gleiche Urtheil gesprochen[34]. Um diese Zeit wurde der Domdechant Heinrich in seinem Amt als Inquisitor durch Martinus von Prag abgelöst, wie wir dies aus den folgenden Angaben des in den Strassburger Waldenserprocess von 1400 verwickelten Webers Borschön von Dillingen[35] entnehmen: „Es ist [349] wol 20 jor“, so heisst es in dem Untersuchungsprotokoll, „do ward er zu Regenspurg gebüsset und geapsolviert von eim herren, hies her Martin von Prage, und verswür den unglouben nit me zu haltende. Aber unlang do liess er im etlich wip roten und trat in den unglouben und hielt den vor alse nach; doch meinet er, er were nit wider in den unglouben getretten, do hette er kleine kint, die hette er gern begangen, do gap man ime nit zu erbeitende, darumbe trat er wider darin, umbe das ime die zu erbeitende gebent, die mit ime den unglouben hieltent. Er hot ouch geseit, zu der zit, do er wider in den unglouben getreten was, do were er zu Regenspurg und do wurdent siner gesellen etwie vil gefangen und umbe iren unglouben verbrant, do mahte er sich darvon, wande er vorhte, wurde er ergriffen, er were villihte ouch verbrant worden, und kam her in die stat [Strassburg] und hielt den unglouben ouch hie.“ Obwohl Borschön auch in Strassburg seine Ketzerei abschwor, blieb er dennoch bei der Waldensischen Secte und wurde so im Jahre 1400 wiederholt in Untersuchung gezogen. Aus der mitgetheilten Stelle ergibt sich, dass zwischen 1380 und 1400 mindestens zwei Waldenserverfolgungen in der Stadt Regensburg stattgefunden haben; dieselben haben sich auch gegen Schwaben hin ausgedehnt und die Flucht einer Reihe von Waldensischen Familien aus Nördlingen, Augsburg, Dischingen und Donauwörth nach Strassburg veranlasst[36]. Auch einem der in der Liste von 1392 namhaft gemachten Waldensischen Meister, dem Wollspinner Johannes aus Dichartz in Niederösterreich war gelegentlich einer jener Verfolgungen in Regensburg das Busskreuz angeheftet worden. Dieselbe Liste macht uns mit zwei Waldensischen Meistern aus Baiern, Johann von Sand (Bez.-A. Regensburg?) und Hermann von Mistelgau (südwestl. von Bayreuth?) – beide werden als Schmiede bezeichnet – bekannt. Im Hochstift Passau leitete Bischof Georg von Hohenlohe 1410 eine Untersuchung gegen angebliche „Wiklefiten“ in Griesbach und Waldkirchen (östlich und nordöstlich von Passau) nahe der Oesterreichischen und Böhmischen [350] Grenze ein; auch hier hat es sich sicherlich um Anhänger der Waldensischen Secte gehandelt[37].

Den Spuren Waldensischer Propaganda in Franken, die sich bis in das erste Drittel des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen, sind wir früher in anderem Zusammenhange nachgegangen. Es genüge hier darauf hinzuweisen, dass gleichzeitig mit dem ersten Auftreten der Inquisitoren Martinus und Petrus die Verfolgung gegen die Waldenser im Bisthum Eichstädt und wahrscheinlich auch im Bisthum Bamberg eröffnet wird, dass Martinus von Prag 1391 über Waldenser in Würzburg, 1399 über Nürnbergische Ketzer, die wir sicherlich ebenfalls als Waldenser zu betrachten haben, zu Gericht sitzt[38]. Dass in Nürnberg, wo einige Jahrzehnte später die Fäden der zwischen den Deutschen Waldensern und den Taboriten angeknüpften Verbindungen mehrfach zusammenlaufen, die religiöse Opposition seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts tief eingewurzelt war, lassen verschiedene bisher ungenutzt gebliebene Stellen von Müllner’s handschriftlichen Nürnberger Annalen erkennen. Nach der grossen Ketzerverfolgung von 1332–1333, welche mit der Ausweisung von neunzig, zum Theil den Patricierfamilien angehörenden Personen endigte, wurde im Jahre 1354 abermals vierundzwanzig Personen wegen Ketzerei die Stadt auf fünf Jahre verboten[39]. Im Jahre 1378 mussten neununddreissig Ketzer, unter ihnen vierundzwanzig Frauen, öffentliche Busse thun, während Andere flüchtig gingen; auch eine Verbrennung aus diesem Jahre ist bezeugt[40]. Schon im folgenden [351] Jahre brach eine neue Verfolgung los; sieben Ketzer wurden 1379 verbrannt, elf mit dem Busskreuz bezeichnet und zum Theil ausgewiesen, neunzehn Personen hatten der Untersuchung sich durch die Flucht entzogen[41]. Nach dem von Martinus von Prag abgehaltenen Strafgericht[42] – sieben Ketzer wurden von ihm zum Scheiterhaufen, viele Andere zu öffentlicher Kirchenbusse verurtheilt – liess der Nürnberger Rath im Jahre 1400 den Bürger E. Rauch zur Untersuchung seines „Unglaubens“ dem Bischof von Bamberg zuführen[43]. Gleichwohl finden wir im Jahre 1418 wieder eine Gruppe von Waldensern in der Fränkischen Reichsstadt, unter ihnen den Waldensischen Meister Johann von Plauen, dessen Haus damals der Mittelpunkt für die Convente der Waldensischen Wanderprediger und für die ersten Versuche zur Annäherung des Waldenserthums an den Husitismus gewesen ist. Im folgenden Jahrzehnt, aus welchem manche Anzeichen für das Eindringen Husitischer Lehren in Franken vorliegen, begegnen uns zwei Schüler des von Zeitgenossen als Waldenser bezeichneten Magisters Peter von Dresden, welche in Franken für die Verbreitung Waldensisch-Taboritischer Glaubenssätze thätig sind: in der Reichsstadt Weinsberg sucht der Sächsische Edelmann Johannes Drändorf 1424 die Fahne der Empörung gegen die Hierarchie aufzupflanzen, im Fränkischen Markgrafenlande unterhält der frühere Taboritische Priester Bartholomäus Rautenstock c. 1420 bis 1450 von der Böhmischen Grenze bis nach Würzburg hin geheime Verbindungen. Die weite Verzweigung des Fränkischen Waldenserthums [352] in der Folgezeit – noch 1460 lagen in Eichstädt „Husiten“ im Kerker – und die hier vollständig durchgedrungene Verquickung des Waldensischen und Taboritischen Bekenntnisses habe ich an anderem Orte nachgewiesen[44].

Dem Zug der Böhmischen Grenze nach Norden folgend, finden wir auch im Voigtland, der Markgrafschaft Meissen und in den benachbarten Thüringischen und Obersächsischen Gebieten die Waldensische Secte heimisch. In Erfurt hatte schon Conrad von Marburg 1232 Ketzer verbrannt[45]; nach langem Zwischenraume hören wir dann wieder im Jahre 1318 von der Bestellung von Inquisitoren für die Diöcese Meissen, deren bereits [353] oben Erwähnung geschah[46]. Mit dem Jahre 1336 – wir erinnern an die gleichzeitigen Verfolgungen von „Luciferianem" bezw. Waldensern in Brandenburg, Franken, Oesterreich, Böhmen – beginnt in Magdeburg und Erfurt eine lange Reihe von Processen gegen „Begharden“, die sich wohl nur zum Theil gegen wirkliche Angehörige der Secte vom freien Geiste gekehrt haben. Namentlich der dem Privileg Kaiser Karl’s IV. zufolge ausdrücklich gegen die Begharden aufgestellte Inquisitor Walther Kerlinger findet hier und in den anstossenden Thüringischen, Hessischen und Niedersächsischen Gebieten ein ausserordentlich fruchtbares Feld für seine Thätigkeit; der Kaiser rühmt 1369 von Kerlinger, dass er die Secte der Begharden und Beginen in den Kirchenprovinzen Magdeburg und Bremen, in Thüringen, Sachsen und Hessen vernichtet habe[47]. Für Thüringen und Meissen ernannte Papst Gregor XI. am 22. Juli 1375 den Dominicaner Hermann von Hettstedt zum Inquisitor und empfahl ihn den Markgrafen Friedrich, Balthasar und Wilhelm von Meissen und den Grafen Heinrich und Günther von Schwarzburg[48]. In die Zeit der grossen Beghardenverfolgung führen uns auch die ersten, allerdings recht dürftigen, erhaltenen Nachrichten über Sächsisch-Meissnische Waldenser. Im Jahre 1366 wurden drei Frauen aus Wittenberg wegen Ketzerei in Untersuchung gezogen; die eine von ihnen stammte aus der Mark, die andere aus der Gegend von Wittenberg, [354] die dritte, die Frau eines Wittenberger Bäckers, hatte auch in Dresden sich als Ketzerin bemerkbar gemacht. Soweit uns der Inhalt der Irrlehren jener Wittenbergerinnen überliefert ist, decken sie sich so vollständig mit den Lehren der Waldenser, dass die Zugehörigkeit der drei Ketzerinnen zur Waldensischen Secte nicht bezweifelt werden kann[49]. Während die Magdeburger Provinzialsynode von 1370 die in erster Linie von den Waldensern vertretene Lehre, dass die Wirkung der priesterlichen Handlungen durch sittliche Makellosigkeit bedingt sei, nachdrücklich verdammte und die strenge Befolgung der kaiserlichen Ketzergesetze einschärfte, ist an den Meissner Bischof, wie bereits früher erwähnt, 1381 auch von Böhmen aus die Aufforderung zur Ausrottung der Waldensischen Ketzerei ergangen[50]. Die Waldenserverfolgung der Böhmischen Inquisitoren hat sich dann auf Thüringen und, wie wir annehmen dürfen, auch auf Sachsen-Wittenberg ausgedehnt. Zwei zum Katholicismus zurückgetretene Waldensische Prediger, Conrad von Erfurt und Hans aus Steiermark, hatten zuerst versucht, auf gütlichem Wege die Erfurter Waldensergemeinde mit der Kirche auszusöhnen; nachdem dieser Versuch völlig fehlgeschlagen, hielten der Cölestiner Petrus und Martinus von Amberg 1391 über die Widerspenstigen Gericht. Im folgenden Jahre scheint dann Martinus von Prag abermals gegen [355] die Erfurter Ketzer eingeschritten zu sein und eine Anzahl derselben zum Scheiterhaufen verurtheilt zu haben[51]. Als Waldensische Meister begegnen uns in dieser Zeit verschiedene Voigtländer: so Nicolaus von Plauen, der Sohn eines Müllers, ferner ein Krämer Nicolaus von Plauen und der Scholare Claus von Plauen, eines Leinewebers Sohn; um 1420 hat der Nürnberger Hans von Plauen eine hervorragende Stelle in der Leitung der Waldensischen Secte eingenommen. Auch in und um Wittenberg finden wir wieder um 1390 Anhänger des Waldenserthums: der ebengenannte Scholare Claus von Plauen, der nach seiner Bekehrung wieder rückfällig geworden war, hat zwei Jahre lang im Haus der Waldenserin Margaretha in Wittenberg gewohnt und an den Conventikeln der dortigen Waldenser Theil genommen; unter den Leitern der Secte wird in der Liste von 1392 Konrad von Sachsen, aus Dabrun unweit (südöstlich) von Wittenberg genannt, der um diese Zeit sowohl die Märkischen, wie die Strassburgischen Waldenser pastorirt[52]. In Meissen schärfte der Bischof Rudolf von Planitz (1411–1427) seinem Klerus die Strafbestimmungen gegen die Häretiker in seinen 1411 erlassenen Diöcesanstatuten ein[53]. Aus derselben Zeit wird uns auch über das Wiederauftauchen Waldensischer [356] Lehren in Dresden berichtet. Die Nachricht knüpft sich an den Namen des vielbesprochenen Magisters Peter von Dresden[54], dem, mit Recht oder Unrecht, die Initiative zu der Einführung des Laienkelchs in Böhmen zugeschrieben wird. An der Prager Universität gebildet, hat Petrus um 1412 die Kreuzschule zu Dresden geleitet; an seiner Seite haben damals, wie es scheint, die Magister Friedrich und Nicolaus von Dresden gestanden. In den nächstfolgenden Jahren brachte die Verbreitung von Irrlehren Petrus und seine Genossen in Conflicte mit dem Meissner Bischof; um 1414 finden wir eine Gruppe von Dresdener Magistern, unter ihnen Petrus und Nicolaus, in Prag, die an der Herausbildung einer radicalen Partei aus dem Kreise der Prager Husiten in hervorragender Weise betheiligt sind, und welche von zwei jüngeren Zeitgenossen, Johann Papausek aus Sobeslaw[55] († 1455) und Aeneas Sylvius[56], als Waldenser bezeichnet werden. Was wir sonst aus den Böhmischen Quellen über die Dresdener Magister hören, scheint die letztere Angabe eher zu bestätigen, als zu widerlegen. Unter ihren Lehrsätzen begegnet die Leugnung des Fegfeuers und der Fürbitte der Heiligen[57], sie reizen durch öffentliche Aufzüge, bei denen Bilder [357] von kirchenfeindlicher Tendenz vorgeführt werden, das Volk gegen Papst und Klerus auf, als Folge ihrer Agitationen wird der Böhmische Kirchen- und Bildersturm und das Aufkommen der radicalen Bestrebungen des Taboritenthums betrachtet[58]. Dazu kommt noch das classische Zeugniss, welches der 1425 als Ketzer in Worms verbrannte Sächsische Edelmann Johannes von Drändorf bei seinem Verhöre über Petrus und Friedrich, seine früheren Lehrer an der Dresdener Kreuzschule, abgelegt hat. Ebenso wie es von den Dresdenern Magistern berichtet wird, hatte auch Drändorf sich von Dresden nach Prag gewandt, war mit den Deutschen Studenten und Magistern 1409 nach Leipzig übergesiedelt und dann wieder nach Böhmen zurückgekehrt; wir dürfen ihn wohl auch hier in der Umgebung der Dresdener Magister suchen[59]. Um 1417 empfing er ebenso wie ein zweiter Schüler Peter’s, Bartholomäus Rautenstock aus Franken, von dem Prager Weihbischof, Hermann Bischof von Nicopolis, der nachmals wegen des massenhaften Weihens von utraquistischen Geistlichen abgesetzt wurde, die Priesterweihe, und war drei Jahre lang als Prediger in Prag und in dem uns aus der Geschichte des Böhmischen Waldenserthums mehrfach bekannt gewordenen Neuhaus thätig; hier hatte er 1421 seinen Aufenthalt[60]. Ueber seine religiösen Grundsätze hat sich Drändorf vor seinen Richtern mit bewundernswerthem Freimuth geäussert, wie denn auch offenbar [358] jede seiner Angaben unbedingten Glauben verdient; er erklärt sich als Gegner des Eides, der Ablässe, der Unfehlbarkeit der Concilien, der Ceremonien der Messe, des blinden kirchlichen Gehorsams, der Grade und Titel an den Universitäten, der Ausübung weltlicher Gerichtsbarkeit durch Kleriker, des päpstlichen Primates, der Excommunication und der weltlichen Herrschaft der Geistlichkeit. Bei der fast vollständigen Uebereinstimmung des Waldensischen und Taboritischen Reformprogramms bezüglich der obengenannten Lehrpunkte würde es ein fruchtloses Bemühen sein, an ihrer Hand eine Beeinflussung Drändorf’s seitens der einen religiösen Partei mit Ausschluss der anderen im Einzelnen nachweisen zu wollen[61]. Sehr beachtenswerth ist es aber, dass Drändorf wiederholt erklärt, dass er seine Lehre den Magistern Petrus und Friedrich verdanke und dieselbe keineswegs mit der Husitischen identificirt; von dem Magister Friedrich, dem er besonders nahe gestanden zu haben scheint, bemerkt er ausdrücklich, dass er nie der Secte der Husiten beigetreten sei[62]. Möchte man nach dem Gesagten versucht sein, Papausek’s Angabe, die Dresdener Magister seien Waldenser gewesen, Recht zu geben, so steht doch einer definitiven Entscheidung in diesem Sinne [359] ein Bedenken in der weiteren Möglichkeit entgegen, dass Petrus und seine Genossen durch Wiclifitische und Lollardische Lehren, die ja bekanntlich in einer grossen Anzahl von Punkten mit den Waldensischen gleichfalls übereinstimmten, beeinflusst worden sind. Das Beispiel des sofort zu nennenden Schlesischen Ketzers Stephan vom Jahre 1398 zeigt uns, dass die Englische Reformbewegung schon sehr frühe nach Deutschland übergegriffen und nicht allein in Böhmen Anhänger gefunden hat; es kommt hinzu, dass Papausek mit den Dresdener Magistern und Ketzern zusammen solche aus England nennt, und dass als Genosse des Petrus bei seinem zweiten Aufenthalt in Prag ausdrücklich ein Engländer, der Magister Nicolaus Englisch, der angeblich mit Petrus zusammen aus Dresden verwiesen worden, angegeben wird[63]. Angesichts dieser complicirten Sachlage können wir nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass Petrus und seine Dresdener Genossen zunächst den Lehren des Waldenserthums sich angeschlossen hatten, alsdann mit Englischen Lollarden in Verbindung getreten und nach ihrer Uebersiedlung nach Prag von Einfluss auf die Bildung der Taboritischen Partei, deren Programm zugleich Wiclifitische und Waldensische Beeinflussung aufweist, geworden sind. Eine ganz ähnliche Stellung sehen wir zur selben Zeit den Engländer Peter Payne einnehmen, der, nachdem er in England als Lollarde verfolgt worden, um 1420 und dann wiederholt 1430 in Beziehung zu den Deutschen Waldensern tritt, in Böhmen sich dem Utraquismus anschliesst und nach verschiedenen Schwankungen sich dauernd mit den Taboriten verbindet[64].

[360] Auch nach dem Abzug der häretischen Magister und Scholaren aus Dresden sind daselbst Ketzer verfolgt worden; so musste 1417 eine Dresdenerin ihres „Unglaubens“ halber mit Zurücklassung ihres Besitzes das Land räumen[65]. Die Verbindungen, welche der Husitismus in Meissen und der Lausitz unterhielt, haben wir an anderem Orte nachgewiesen; auch das Waldenserthum scheint sich noch bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Meissen erhalten zu haben[66].

Die Thätigkeit der Inquisition in Schlesien und Polen in den Jahren 1315 ff. und 1327 ff. haben wir in unserem früheren Artikel verfolgt; in beiden Fällen scheinen die Untersuchungen im Zusammenhang mit den Waldenserverfolgungen in den benachbarten Deutschen Landschaften gestanden zu haben, und für die Zeit um 1330 wird ein Vorgehen der Inquisitoren gegen Polnische Waldenser ausdrücklich bezeugt[67]. Die Conflicte zwischen dem Breslauer Bischof Nanker (1327–1341) und König Johann von Böhmen, welche bekanntlich zur Excommunicirung des Königs, seines Schlesischen Landeshauptmanns und des Breslauer Rathes, sowie zur Verhängung des Interdictes über die Stadt Breslau führten, riefen den bereits 1330 thätig gewesenen Schlesischen Inquisitor Johann von Schwenkenfeld wiederholt auf den Plan[68]. Ob er, wie die auf Seite der päpstlichen und Polnischen Partei stehenden Berichte es hinstellen, in Breslau einen Kampf gegen wirkliche Ketzerei zu führen hatte, oder ob die Anklage der Häresie in der Hauptsache nur den politischen Streit auf das kirchliche Gebiet hinüberspielen sollte, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Ganz unglaubhaft ist jedenfalls [361] die Angabe, dass es die Lehren der Franciscanerspiritualen waren, welche um 1340 bei der Breslauer Bürgerschaft allgemeinen Anklang fanden; eher könnte man noch in der den Breslauer Ketzern beigemessenen Bezeichnung der Kirche als Babylonische Hure und satanische Synagoge und des Papstes als Antichrist, wie in ihrer angeblichen leidenschaftlichen Anfeindung des Klerus einen Hinweis auf die Verbreitung des Waldenserthums in Breslau erblicken[69]. Johann von Schwenkenfeld, den König Johann behufs Schlichtung der Breslauer Wirren zu sich nach Prag berufen hatte, ist am 28. September 1341 im dortigen Dominicanerkloster ermordet worden; die Anstifter der Blutthat, für die man den Schlesischen Landeshauptmann und die Breslauer Rathsherren verantwortlich machte, sind unbekannt geblieben. Nach langer Pause hören wir dann wieder im Jahre 1380 von Ketzerverfolgungen, die Bischof Johann von Neumarkt, früherer Bischof von Olmütz, während seiner kurzen Amtsthätigkeit in der Breslauer Diöcese anordnete und die sich zum Theil gegen früher bereits verurtheilte und von auswärts nach Schlesien geflüchtete Häretiker richten sollten[70].

Ein interessantes Zeugniss für die unter Herzog Wenzel von Liegnitz (1382–1417), dem Nachfolger Johann’s von Neumarkt [362] auf dem Bischofsstuhle von Breslau, fortdauernde Thätigkeit der Schlesischen Inquisition ist vor kurzem durch Wattenbach ans Licht gezogen worden: es ist das am Anfange des 15. Jahrhunderts entstandene Handbuch des Polnischen Inquisitors Peter von Krakau, in welchem neben einer Auswahl aus dem „Directorium inquisitorum“ des Spaniers Nicolaus Eymerici eine Anzahl von Inquisitionsacten, welche Deutsche und speciell Schlesische Verhältnisse betreffen, Aufnahme gefunden hat[71]. Die Reihe der letzteren eröffnet die Ernennung des Lectors des Breslauer Dominicanerklosters, Johann Gleiwitz, zum Inquisitor für Schlesien durch den Polnischen Dominicanerprovinzial Andreas Rutheni; derselbe beruft sich dabei auf die von uns früher erwähnte Bulle Johann’s XXII. vom 29. April 1327, welche den damaligen Polnischen Dominicanerprovinzial zur Aufstellung von Inquisitoren aus dem Predigerorden gegen die aus Deutschland und anderen Ländern in Polen sich einschleichende Ketzerei ermächtigt hatte. Bischof Wenzel zögerte nicht, dem designirten Inquisitor seinerseits die nöthigen Vollmachten auszustellen; es geschah dies in einer Urkunde vom 6. Mai 1397, auf welche dann am 15. September 1404 eine weitere Bestätigung des Johann Gleiwitz als Inquisitor der Breslauer Diöcese folgte. Dass Letzterer auch wirksame Unterstützung seitens der weltlichen Fürsten fand, zeigen uns zwei in das besprochene Handbuch aufgenommene Urkunden, in welchen Herzog Ruprecht von Liegnitz (1364–1409) und Herzog Prschemislaw von Teschen (1358–1410) ihre Beamten zu energischer Förderung der von dem Dominicaner anzustellenden Untersuchungen anhalten; nur die Urkunde des Teschener Herzogs ist datirt, und zwar vom 7. September 1400. Ueber weitere Einzelheiten der Thätigkeit des Schlesischen Inquisitors unterrichten uns die Einträge des Handbuches nicht; sie zeigen nur, [363] dass Johann Gleiwitz für sein Vorgehen gegen die Schlesischen Ketzer durchaus die Anweisungen und Formeln des „Directorium“ des Eymericus zur Richtschnur genommen hatte, so wenig angezeigt auch deren Anwendung auf Deutsche Verhältnisse erscheinen mochte.

Einen merkwürdigen Process hatte der Inquisitor im Jahre 1398 in Breslau gegen einen gewissen Stephanus zu führen, der schon in Oxford drei Jahre lang eingekerkert gewesen war und dessen ketzerische Lehrsätze zugleich Waldensische und Wiclifitische Beeinflussung verrathen[72]. Mit den Waldensern, zum Theil aber auch mit den vorgeschritteneren Lollarden, stimmt Stephanus in seiner Bezeichnung der Bibel als einzigen Glaubensquelle, in der Verwerfung der Bilder, der Anrufung der Heiligen, der Excommunication und der priesterlichen Strafgewalt, sowie in seiner Forderung des Rechtes der Predigt und der Spendung der Sakramente für die durch ihre sittliche Qualität hierzu berufenen Laien überein. Zunächst an Waldensische Lehren klingt es an, wenn Stephanus den schlechten Geistlichen die Fähigkeit der Sakramentsverwaltung abspricht, nur die „Guten“ zur Kirche rechnet, den Eid und die Annahme der Existenz des Fegfeuers bekämpft und als Gebet allein das Vaterunser zulassen will; mit den Lollarden wird von Stephanus die Wandlung im Altarsakramente geleugnet. Der gegen den verwegenen und mit grosser Hartnäckigkeit disputirenden Ketzer angestellte Process endete mit [364] seiner Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Ein vermuthlich vorübergehend in Böhmen verweilender Breslauer Geistlicher, Nicolaus von Namslaw, wurde 1392 wegen nicht näher bezeichneter irriger Lehren vom Predigtamt suspendirt und durch den Prager Inquisitor Bischof Nicolaus in Untersuchung genommen[73].

Als Polnische Waldenser werden uns in dem Verzeichnisse der Meister von 1392 ein Nicolaus und Johannes von Polen genannt; dieselben sind vielleicht identisch mit den beiden gleichnamigen polnischen Waldensermeistern, die nach dem Zeugnisse der 1393–94 verhörten Märkisch-Pommerischen Waldenser die Seelsorge bei diesen ausgeübt haben[74]. Von 1380–1403 ist in Polen der Dominicaner Petrus Stephani als eifriger Ketzerverfolger wirksam gewesen; in die Zeit unmittelbar vor dem Ausbruche der Husitenkriege dürfte die Thätigkeit seines Ordensgenossen, des Inquisitors Petrus von Krakau, fallen[75]. Im letzten Decennium des 14. Jahrhunderts haben endlich, wohl von Polen aus, auch im Preussischen Ordensstaate kirchenfeindliche Lehren, wie es scheint, waldensischen Charakters Eingang gefunden[76].

[365] Im Ungarischen Reiche war der Inquisition mit der seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts aufgenommenen Bekämpfung des südslavischen Katharerthums eine ungemein schwierige Aufgabe gestellt worden. In endloser Reihe ergehen seitdem päpstliche Mahnschreiben an die Könige, Magnaten und den Klerus von Ungarn, die sie zum Kampf gegen die Schismatiker und die Patarener namentlich in Bosnien, aber auch in Croatien, Slavonien, Dalmatien, Serbien und dem südlichen Ungarn aufrufen. Trotz des religiösen Eifers einzelner Ungarischer Könige – namentlich unter Ludwig I. (1342–1382) sind Hunderttausende von Schismatikern und Katharern durch die als Inquisitoren bestellten Minoriten „bekehrt“ worden – hat es doch erst des siegreichen Vordringens des Islams bedurft, um die Katharersecte im 15. Jahrhundert in Ungarn und den benachbarten Ländern verschwinden zu lassen[77]. Wir haben bereits früher gesehen, dass um 1330 auch [366] von Deutschland und Polen aus Häresien im Westen Ungarns sich verbreiten, deren Verfolgung mit derjenigen der Waldenser in Böhmen und Polen zusammenfällt; vielleicht hatte das Waldenserthum, worauf allerdings nur eine schwache Spur hinweist, schon um 1260 im Oesterreich-Ungarischen Grenzgebiet Boden gefasst[78]. In den öfter besprochenen beiden Listen Waldensischer Meister aus den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts werden uns aus Ungarn genannt: ein Jacobus in Ofen, ein Schuster Gottfried und ein Schneider Simon, der Letztere aus Galicz (?) in Ungarn, endlich Petrus von Siebenbürgen, der nachmals zum katholischen Priester geweiht wurde. Um 1395 ist die Inquisition, wie Petrus von Pilichdorf triumphirend mittheilt, mit grossem Erfolg gegen die Ungarischen Waldenser thätig gewesen[79]. Gleichwohl finden wir die Inquisitoren Petrus und Martinus noch im Jahre 1401 mit Vollmachten für die Provinz Gran und die Diöcese Raab versehen und gegen Waldenser aus der Umgebung von Oedenburg in Wirksamkeit. In einem in der Pfarrkirche von Oedenburg erlassenen Inquisitionsurtheil vom 9. Januar 1401, das wir im Anhang mittheilen[80], werden einer grösseren Anzahl von Waldensern, Männern und Frauen, die über sie verhängten kirchlichen Strafen verkündigt; dieselben bestehen in dem Tragen des blauen Busskreuzes und öffentlicher Kirchenbusse. Aber auch die Bestrafung der abgeschiedenen Ketzer hat die Inquisitoren lebhaft beschäftigt; deren Gräber sollen geöffnet und ihre Ueberreste auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Von besonderer [367] Leidenschaftlichkeit zeugt der von den Inquisitoren erlassene Befehl, alle Häuser, in denen die religiösen Zusammenkünfte der Waldenser stattgefunden hatten, zu zerstören und niemals mehr aufzubauen. Von den Verurtheilten ist in dem in abgekürzter Form erhaltenen Urtheil allein die Waldenserin Anna von Güns (südlich von Oedenburg), Wittwe des gleichfalls irrgläubigen Jacob Beratunsgott von Güns nahmhaft gemacht; sie hatte der Secte zwölf Jahre lang angehört, während ein anderer Verurtheilter sechsundzwanzig Jahre lang sich zu den Waldensern gehalten hatte.

An diesen spärlichen Angaben müssen wir uns für die Kenntniss des Ungarischen Waldenserthums genügen lassen. Dasselbe ganz auszurotten, ist der Inquisition wohl ebensowenig wie in den angrenzenden Deutschen Landschaften gelungen; vielmehr scheint die spätere Verbreitung des Husitismus in Ungarn in erster Linie durch die im Lande bereits vorhandene religiöse Opposition gefördert worden zu sein. Der von 1432–1440 in Ungarn und Siebenbürgen als Inquisitor thätige Minorit Jacobus de Monte Brandono (auch Jacobus Picenus, de Marchia oder Jacobus Antonii genannt), der ungeheure Mengen von Ungarischen Husiten vor sein Gericht zog – in einem einzigen Jahre soll er deren 55 000 bekehrt haben –, betont, dass die von ihm verfolgten Ketzer seit langem in Ungarn heimisch und zu bewaffneten Erhebungen, gleich der Husitischen, bereit gewesen seien; die von ihm aufgeführten Glaubenssätze der Ungarischen Ketzer sind die der extremen Taboriten. Gegen die Husiten in Ungarn und den unteren Donauländern sind dann noch bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts Inquisitoren entsandt worden[81].

Wir kehren im Folgenden zu den Waldensern in Oesterreich zurück, deren Geschichte wir früher bis zum vierten Decennium des 14. Jahrhunderts verfolgt hatten. Von dieser Zeit bis etwa 1360 sind die Geschicke der Secte in Oesterreich [368] in Dunkel gehüllt; wir wissen nur, dass in den Stammsitzen des Oesterreichischen Waldenserthums, wie z. B. in der Umgebung von Steyer, auch in dieser Periode die Ketzerei von Generation zu Generation sich fortgeerbt hat. Unter Herzog Rudolf IV. (1358–1365), welchen der mit ihm zerfallene Oesterreichische Klerus einen Häretiker nannte und dem Kaiser Friedrich II. an die Seite stellte[82], sind die Waldenser schwerlich behelligt worden. Allem Anschein nach war es der bigotte Albrecht III. (1365 bis 1395), der den Mährischen Inquisitor Heinrich von Olmütz zur Verfolgung der Waldenser nach Oesterreich berief; den uns erhaltenen Inquisitionsurtheilen aus den Jahren 1391 ff. zufolge hat Heinrich etwa um 1365–1380[83] eine grössere Anzahl von Waldensern aus der Umgebung von Steyer vor sein Gericht gezogen und sie ihre Irrthümer abschwören lassen. Wohl auf diese Verfolgung beziehen sich die Ueberreste eines merkwürdigen Briefwechsels, welcher zwischen Oberösterreichischen Waldensern und einer Gruppe von „Brüdern in Italien“, in welcher wir höchstwahrscheinlich die Centralleitung der Lombardisch-Waldensischen Secte zu erblicken haben, um das Jahr 1368 geführt wurde[84]. In dem ersten Briefe beantworten die Lombardischen Meister Johannes, Girardus, Petrus, Simon und Andere ein Schreiben, das ihnen von Seiten der Waldenser aus der Umgebung von [369] Steyer – die eine der diesen Brief enthaltenden Handschriften nennt speciell die Waldensergemeinde zu St. Peter in der Au (östlich von Steyer) – zugegangen war, und in welchem die Oesterreichischen Waldenser ihren Italienischen Genossen von ihrer Verfolgung durch die Inquisition und dem Abfall einiger Meister berichtet hatten. Zu den Letzteren gehörten die Brüder Siegfried, Petrus, Johannes, der vielleicht mit dem Renegaten Johannes Lesser identisch ist, und, wie es scheint, Johannes von Prag; auch ein Heinrich von Krems wird in diesem Zusammenhang genannt[85]. Der Uebertritt jener Glieder der Secte zum Katholicismus wurde für diese um so gefährlicher, als die Abgefallenen sich auch sofort an die Bekehrung der ihrem Bekenntniss treu gebliebenen Waldenser machten und eine heftige Polemik gegen die Leiter der Secte eröffneten. In Zurückweisung dieser Angriffe wurde von den Lombarden die angeblich bis auf den Papst Sylvester (314–335) zurückreichende Geschichte des Waldenserthums[86] ihren Oesterreichischen Glaubensgenossen vor Augen geführt und der Anspruch der Waldensischen Meister auf Ausübung des apostolischen Berufes ausführlich begründet; scheine auch der Kreis der wahren Diener Christi durch die gegen „die Heiligen“ angestellten grausamen Verfolgungen erheblich verringert, so dürften die Gläubigen doch nicht das Vertrauen aufgeben, dass aus dem abnehmenden Mond der Kirche Christi wieder ein Vollmond werde. Seitens der abgefallenen Meister folgten auf diese Auseinandersetzungen leidenschaftliche Repliken, die vor allem sich gegen die versuchte Herstellung eines Zusammenhangs der Waldensischen Secte mit dem Urchristenthum richten und die Schwäche der von den Lombarden hierfür vorgebrachten Argumente aufdecken.

Unter dem Regiment des Passauer Bischofs Johann von Scharffenberg (1381–1387) durften die Oesterreichischen Waldenser für eine kleine Weile sich von den ausgestandenen Verfolgungen erholen; dem Bischofe hat die gegen seine ketzerischen Diöcesanen geübte Nachsicht bittere Vorwürfe seiner Gegner zugezogen[87]. Im grossen Style sollte dagegen die Oesterreichische Waldenserverfolgung [370] unter Bischof Georg von Hohenlohe (1388–1423) wieder eröffnet werden. Martinus von Prag, der, wie wir gesehen haben, seit etwa 1380 in Baiern und Franken die Waldenserprocesse leitete, wird wohl in der gleichen Zeit mit seinem Collegen Petrus seine Thätigkeit auch in Oesterreich begonnen haben; den aus dem Inquisitionsarchive erhaltenen Actenstücken zufolge hat Petrus seit 1391 Untersuchungen gegen Oesterreichische Waldenser geführt, der Name des Martinus begegnet uns in den Acten des Jahres 1401, der des Petrus zuletzt im Jahre 1403. Von den Acten, welche die Oesterreichische Waldenserverfolgung dieser Zeit betreffen, und von denen sich noch zur Zeit des Flacius[88] drei starke Bände im Kloster Garsten erhalten hatten, sind leider nur spärliche Ueberreste auf uns gekommen; immerhin ermöglichen uns dieselben, ein Bild von dem allgemeinen Gang jener Inquisition zu gewinnen[89].

Im ganzen Verlauf der Untersuchung scheint die Stadt Steyer einen hauptsächlichen Mittelpunkt für dieselbe gebildet zu haben. Hier werden 1391 und 1398 Urtheile gefällt, um 1397 ff. Autodafés in grossem Style abgehalten; der Pfarrer von Steyer, der Benedictiner Friedrich, ist mehrfach zum Commissar der Inquisitoren bestellt; 1395 hat der Inquisitor Petrus hier seinen ständigen Wohnsitz, im nahegelegenen Benedictinerkloster Garsten hat er seine Grabstätte gefunden[90]. Auch die in den erhaltenen Inquisitionsurtheilen genannten Waldenser gehören mit einer einzigen Ausnahme Ober- und Niederösterreichischen Ortschaften aus der näheren Umgebung von Steyer an; es sind die folgenden: Dammbach und Schwamming bei Garsten, Grieglern bei Weistrach in Niederösterreich (zwischen Steyer und [371] Seitenstetten), Wies oder Lueg, beide Bauernhöfe bei St. Michael am Bruckbach bei Seitenstetten, Rabenbühel bei Seitenstetten, Derfl bei Wolfern in der Nähe von Steyer (Beilage II Nr. 1), Boig, Bauernhof bei Garsten, Au bei Garsten, Unterwolfern bei Steyer, Hausleithen bei Sierning westlich von Steyer, Holzapfelberg bei Weistrach in Niederösterreich (Beilage II Nr. 2). Unter den übergetretenen Waldensermeistern wird ein Weber Hans aus Steyer aufgeführt. Gleichwohl ist es doch nur ein Zufall, dass die aus dem umfangreichen Inquisitionsarchive erhaltenen wenigen Acten jene örtliche Begrenzung aufweisen; sicherlich hat sich die Untersuchung auf das ganze Herzogthum Oesterreich ausgedehnt. So erwähnt der Inquisitor Petrus selbst, dass einer der 1398 angeklagten Waldenser anderthalb Jahre früher in Enns von ihm in Untersuchung gezogen war; im Jahre 1403 sitzt er in Wien zu Gericht, wo bereits geraume Zeit vor dem Jahre 1400 der nachmals in Strassburg wieder auftauchende Waldensermeister Salmanssohn aus Solothurn Widerruf geleistet hatte[91]. Von den in der Liste von 1392 aufgeführten Waldensischen Meistern gehören hierher: Der Schuster Ulrich von Hardeck und der Wollspinner Johann von Dichartz bei Krems, von den übergetretenen Waldensermeistern die beiden Wiener, Johann und Nicolaus, der Schmied Hans von Enns und endlich Friedrich von Hardeck; vielleicht sind auch die beiden als Scholaren bezeichneten Ubergetretenen Waldensermeister – wir erfahren nur den Namen des Einen, des Claus von Plauen – mit der Wiener Universität in Verbindung zu bringen.

Die ersten Untersuchungen des Inquisitors Petrus haben wohl zum grossen Theil an die Ergebnisse der Inquisition seines Vorgängers Heinrich von Olmütz angeknüpft. In einem seiner Urtheile aus dem Jahre 1391 heisst es, dass von den fünf Verurtheilten, die sämtlich durch ihre Eltern der Secte zugeführt worden, zwei, nämlich die sechzigjährige Wittwe Els Feur aus Dammbach und die vierzigjährige Wittwe Geisel von Lueg, ihre Ketzerei einst vor dem Inquisitor Heinrich abgeschworen hätten, [372] nachträglich aber rückfällig geworden seien. Ihre Strafe ist unter diesen Umständen eine sehr harte gewesen: Els Feur hatte für ihre ganze Lebenszeit das blaue Busskreuz auf der Vorder- und Rückseite ihrer Kleidung zu tragen und musste an sieben aufeinander folgenden Sonntagen einen Rundgang um die Kirche zu Garsten machen, wobei sie von dem ihr folgenden Pfarrer tüchtig (fortiter) mit Ruthen geschlagen werden sollte; in die Kirche eingetreten, hatte sie sich alsdann rücklings an die Schwelle des Gotteshauses zu legen, damit sie von den Ein- und Ausgehenden mit Füssen getreten werden könne, bis ihr der Pfarrer das Zeichen zum Aufstehen geben würde. Die Wittwe Geisel sollte das Kreuz zwanzig Jahre lang tragen und einmal beim Kirchenumgang von dem Pfarrer in der beschriebenen Weise gezüchtigt werden. Geringere Strafen trafen die Uebrigen: Dietrich Wagner von Grieglern, seit 32 Jahren Waldenser, wurde verurtheilt, acht Jahre lang mit dem Busskreuze bezeichnet zu bleiben und einmal, vom Dorfpfarrer gefolgt und eine Ruthe und eine brennende Kerze tragend, einen Gang um die Kirche zu machen. Der zehnjährige Knabe Salman von Schwamming sollte zwei Jahre, der dreissigjährige Heinrich von Derfl sechs Jahre lang das Busskreuz tragen, der Letztere überdies innerhalb Jahresfrist eine Wallfahrt nach Rom antreten[92].

Im Laufe der folgenden Jahre scheint die Lage des Inquisitors Petrus sich zu einer sehr schwierigen gestaltet zu haben. Die von ihm gefällten scharfen Strafsentenzen wurden von den Waldensern, zu denen sich offenbar ein sehr beträchtlicher Bruchtheil der Oesterreichischen Landbevölkerung gehalten hat, keineswegs mit Ergebung hingenommen; es erwachte vielmehr abermals jener Geist trotzigen Widerstandes, der die Inquisitoren bereits in den Jahren 1260–1266, dann wieder um 1315 und 1330 in Schrecken gesetzt und der sich in den kriegerischen Scenen im benachbarten Neuhausischen Gebiete so drohend kundgegeben hatte. Wohl aus Anlass der Todesurtheile, welche Petrus über Waldenser der Dorfgemeinde Wolfern bei Steyer gefällt hatte[93], wurde das Pfarrhaus zu Wolfern im Jahre 1393 in Brand [373] gesteckt und der Pfarrer sammt seinem Gesinde verbrannt; sein Nachfolger entging im folgenden Jahre nur mit genauer Noth dem gleichen Schicksale. Petrus selbst fühlte sich seines Lebens nicht mehr sicher, seitdem auch im Pfarrhof zu Steyer, wo er bei dem Pfarrer Friedrich Wohnung genommen, am 7. September 1395 Feuer angelegt worden war; ein halbverkohlter Pflock und ein blutbeflecktes Messer, die man eines Tages an den Thoren von Steyer befestigt fand, sprachen für den Inquisitor angesichts der Beispiele blutiger Rache, die die Waldenser in jüngster Zeit an Verräthern geübt, eine nicht misszuverstehende Sprache[94]. Als überdies mit dem Tode Herzogs Albrecht III. († 29. August 1395) Petrus seine mächtigste Stütze verloren und die über die Erbfolge zwischen den Herzögen Albrecht IV. und Wilhelm ausgebrochenen Streitigkeiten[95] den Widersachern der Inquisition weiteren Vorschub zu leisten drohten, hielt Petrus die Zeit zu einem entscheidenden Schritt für gekommen. In einem geharnischten Manifeste wendete er sich zu Ende des Jahres 1395 an den Papst, die Cardinäle, den gesammten Klerus, die weltliche Obrigkeit und speciell an die Oesterreichischen Herzöge, um ihnen die Gefahren, welche der Kirche von Seite des Ketzerthums drohten, eindringlich zu schildern und die Ergreifung strenger Massregeln zu dessen Unterdrückung zu fordern. Geschehe dies nicht, so werde die Waldensische Secte, die seit länger als 150 Jahren in den Oesterreichischen Ländern eingewurzelt und in der jüngsten Zeit durch Mord und Brand zum offenen Angriff gegen die Diener der Kirche vorgegangen sei, immer weitere Kreise der Kirche entfremden[96].

[374] Die Mahnung des Inquisitors blieb nicht unbeachtet. Gerade in den nächstfolgenden Jahren hat Petrus die ausgiebigste Unterstützung seitens des weltlichen Armes, wie er sie sich nur wünschen mochte, gefunden. Ein Mandat der Herzöge Wilhelm und Albrecht IV. vom Mai 1397 ordnete die Verfolgung und Festnahme aller der Ketzerei oder des Widerstands gegen die Inquisition Verdächtigen an[97]. Im Jahre 1398 finden wir den Burggrafen von Steyer, Heinrich von Zelckhing, als Cooperator des Inquisitors Petrus und seines Commissars, des Pfarrers Friedrich von Steyer, bestellt, denen in dieser Zeit der Schulrector von Steyer, Stephan Lamp, als Notar zur Seite steht[98]. Auch die grosse Mehrzahl der auf des Inquisitors Petrus Veranlassung verfügten Ketzerverbrennungen wird wohl mit Recht in die Zeit nach 1395 gesetzt. Auf Grundlage der Klosterannalen von Garsten berichtet Prevenhuber’s Chronik (S. 72), dass 1397 mehr als tausend Personen unter dem Verdacht der Ketzerei in Steyer eingezogen worden seien; ein Theil sei zur Strafe des Kreuztragens verurtheilt, viele andere dem weltlichen Gerichte zur Bestrafung übergeben worden. Das Urtheil des Letzteren lautete zum Theil auf lebenslängliches Gefängniss, zum Theil auf Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Achtzig bis hundert Personen wurden nach Prevenhuber im Früxenthal bei Steyer, wo man noch im 18. Jahrhundert den „Ketzerfriedhof“ zeigte, verbrannt; nach der Chronik des Veit Arnpeck[99] hätten bereits unter Albrecht III. über hundert Ketzer in Steyer den Scheiterhaufen bestiegen.

Eines der uns erhaltenen Urtheile des Inquisitors Petrus aus dem Jahre 1398 gestattet uns einen erwünschten Einblick in die Verhältnisse, unter welchen die Processe gegen den überzeugungstreuen Theil der Oesterreichischen Waldenser und deren Verurtheilung zum Scheiterhaufen – denn anders kann die Ueberweisung an das weltliche Gericht nicht bezeichnet werden – vor sich gingen[100]. Die erste der Angeklagten, die Wittwe Kunegundis von der Au (bei Garsten), hatte im Jahr 1395 die Waldensische Lehre abgeschworen, war aber im Januar 1398 abermals, als [375] des Rückfalls verdächtig, nach Steyer vorgeladen worden. Von dem Inquisitor eidlich vernommen, hatte die Angeklagte anfangs ausweichend geantwortet, schliesslich aber ein offenes Geständniss abgelegt: sie habe auch nach ihrem Widerruf weder an die Existenz des Fegfeuers, noch an die Wirksamkeit der kirchlichen Ablässe, noch an die Fürbitte der Heiligen geglaubt; sie habe es ferner für eine schwere Sünde gehalten, dass der Inquisitor Petrus sieben Waldenser aus Unterwolfern dem Scheiterhaufen überantwortet habe. Der zweite Angeklagte, Gundel aus Holzapfelberg bei Weistrach in Niederösterreich, hatte schon vor Heinrich von Olmütz Widerruf geleistet und war von Petrus 1397 nach Steyer citirt worden. Nachdem er lange der Vorladung keine Folge gegeben und desshalb excommunicirt worden war, benutzte er die zeitweilige Abwesenheit des Cölestiners, um sich dessen Commissar Friedrich zur Verantwortung zu stellen; er bekannte sich als Waldenser, widerrief deren Lehrsätze und erlangte im Juli 1397 die Absolution. Aber schon am 18. Januar des folgenden Jahres erreichte ihn wieder der Arm des wachsamen Inquisitors. Auf dessen Befehl durch den Burggrafen von Steyer verhaftet, weigerte er sich hartnäckig, die Wahrheit seiner zu machenden Aussagen zu beschwören. Es entspinnt sich ein förmlicher Kampf zwischen dem Inquisitor und dem Angeklagten, welcher die Verantwortung für die Eidesleistung dadurch von sich abzuwälzen sucht, dass er dem Inquisitor, später unter vier Augen dem Burggrafen von Steyer vorschlägt, er wolle schwören, wenn der Inquisitor die Verantwortung dafür auf sein Gewissen nehmen werde. Von dem „Jagdnetz“ des Cölestiners von allen Seiten umgarnt, gibt sich der Unglückliche endlich gefangen und bekennt auf seinen Eid, bis zur Stunde jede Eidesleistung für Sünde, die Fürbitte der Heiligen für wirkungslos gehalten zu haben; am Tage vor dem Allerheiligenfeste habe er zwar gefastet, aber nicht zur Ehre der Heiligen, sondern zur Ehre Gottes. Ueberdies habe er das Busskreuz vorzeitig abgelegt. Weit grösserer Entschlossenheit begegnet der Inquisitor bei der dritten Angeklagten, der Bäuerin Diemuth von Hausleithen. Allen Aufforderungen zur Eidesleistung, auch den gütlichen Vorstellungen und Bitten des Inquisitors setzt sie unbeugsamen Widerstand entgegen, weil sie jeden Eid für sündhaft hält; dass sie öfters Waldensischen Meistern gebeichtet, gibt sie ohne Weiteres zu. Die vierte Angeklagte [376] ist die nämliche Wittwe Els Feur, deren barbarische Strafe uns aus dem Urtheil von 1391 bekannt geworden ist. Es kann nicht verwundern, dass die entehrende Kirchenbusse, welche ihr damals der Inquisitor auferlegt, die Greisin in der Zwischenzeit der Kirche nicht näher gebracht hatte. Dem Pfarrer von Garsten, der sie um 1398 eidlich verpflichten sollte, dem Katholicismus treu zu bleiben, erklärte sie rund heraus, dass sie der gethane Widerruf gereue; ihren Unglauben bezüglich der Fürbitte der Heiligen stellte sie so wenig in Abrede, dass sie an den Pfarrer die verfängliche Frage richtete, ob denn der Knecht mächtiger sei, als der Herr. Das Urtheil lautete für alle vier Angeklagten auf Auslieferung an das weltliche Gericht, das wohl in sämmtlichen Fällen auf Verbrennung auf dem Scheiterhaufen erkannt haben wird.

Einen weniger tragischen Ausgang hat die gleichfalls in das Jahr 1398 fallende Verhandlung gegen den Bauern Jans von Boig bei Garsten genommen. Derselbe hatte bereits 1397 in Enns vor Gericht gestanden, wo er auf seinen Eid jeden Zusammenhang mit der Waldensischen Secte ableugnete; abermals in Untersuchung gezogen, liess er sich nach längerem Sträuben zu dem Geständniss herbei, er sei doch Waldenser gewesen und habe einem ihrer Meister gebeichtet. Die dem angeblich reumüthigen Ketzer auferlegte Strafe bestand darin, dass er an sieben aufeinander folgenden Sonn- und Feiertagen als Büssender an den Pranger gestellt wurde, und zwar zur Erinnerung an seinen Meineid mit einer Mütze auf dem Kopfe, auf welcher der Teufel, der einem Bauern die Zunge aus dem Munde zieht, abgebildet sein sollte[101].

Die übrigen aus dem Archive der Oesterreichischen Inquisition in der von mir benutzten Würzburger Handschrift erhaltenen [377] Actenstücke sind nur in abgekürzter Form, ohne Angabe der Angeklagten und des Datums, mitgetheilt. Das eine betrifft die Verurtheilung eines Waldensers zu lebenslänglichem Gefängniss[102], ein anderes den Nachlass der gleichen Strafe unter der Bedingung, dass der Begnadigte drei Jahre lang, mit dem blauen Kreuze bezeichnet, Kirchenbusse thue; eine dritte Formel gestattet einem Reumüthigen, das Busskreuz vorzeitig abzulegen.

Von besonderem Interesse sind drei gleichfalls nur formelhaft mitgetheilte Sentenzen, die ein eigenthümliches Licht auf die Stellung der Oesterreichischen Geistlichkeit gegenüber der Waldensischen Secte und dem Inquisitionsgerichte werfen[103]. Ein nicht näher bezeichneter Pfarrer der Passauer Diöcese, der von Jugend auf sich zu den Waldensischen Lehren bekannt hatte, war schon von einem früheren Inquisitor, wahrscheinlich von Heinrich von Olmütz, in Verhör genommen und nach Abschwörung der Waldensischen Lehrsätze absolvirt worden. Auch der Cölestiner aber hatte wieder Veranlassung, seine Rechtgläubigkeit in Zweifel zu ziehen; er liess den Pfarrer abermals seine Irrthümer abschwören und verordnete ihm eine im Stillen zu verbüssende Kirchenstrafe. Ein zweiter Pfarrer hatte der Vorladung des Inquisitors – sei es in eigener, sei es in fremder Sache – nicht Folge geleistet und war in Folge dessen excommunicirt worden; nachdem er sich dem Verhör des Inquisitors gestellt, hebt dieser die ausgesprochene Excommunication wieder auf. Auch ein nicht genannter Passauer Canonicus endlich ist mit dem Inquisitionsgerichte in ernsten Conflict gerathen und von Petrus wegen Widerspenstigkeit und anderer nicht näher bezeichneter Reate mit der Excommunication belegt worden. Es bedurfte des Dazwischentretens des Passauer Bischofs und seines dazu bevollmächtigten Commissars, um den Canonicus von dem Kirchenbanne zu befreien; in der uns erhaltenen Formel bringt der bischöfliche Commissar die Lösung des Bannes zur Kenntniss des Inquisitors und des Klerus der Passauer Diöcese mit der Weisung, dieselbe allgemein bekannt zu geben.

[378] Auf die Verbreitung der Waldensischen Secte in Steiermark zu Ende des 14. Jahrhunderts weist das Erscheinen von drei Steiermärkern in der Liste der übergetretenen Waldensermeister hin. Ueber das gleichzeitige Einschreiten der Inquisition gegen die Steiermärkischen Waldenser werden wir durch eine von den Inquisitoren Petrus und Martinus am 27. Februar 1401 erlassene Sentenz unterrichtet[104]. Der Ort der Verhandlung ist Hartberg im nordöstlichen Steiermark, nahe der Ungarischen Grenze; wenige Wochen später haben die Inquisitoren, worüber wir früher berichteten, in Oedenburg über Ungarische Waldenser aus dem nahe der Steiermärkischen Grenze gelegenen Städtchen Günz zu Gericht gesessen. Auch in Steiermark war die Secte seit langer Zeit heimisch; die eine der 1401 Verurtheilten gehörte ihr seit fünfzig Jahren an, und auch ihre Mutter war schon Waldenserin gewesen[105]. Die ausserordentliche Strenge, mit welcher die Inquisitoren in Hartberg auftreten, lässt vermuthen, dass der Inquisition von 1401 bereits mehrere andere Verfolgungen vorausgegangen waren, und dass es damals galt, an den Rückfälligen abschreckende Beispiele zu statuiren.

Die sämmtlichen drei verurtheilten Waldenserinnen hatten im Januar des Jahres 1401 die Waldensischen Artikel abgeschworen, waren aber schon nach wenigen Tagen wieder als des Rückfalls und Meineids verdächtig eingezogen worden. Gegen die fünfzigjährige Wittwe Wendel Richter von Unterrohr bei Hartberg wurde diese Anklage damit begründet, dass sie bei ihrer ersten Vernehmung die Zugehörigkeit ihrer vier Kinder zur Secte in Abrede gestellt und dieselben angeblich zum Leugnen angestiftet hatte; des gleichen Vergehens wurde die Schwester der Vorgenannten, Els Porsteyner von Unterrohr, überführt, die überdies ihren Sohn zu falschen eidlichen Aussagen bezüglich seiner Zugehörigkeit zur Secte angehalten haben sollte. Die dritte Verurtheilte, Peters Reat von Stangendorf (Stangersdorf in der Pfarrei Lang südlich von Graz?)[106], hatte bei ihrer Vernehmung [379] und Abschwörung einen falschen Vornamen angegeben und eine Glaubensgenossin ebenfalls dazu verleitet; ferner wollte sie anfänglich seit zehn Jahren keinem Waldensischen Meister mehr gebeichtet haben, während sie später, durch das unvorsichtige Geständniss ihres Mannes dazu gedrängt, zugeben musste, dass sie noch im Sommer 1400 einem Meister ihre Beicht abgelegt habe. Einen vor den Inquisitor citirten Waldenser aus der Umgebung von Hartberg hatte sie verleitet, der Vorladung nicht Folge zu leisten und kein Geständniss zu machen. Endlich sollte sie nach ihrer Abschwörung und nach Anhörung einer Predigt der Inquisitoren die Aeusserung gethan haben, dass erst diese Predigt sie wirklich bekehrt habe; daraus zieht die grausame Logik der Inquisitoren den Schluss, dass ihre Abschwörung eine trügerische gewesen sei! Obwohl offenbar keine der Angeklagten der, wenn auch nur äusserlichen, Aussöhnung mit der Kirche widerstrebte, wurden sie doch durch das Urtheil der Inquisitoren als rückfällige Ketzerinnen dem weltlichen Arm zur Bestrafung ausgeliefert.

Ueber die Wirksamkeit des Inquisitors Petrus in Wien ist uns ein interessantes Zeugniss in dem über einen gewissen Andreas Hesel von Wien im Jahre 1403 gefällten Urtheil erhalten[107]. Dasselbe macht uns mit einer langen Reihe von ketzerischen Meinungen der genannten Persönlichkeit bekannt, welche ein sonderbares Gemisch von unverkennbar Waldensischen Lehren mit oppositionellen Sätzen von ganz anderer Richtung darstellen. Hesel hatte die Reliquien- und Heiligenverehrung, die kirchlichen Weihen, die Ablässe, die klösterlichen Gelübde, die Fürbitten für die Verstorbenen und den päpstlichen Primat angefochten; daneben entwickelt er aber auch eigenthümliche Anschauungen Über die Trinität und über die Person und das Leiden Christi, leugnet den Sündenfall Adam’s und dessen Vertreibung aus dem Paradies, bestreitet die Wirksamkeit der kirchlichen Taufe, die Verwandlung [380] im Altarsakrament und den Nutzen der Beicht. Diese Lehren hatte Hesel in Gemeinschaft mit gleichgesinnten Genossen in Wien öffentlich und, wie es scheint, in derb cynischen Wendungen vorgetragen; selbstbewusst genug, erklärte er sich zu einem Redeturnier mit dem Papste bereit. Dem Inquisitor Petrus gegenüber hat allerdings sein zuversichtliches Auftreten nicht Stand gehalten; am 4. März 1403 schwor Hesel im Friedhofe der Stephanskirche seine Ketzereien ab und erhielt als Strafe das Tragen des blauen Kreuzes auf Jahresfrist, sowie öffentliche Kirchenbusse auferlegt[108]. Sonderliche Bedeutung wird den Ketzereien Hesel’s, in dem wir offenbar einen Mann aus den unteren Schichten des Volkes vor uns haben, nicht beizulegen sein: er mag ursprünglich sich zum Waldenserthum bekannt, mit dessen Lehrsystem aber auch anderwärts aufgefasste radicale Sätze von kirchenfeindlicher Tendenz verquickt haben. Immerhin ist Hesel’s Auftreten als ein Symptom der zu Anfang des 15. Jahrhunderts in der Bevölkerung der Oesterreichischen Hauptstadt vorhandenen Gährung nicht ohne Interesse.

Inwieweit die Oesterreichische Ketzerverfolgung während der nächstfolgenden Zeit, in der Oesterreich durch Bürgerkriege aufs tiefste zerrüttet wurde, von Erfolg begleitet war, entzieht sich unserer Kenntniss. Nur zum Jahr 1411 berichtet eine Wiener Chronik, dass damals in Wien ein Ketzer, Hans der Griezzer, verbrannt wurde „umb etleich Artikel, di wider Christum Glawben waren, und wolt die nit abtreten, alß ainer was umb das Opfer[109].

[381] Der Inquisitor Petrus blieb bis zu seinem Tode auf seinem Posten; im Kloster Garsten wurde er begraben[110]. Stephan Lamp, der ehemalige Notar der Inquisition und späterer Pfarrer von Gutau in Niederösterreich, ist wahrscheinlich sein unmittelbarer Nachfolger gewesen; in einer Urkunde des Jahres 1419 wird er als Inquisitor für das Bisthum Passau bezeichnet[111]. Im gleichen Jahre geschieht in einer Sitzung der theologischen Facultät zu Wien des Gerüchtes Erwähnung, dass die Waldenser, Husiten und Juden in Oesterreich ein Bündniss abgeschlossen hätten; die Berichterstattung an Herzog Albrecht V. wurde bis zur Zurückkunft einiger abwesenden Facultätsmitglieder ausgesetzt[112]. Auch in Böhmen hat man damals die Befürchtung des Zusammengehens der Waldenser mit den Husiten ausgesprochen[113], während uns eine gleichzeitige Oesterreichische Quelle berichtet, unter dem Einfluss der Husitischen Wirren sei der Anhang der Waldenser bedrohlich angewachsen und mit den Waffen in der Hand den Katholiken entgegengetreten[114]. Im Zusammenhalt damit, dass gleichzeitig auch in Franken Verhandlungen über den Anschluss der Waldenser an den Husitismus schwebten, möchten wir es für keineswegs unwahrscheinlich halten, dass in der That schon damals enge Beziehungen zwischen den im südlichen Böhmen besonders stark vertretenen und zum guten Theil aus dem Waldenserthum hervorgegangenen Taboriten und den Oesterreichischen Waldensern bestanden haben. Diesen wird wohl auch zum Theil [382] die Verfolgung der „Husiten“ in Oesterreich seitens des Minoriten Jacobus von Monte Brandono[115] seit 1436 gegolten haben; wie früher zeitweilig die Wiener Universität, so hat zur Zeit des Basler Concils die Stadt Wien bei den kirchlich Gesinnten im Rufe der Ketzerfreundschaft gestanden[116]. Um 1430 finden wir den bekannten Schwäbischen Waldenserapostel Friedrich Reiser in Verbindung mit den Oesterreichischen Waldensern; von Wien aus kommt er nach Tabor und Prag, wo er eine ganz Deutschland umspannende erfolgreiche Waldensisch-Taboritische Propaganda ins Werk setzte[117]. Einer seiner Genossen war Stephan, der Bischof der Oesterreichischen Waldenser, der um 1460 vertraute Beziehungen sowohl mit Rokycana, als mit den Böhmischen Brüdern unterhalten hat; als Sitz der Oesterreichischen Waldenser in dieser Zeit wird von den Böhmischen Quellen das an Mähren angrenzende Gebiet Oesterreichs, vermuthlich die Gegend um Hardeck und Drosendorf, wo die Secte seit dem 13. Jahrhundert eingewurzelt war, bezeichnet. Während der zwischen den Oesterreichischen Waldensern und den Böhmischen Brüdern schwebenden Unionsverhandlungen brach eine neue Verfolgung gegen die Oesterreichischen Waldenser los, deren Opfer auch der Bischof Stephan wurde: er wurde um 1467 in Wien verbrannt. Ein Theil der verfolgten Oesterreichischen Waldenser soll sich durch [383] die Flucht nach Böhmen und der Mark Brandenburg gerettet haben[118].

Auch Steyer, das in allen Oesterreichischen Waldenserverfolgungen von 1260 bis 1390 ff. eine so bedeutsame Rolle spielte, finden wir um die Mitte des 15. Jahrhunderts nochmals in Verbindung mit einem Ketzerprocess genannt. Im Jahre 1445 hatte sich Johannes Trinhuber aus Steyer vor der Inquisition in Wien zu verantworten[119]. Die ihm von dem Wiener Theologen Thomas Ebendorfer von Haselbach beigemessenen Angriffe gegen die kirchliche Lehre reichen allerdings nicht aus, um seine von der Inquisition angenommene Zugehörigkeit zur Waldensischen Secte überzeugend nachzuweisen; um so schwerwiegender ist die ihm von seinen Anklägern vorgerückte eigene unbedachte Angabe des Angeklagten, dass er zu den Steyerer Ketzern gehöre, dass er sich nur durch die Flucht nach Wien der Verbrennung entzogen habe, dass sein väterliches Haus eine Ketzerherberge gewesen[120]. Trinhuber, den wir demnach mit grösster Wahrscheinlichkeit dem Steyerischen Waldenserkreise zuzurechnen haben, entging auch in Wien dem Feuertode, indem er sich zu öffentlichem Widerrufe der ihm zur Last gelegten Irrthümer verstand.

Gegen Oesterreichische „Husiten“ ist dann auch noch im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts eingeschritten worden; 1479 [384] wurde der Inquisitor Thomas Cognati mit der Verfolgung der Husiten und Nicolinisten – unter den Letzteren sind entweder Anhänger der von Nicolaus von Wlasenic gestifteten Böhmischen Secte oder die anderwärts als „Adamiten“ bezeichneten extremen Husiten verstanden – in Oesterreich betraut[121]. Als seine Nachfolger finden wir im Jahre 1486 den Dominicaner und Wiener Universitätsprofessor Chrysostomus[122], gleichzeitig und bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts in der Salzburger Provinz die Dominicaner Jacobus Sprenger und Heinrich Institoris; neben ihnen werden 1492 der Dominicaner Alexius Pythzel, 1494 der Dominicaner Friedrich Gundelfinger als Inquisitoren in der Salzburger Kirchenprovinz genannt[123]. Die Thätigkeit der Letztgenannten ist wohl überwiegend der Processirung der Hexen und Zauberer, deren Massenverfolgung mit dem Jahre 1484 beginnt, zugewandt gewesen; beiläufig kommt Institoris, der energische Verfolger der nunmehr ziemlich allgemein als „Waldenser“ bezeichneten Böhmischen Brüder, in seiner Polemik gegen die Ketzer seiner Zeit auch auf die Deutschen Waldenser und deren Bischof Friedrich Reiser zu sprechen[124]. Angesichts der Thatsache, [385] dass seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Schweiz, in Frankreich und in den Niederlanden der Name „Waldenser“ (Vaudois) ausschliesslich für die der Hexerei und der Zauberei Angeklagten gebraucht wird, während er als eigentlicher Sectenname hier, wie in anderen Theilen Deutschlands in Zukunft fast vollständig verschwindet, scheint die Folgerung nahezu unabweisbar, dass wir in den Hexenprocessen der vorreformatorischen Zeit zum guten Theile nur eine neue, durch die ausgedehnte Benutzung der Folter modificirte Art der früheren Ketzerprocesse vor uns haben[125]. Zu den ungeheuerlichen Anklagen aus der Zeit Conrad’s von Marburg und aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts zurückkehrend, hat man fortan wohl auch in Südostdeutschland[126] den noch übrig gebliebenen Anhängern des Waldenserthums, wie es gleichzeitig in ähnlicher Weise mit der Böhmischen Brüderunität in Böhmen und Mähren geschah, als Teufelsgenossen, Hexen und Zauberern das Urtheil gesprochen.

Wie wenig freilich die Inquisition mit solchen Mitteln den Geist der Empörung gegen das kirchliche Regiment zu bezwingen vermochte, zeigt der leichte und allgemeine Sieg, welchen die Lutherische Reformation gerade in den Oesterreichischen Herzogthümern errungen hat. Wir erinnern nur daran, dass schon 1525 die Mehrheit des Oberösterreichischen Landtages sich für die reformatorischen Bestrebungen erklärte, und dass bei deren Durchsetzung die Bevölkerung von Steyer und seiner nächsten [386] Umgebung wieder in erster Linie betheiligt war[127]. Und zu Ende des 16. Jahrhunderts sind dieselben Oberösterreichischen Bezirke, welche im 13. und 14. Jahrhundert die Aufstände der verfolgten Waldensischen Bauern gesehen hatten, abermals der Schauplatz jener erbitterten Kämpfe geworden, in welchen die protestantische Landbevölkerung gegenüber den Gewaltmassregeln der Gegenreformation für ihren Glauben eingestanden ist[128].




Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass in den Nachbarländern Böhmens, in Oesterreich, Baiern, Franken, Thüringen und Sachsen, Schlesien, Polen und Ungarn das Waldenserthum im Laufe des 14. Jahrhunderts Eingang gefunden hatte, dass es in einzelnen dieser Länder seit dem 13. Jahrhundert eingewurzelt war und unmittelbar vor dem Ausbruche der Husitischen Wirren in einer für die Kirche sehr bedrohlichen Weise um sich gegriffen hatte. Wir haben ferner gesehen, dass auch in Böhmen und Mähren sich die Spuren der Waldensischen Propaganda deutlich bis in den Anfang des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen, und dass die mannigfachen Nachrichten der späteren Zeit über Ketzerverfolgungen im südwestlichen Böhmen aller Wahrscheinlichkeit nach fast insgesammt die Waldensische Secte betreffen. Im Beginn des 14. Jahrhunderts fanden wir Böhmen und Mähren als einen hauptsächlichen Herd der Waldensischen Bewegung genannt, und am Ausgange des 14. Jahrhunderts wird abermals über das Umsichgreifen der Waldensischen Ketzerei in Mähren Klage geführt; unmittelbar vor dem Ausbruch der Husitischen Wirren sehen wir die Inquisition in Böhmen gegen die dortigen Waldenser einschreiten und von Böhmen aus die allgemeine Verfolgung der Waldensersecte im östlichen Deutschland und in Ungarn einleiten.

Diese Thatsachen machen es unseres Erachtens unmöglich, [387] das Waldenserthum bei der Erklärung des beispiellosen Erfolges des Husitischen Reformversuches ausser Betracht zu lassen. Nach den Ergebnissen der werthvollen Untersuchungen Loserth’s[129] haben wir gewiss allen Grund, den Einfluss der Wiclifischen Doctrinen auf Böhmen seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts als einen überaus tiefgreifenden zu betrachten; die neu herausgegebenen Schriften Wiclif’s haben den Anschluss nicht nur der Utraquisten, sondern auch der Taboritischen Theologen an den Englischen Reformator um vieles deutlicher, als dies bisher möglich war, erkennen lassen. Hand in Hand damit geht aber auch die Erkenntniss, dass die Uebereinstimmung Wiclif’s mit dem Reformprogramm des Waldenserthums eine weit engere ist, als man bisher vermuthen konnte; auch solche Sätze, welche man als ausschliesslich Waldensische anzusehen hatte, wie namentlich das absolute Verbot des Tödtens[130]und Kriegführens[131], die Bekämpfung der kirchlichen Lehre vom Fegfeuer[132], die Verwerfung der Universitätsstudien und der akademischen Grade[133], finden wir auch in Wiclif’s Schriften, wenn auch zum Theil nicht mit der gleichen Bestimmtheit, wie von den Waldensern, vorgetragen. Dazu kommt, dass die Englischen Lollarden gerade in solchen Punkten, in denen auch das Waldenserthum von der katholischen Kirche abweicht, über ihren Meister noch hinausgegangen, und dass [388] allem Anschein nach auch solche Lollardische Sätze durch die nach Böhmen geflüchteten Englischen Wiclifiten in Prag gelehrt worden sind[134].

Unter diesen Umständen musste der Versuch, das gesammte Taboritische Reformprogramm auf Grund seiner zahlreichen Berührungen mit demjenigen der Lombardischen Armen als Waldensisches Lehngut zu erweisen[135], erfolglos bleiben; dem gegenüber ist der entscheidende Einfluss des Wiclifismus auf die Ausbildung einer Reihe von grundlegenden Lehren des Taboritischen Bekenntnisses in hohem Grade wahrscheinlich gemacht worden. Nach der anderen Seite scheint es mir aber auch gefehlt, wenn im Hinblick auf das ausserordentliche Ansehen, welches Wiclif seitens der führenden Theologen der Taboritenpartei genoss, die Bedeutung des Waldenserthums für die Herausbildung des Taboritenthums aus dem Husitismus vollständig geleugnet oder auf ein geringfügiges Mass herabgedrückt wird[136]. War in der That das Waldenserthum am Anfang des 15. Jahrhunderts in Böhmen und Mähren in weiteren Kreisen und seit vielen Decennien verbreitet – und dies dürfte unsere Untersuchung wahrscheinlich gemacht haben – so musste naturgemäss auch der Einfluss des Waldenserthums und seiner allezeit rührigen Propaganda zur Geltung kommen, wenn die übereinstimmenden Wiclifitisch-Waldensischen Doctrinen in die breiten Massen des Volkes hineingetragen wurden; gerade in dem Zusammentreffen und Zusammenwirken zweier so ganz und gar voneinander unabhängigen und doch aufs nächste verwandten Reformbewegungen, der Wiclifitischen und Waldensischen, dürfte am ersten die Erklärung für die unwiderstehliche Macht, mit welcher die Husitische Volksbewegung [389] sich Bahn brach, gefunden werden. Von den Zeitgenossen freilich, und auch von den mitten in der Bewegung Stehenden, mögen nur wenige darüber klar geworden sein, welche verschiedenartigen Kräfte – an die chiliastischen und apokalyptischen Strömungen kann in diesem Zusammenhange nur mit einem Worte erinnert werden – bei dem Böhmischen Reformversuche zusammengewirkt hatten[137]. Diese Erkenntniss wurde um so mehr erschwert, als der literarische Kampf zwischen dem Husitismus und der katholischen Theologie schon frühzeitig auf die Frage nach der Orthodoxie von Wiclif’s Lehre, auf deren Vertheidigung und Verurtheilung, sich hinausspitzte. Wenn dann die führenden Theologen der Taboritenpartei, von den Prager Magistern in den dreissiger Jahren als Ketzer belangt, die Argumente für ihre Glaubenssätze in erster Linie der unerschöpflichen Rüstkammer von Wiclif’s Schriften, deren Autorität auch die Magister nicht principiell anzufechten wagten, entnommen haben, so kann daraus schwerlich der Schluss gezogen werden, dass auf den Gang der Husitischen Volksbewegung vor und unmittelbar nach dem Constanzer Concil der Einfluss Wiclifischer Lehren der ausschliesslich bestimmende gewesen sei[138]. Schwerer wiegend scheint uns das [390] Zeugniss, welches uns gleichzeitige Berichte über die auf Husens Tod folgende Entfesselung der Böhmischen Reformbewegung liefern und welches wenigstens in zwei Punkten die Einwirkung des Waldenserthums auf jene Bewegung unseres Erachtens mit Bestimmtheit erkennen lässt. Bezüglich der Lehre vom Fegfeuer heisst es in dem Briefe des Prager Magisters Christian von Prachatic an Wenzel Koranda vom Jahre 1416, dass dessen Gesinnungsgenossen die Existenz des Fegfeuers leugneten; derselbe bestimmte Vorwurf wird in dem Ausschreiben der Prager Magister vom Jahre 1417 gegen die Husitischen Extremen und von Lorenz von Brezowa zum Jahre 1420, sowie von Cardinal Julian Cesarini im Jahre 1433 gegen die Taboriten erhoben[139]. Dass jene Anklage nicht auf einem Missverständnisse der Taboritischen Anschauungen beruhte, zeigt die Thatsache, dass auch Peter von Cheltschic und die Böhmischen Brüder sich zu der absoluten Verwerfung des Fegfeuers als eines Mittelzustandes zwischen Himmel und Hölle bekannten[140]. Diese vollständige Ablehnung des Fegfeuers gehört nun aber zu den Grundlehren des Waldenserthums, während Wiclif nirgends die Existenz des Fegfeuers, sondern nur die über dasselbe vorgetragenen kirchlichen Vorstellungen bekämpft[141]. Gleichfalls auf Waldensische Beeinflussung [391] dürfte die Auflehnung gegen jede Eidesleistung zurückzuführen sein, welche sowohl von den Prager Magistern im Jahre 1418 als von dem Cardinal Julian Cesarini 1433 den Husitischen Extremen beigemessen wird; mit letzteren befinden sich auch hierin die Böhmischen Brüder in Uebereinstimmung, während Wiclif, soweit ich sehe, gegen die Berechtigung der Eidesleistung einen Einwand nicht erhoben hat[142]. Was die übrigen Punkte des Taboritischen Programmes anlangt, so ist, wie schon bemerkt, für manche derselben – so für die Verwerfung der Bilder-Reliquien- und Heiligenverehrung, für die Taboritische Bekämpfung des weltlichen Besitzes der Geistlichkeit und die Anfeindung des Mönchstandes, endlich für die Taboritische Sacramentslehre – deren Wiclifischer Ursprung wahrscheinlich gemacht worden; hinsichtlich anderer wird bei der oben hervorgehobenen engen Uebereinstimmung der Wiclifisch-Lollardischen Lehren mit denen des Waldenserthums eine endgültige Entscheidung der Frage, was die Taboriten jeder der beiden religiösen Grundströmungen verdankten, zunächst ausgesetzt bleiben müssen[143]. Gegenüber der ausschliesslichen Betonung des Wiclifischen Einflusses sei hier nur daran erinnert, dass auch an die radicalen socialpolitischen Ideen des Taboritenthums, welche Abschaffung der geistlichen und weltlichen Gesetzgebung, Beseitigung der Universitäten und des Gelehrtenstandes, in letzter Linie Herstellung eines theokratischen Staatswesens auf Grundlage allgemeiner [392] Gleichheit und Brüderlichkeit forderten, Anschauungen der Waldensischen Secte, deren absolutes Verbot des Tödtens und Schwörens sie in den schärfsten Gegensatz zu den mittelalterlichen Staatseinrichtungen gestellt hatte, in überraschender Weise anklingen. Wunderlich genug, haben daneben auch die revolutionären Scenen aus der ersten Entwicklungsphase des Taboritenthums in den blutigen Bauernaufständen und Gewaltthaten der Oesterreichisch-Böhmischen Waldenser während des 13. und 14. Jahrhunderts ihr Gegenstück.

Es ist bereits auf die bedeutsame Erscheinung aufmerksam gemacht worden, dass die ersten Regungen des radicalen Husitismus, aus dem sich nachmals die Taboritische Partei entwickelte, im südwestlichen Böhmen ihren Mittelpunkt hatten, wo, wie wir mit grösster Wahrscheinlichkeit annehmen durften, die Waldensische Secte seit Generationen eingewurzelt war[144]. „Gerade dort, wo sich alsbald Tabor erheben sollte, haben Laien ohne kirchliche Weihe und Autorisation Predigten gehalten und Beichte gehört, das Sakrament der Taufe mit ungeweihtem Wasser gespendet. Mit Verachtung der Kirchen, »der Höhlen der Räuber«, wurden in Scheunen gottesdienstliche Versammlungen abgehalten, und daselbst die Messe in der einfachsten Art und Weise celebrirt[145].“ Auch Pisek, das uns in den Berichten über die Ketzerverfolgungen des 14. Jahrhunderts wiederholt begegnete, nimmt in der Geschichte des Taboritenthums eine hervorragende Stelle ein: 1419 betheiligt sich die Stadt am Klostersturm und schliesst sich im folgenden Jahre den Taboriten an, denen wir sie noch im Jahre 1452 treu zur Seite stehen finden; zur Zeit der chiliastischen Schwärmerei hat auch Pisek für eine jener heiligen Stätten gegolten, die von dem erwarteten göttlichen Strafgericht verschont bleiben würden[146]. Gleich Pisek war auch das benachbarte Schüttenhofen (Susicz) und das südlicher gelegene Wodnian den Taboriten enge verbündet[147]. Wie sich ferner die Anfänge der radical-husitischen Bewegung an das nachmals in Tabor aufgegangene Austi und [393] die Umgebung von Bechin knüpfen[148], so finden wir auch die unter dem Namen der „Adamiten“ und „Picarden“ verketzerte äusserste Linke der Taboritenpartei in nahen Beziehungen zu den alten Sitzen des Waldenserthums im südlichen Böhmen. Der bedeutendste Vertreter der Taboritischen Extremen, Martin Hauska, stand in enger Verbindung mit Pisek, auf Neuhausischem Gebiete wurde er 1421 gefangen gesetzt, und in der Nähe des Dorfes Wal, zwischen Neuhaus und Wessely hat im gleichen Jahre jene bekannte Niedermetzelung der „Adamiten“ stattgefunden[149]. Es mag in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen werden, dass Pilgram, die Heimath des Taboritenbischofs Nicolaus, und Cheltschic (unweit von Wodnian), die Heimath des geistigen Vaters der Böhmischen Brüderunität, gleichfalls im südwestlichen Böhmen gelegen sind.

Gibt man auf Grund des Vorausgehenden zu, dass dem südböhmischen Waldenserthum neben dem Wiclifismus ein bedeutsamer Antheil an der Herausbildung der Taboritenpartei aus dem Husitismus zukommt – in ähnlicher Weise hat man sich auch in den Kreisen der Brüderunität über den Einfluss des Waldenserthums auf Böhmen ausgesprochen[150] –, so ergibt sich auch hieraus die Unhaltbarkeit der landläufigen Annahme, dass die gesammte [394] Husitische und speciell auch die Taboritische Bewegung von allem Anfang an einen national-Tschechischen und deutschfeindlichen Charakter getragen habe. Unsere früheren Auseinandersetzungen hatten gezeigt, dass die Waldensische Propaganda in Böhmen, Ungarn und Polen allem Anschein nach von Deutschland ausgegangen war, dass wie in den letztgenannten Ländern, so auch in Böhmen es zunächst die germanisirten Bezirke gewesen, in welchen das Waldenserthum Boden gefasst hatte. Auch die heutige Deutsch-Tschechische Sprachgrenze ist nur durch einen geringen Zwischenraum von den Ausgangspunkten der Taboritischen Bewegung, Bechin und Tabor, getrennt, während die Befehdung der „Adamiten“ sich bis in das Deutsche Sprachgebiet hinein ausgedehnt zu haben scheint. Wie wir ferner für das Taboritische Pisek zu Anfang des 15. Jahrhunderts eine gemischt Tschechisch-Deutsche Bevölkerung annehmen dürfen, so ist Saaz, das neben Pilsen und Pisek am frühesten der Taboritischen Bewegung sich anschloss, zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine Stadt von vorwiegend Deutschem Charakter gewesen[151]; trotz der seit 1413 eintretenden Tschechisirung der Stadt muss sich doch das Deutsche Element in derselben auch während der Husitenstürme behauptet haben, da um 1450 die Deutschen Waldenser, namentlich diejenigen in der Mark Brandenburg, in den engsten Beziehungen zu den Saazer Brüdern standen, von diesen Geldunterstützung und Gelegenheit zu ihrer Ausbildung als Reiseprediger erhielten[152]. Auch die Frage, ob die hervorragenden Theologen der Taboriten- und Waisenpartei, Johann Nemec und Peter Nemec von Saaz, ebenso wie der zu den Taboriten stehende Lorenz „der Deutsche“ von Reichenbach nicht Deutscher Nationalität gewesen sind, wird um so weniger vorschnell verneinend beantwortet werden dürfen, als auch sonstige bestimmte Zeugnisse über den Anschluss Deutscher Elemente in Böhmen an den Utraquismus und das Taboritenthum vorliegen[153]. Mag andererseits [395] auch der Antheil des Peter von Dresden an der Einführung des Laienkelches als nicht zureichend bewiesen gelten, so kann doch die Bedeutung der Dresdener Magister und ihrer Deutschen Scholaren für das Emporkommen der radicalen Richtung in Prag um 1417 nicht ernstlich bestritten werden[154]; auch daraus folgt ohne Weiteres, dass die Husitische Bewegung in jener Zeit noch eine überwiegend religiöse gewesen ist, die erst durch Husens Verbrennung und durch die nachfolgenden Glaubenskriege ihren, in den zeitgenössischen Berichten auch fälschlich den Anfängen des Husitismus beigelegten, national-Tschechischen Charakter aufgeprägt erhalten hat. Dass aber auch in der Periode der heftigsten Entzweiung zwischen Böhmen und Deutschland der radicale Husitismus durch eine höchst rührige Propaganda die Verbindung mit den kirchenfeindlichen Elementen in Deutschland, namentlich mit dem Waldenserthum, aufrecht erhalten hat, diese Thatsache glaubte ich bereits an anderer Stelle als ein Zeugniss für den vielfach unterschätzten religiösen Gehalt der Taboritischen Bewegung bezeichnen zu dürfen[155].

So anziehend es erscheint, die Geschichte des Böhmischen Waldenserthums während und inmitten der wildbewegten Zeit der Husitenstürme zu verfolgen, so spärlich sind leider die Anhaltspunkte, die uns hierfür zu Gebote stehen, und die wir meist [396] erst den verdienstvollen Arbeiten Goll’s verdanken; manche neue Aufschlüsse sind wohl noch aus den ungedruckten Böhmischen Quellen, namentlich denen des Brüderarchivs zu Herrnhut zu gewinnen. Unsere vorausgegangenen Erörterungen machten es wahrscheinlich, dass die grosse Menge der Böhmischen Waldenser, vor allem derjenigen im südlichen Böhmen, im Husitismus aufgegangen ist; noch zu Lebzeiten von Hus waren, wie wir oben sahen, die Waldenser als die natürlichen Bundesgenossen des Reformators bezeichnet[156], und Anhänger der Husitischen Richtung, mit Recht oder Unrecht, als Waldenser inquirirt worden[157]; Johann Papausek nennt in seiner Schilderung der Ereignisse von 1419 ff. die Taboriten geradezu Waldenser, und ebenso werden die Husitischen Radicalen von dem Wiener Theologen Thomas Ebendorfer im Jahre 1445 als Böhmische Waldenser bezeichnet[158]. Dass die Verschmelzung der Waldenser mit den Taboriten ohne jeden Conflict vor sich ging, ist schwerlich anzunehmen; namentlich die schwankende Haltung der Taboriten gegenüber der Frage nach der Berechtigung des Krieges, der Todesstrafe und des Eides und gegenüber der Lehre von der Wandlung im Altarsakramente[159] [397] mag manche glaubenstreue Waldenser wieder von den Taboriten abgesprengt und, soweit sie sich nicht als eigene Genossenschaft zusammenschlossen, den als „Picarden“, „Adamiten“, „Nicolaiten“ u. s. w. verfemten sectirerischen „Rotten“ zugeführt haben[160]. Die Annahme, dass die im Jahre 1418 aus der Fremde nach Prag geflüchteten „Picarden“, durch welche angeblich die Leugnung der Transsubstantiation in Böhmen eingebürgert wurde, Waldenser gewesen seien, ist zum mindesten unbewiesen; es liegt viel näher, die Nachricht auf landflüchtige Englische „Lollarden“, unter deren Lehrsätzen jene Leugnung in erster Linie stand, zu beziehen[161]. Eine [398] bedeutsame Stellung sehen wir wieder die Böhmischen Waldenser um 1430 einnehmen; die damals in Freiburg in der Schweiz verfolgten Waldenser, in deren Lehren sich Taboritische Elemente noch kaum erkennen lassen, geben an, ihre Lehrer kämen aus Deutschland und Böhmen[162], und um dieselbe Zeit werden von den Waldensern in der Dauphiné Geldspenden an ihre Glaubensgenossen nach Böhmen gesandt[163]. Wohl unter dem Einfluss der um 1430 über die Deutschen Waldenser hereingebrochenen neuen Verfolgungen ist dann in der nächstfolgenden Zeit jene enge Allianz zwischen dem Deutschen Waldenserthum und den Taboriten zu Stande gekommen, welche für das erstere in der Hauptsache ein Aufgeben des eigenen Bekenntnisses zu Gunsten des Taboritischen bedeutete; wir entnehmen dies sowohl aus den von dem Waldenserbischof Reiser vor der Inquisition zu Strassburg gemachten Geständnissen, als auch aus der Thatsache, dass damals Taboritische Bekenntnissschriften, wie die „Confessio Taboritarum“ vom Jahre 1431 in die Waldensische religiöse Literatur übergegangen und, ohne Zweifel durch Vermittlung der Deutschen Waldenser, ins Provençalische übersetzt worden sind[164]. Die Geschichte der erfolgreichen Propaganda in Deutschland, welche von diesem Taboritisch beeinflussten Waldenserthum ausgegangen ist, haben wir an anderem Orte dargestellt; ihr Niedergang fällt mit der Auflösung der Taboritenpartei zusammen. Wie Procop [399] auf dem Basler Concil 1433 mit Wärme für die Waldenser eingetreten ist, so haben dieselben nach dem Berichte des Aeneas Piccolomini auch noch im Jahre 1451 in Tabor in besonderer Gunst gestanden. Nach dem Falle Tabors im Jahre 1452 wurde das nicht weniger radicale Saaz der Mittelpunkt für das Böhmische Waldenserthum und dessen nach Deutschland fortgesetzte Propaganda[165]. Wir hören aber auch aus dieser Zeit, dass ebenso wie hervorragende Glieder der Taboritenpartei, so auch einzelne Führer der Waldenser den Utraquisten beitraten[166]; Rokyczana, das Haupt der Utraquisten, stand um 1460 offenbar im besten Einvernehmen mit den Böhmischen Waldensern und deren nachmals in Wien verbranntem Bischof Stephan, dessen Verkehr mit den Begründern der Böhmischen Brüderunität er vermittelte[167]. Es ist das Verdienst Goll’s, die Beziehungen zwischen dem Lehrsystem des geistigen Vaters der Unität und dem des Waldenserthums dargelegt zu haben. Die Peter von Cheltschic charakterisirende Neigung zur Weltflucht, die ihn nicht nur das Leben der Reichen, die Schenkhäuser u. dergl. als sündhaft bekämpfen, sondern auch dem Handel und dem gesammten städtischen Leben den Krieg erklären lässt, seine vernichtende Kritik der Kirche und des Staates, von denen sich die wahren Christen auf den unmittelbaren Verkehr mit Gott zurückziehen sollen, seine stete Betonung des absoluten Verbots des Tödtens[168] – alle diese Züge machen im Zusammenhalt mit unseren bisher gemachten Beobachtungen eine tiefgehende Beeinflussung des hochbedeutenden, übrigens gleichzeitig in engem Verhältniss zu Wiclif stehenden Mannes durch Waldensische Ideen nahezu zweifellos. Und auch unter den ersten Mitgliedern der durch ihn inspirirten Brüderunität[169] finden wir wiederum Waldenser. Schon auf der ersten [400] Synode der Brüder waren Deutsche Waldenser, wohl auch aus dem benachbarten Oesterreich, anwesend gewesen, und bei der Wahl der ersten Priester der Unität spielt ein mit anderen seiner Glaubensgenossen den Brüdern beigetretener Waldensermeister eine bemerkenswerthe Rolle. Wir hören ferner, dass der Oesterreichische Waldenserbischof Stephan, ein Jünger Reiser’s, etwa zwischen 1460 und 1465, mit den Brüdern in naher Verbindung stand, den Vorsteher der Unität, Matthias von Kunwald, als Bischof bestätigte und über wünschenswerthe Reformen innerhalb beider religiösen Genossenschaften mit den Brüdern verhandelte; der bei solchen Gelegenheiten erfolgende Gedankenaustausch zwischen den Waldensern und Brüdern liess die Letzteren erkennen, dass die beiderseitigen Lehren „vorzüglich in den gründlichen Dingen“ übereinstimmten[170]. Trotzdem ist der um dieselbe Zeit gemachte Versuch, die Gesammtheit der Böhmischen und Deutschen Waldenser mit der Unität zu einer einzigen Genossenschaft zu verschmelzen, erfolglos geblieben[171]. Erst als durch wiederholte Verfolgungen der Waldenser in Oesterreich und Brandenburg deren Organisation mehr und mehr gelockert worden war, während gleichzeitig die Brüderunität wesentlich an innerer Stärke gewonnen und sich überraschend schnell über Böhmen verbreitet hatte, ist der Anschluss der Reste des Böhmischen Waldenserthums an die Unität erfolgt. Sowohl Oesterreichische, wie Märkische Waldenser, die vor der Inquisition geflüchtet waren, fanden im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts Aufnahme bei [401] den Böhmischen Brüdern, vor allem in deren Deutschen Gemeinden Fulnek und Landskron, an welch’ letzterem Orte fünfzig Jahre früher der Waldenserbischof Reiser als Seelsorger gewirkt hatte. Auch darin zeigten sich die Brüder als die Erben der Böhmischen Waldenser, dass sie sich um 1498 mit der Centralleitung der Waldensischen Secte in der Romagna durch ihre Gesandten in Verbindung setzten und damit eine Reihe von höchst interessanten litterarischen Wechselbeziehungen einleiteten[172]. Auch in Deutschland haben die Böhmischen Brüder, wohl zunächst in Anlehnung an die hier noch vorhandenen Reste des Waldenserthums, bis ins 16. Jahrhundert hinein, für die Verbreitung ihrer Lehren gewirkt[173]; doch sind reichhaltigere Angaben über die Ausdehnung und Erfolge dieser Propaganda, sowie die Aufhellung ihres Zusammenhangs mit den unter dem Namen der Wiedertäuferei zusammengefassten religiösen Bewegungen des 16. Jahrhunderts erst von der Erschliessung neuer Quellenberichte zu erhoffen.




Beilage I.

Inquisitionsurtheil gegen Ungarische Waldenser aus der Umgebung von Oedenburg, erlassen durch die Inquisitoren Petrus und Martinus. 1401 Jan. 9. Oedenburg.

Aus cod. mscr. chart. misc. fol. Nr. 51 (saec. 15) der Würzburger Univ.-Bibliothek.

In nomine domini amen. quoniam nos frater Petrus, provincialis religiosorum fratrum Celestinorum per Alemaniam, et Martinus presbyter et altarista in ecclesia beate Marie virginis ante letam curiam maioris civitatis Pragensis, inquisitores heretice pravitatis a reverendo in Cristo patre ac domino nostro domino Johanne sancte Jauriensis ecclesie episcopo per eius civitatem et diocesim Jauriensem constituti, deputati ac delegati, per nostram inquisicionem diligenter et legitime factam evidenter comperimus et ex vestra confessione spontanea luculenter invenimus vos omnes et singulos utriusque sexus – numerus omnium et singulorum virorum nomina et demerita – subscriptos hereticos et hereticas fuisse, heresiarchis secte Waldensium adhesisse, ipsis vestra peccata confessos et confessas esse, bonos homines et apostolorum [402] vicarios Cristi, non tamen consecratos presbyteros ipsos reputasse et asseruisse, beatam virginem et alios in patria celesti sanctos non honorasse, eorum preces, merita et auxilia non invocasse, purgatorium post hanc vitam et suffragia ecclesie pro defunctis non credidisse et in quam pluribus aliis articulis erroneis et hereticis per sanctam Romanam ecclesiam reprobatis et condempnatis consensisse; quamquam a vestris plebanis et aliis predicatoribus orthodoxis in vestris parochiis contrarium vestrorum perversorum dogmatum luce clarius audiveritis predicari, vos tamen in grave dispendium et animarum vestrarum periculum vestrorum heresiarcharum hospicia scienter intrastis aut in vestra domicilia suscepistis et in vestris erroribus usque ad ista tempora perstitistis et multipliciter divisim et coniunctim, prout vobis hic in vulgari manifeste pronunciabitur, ymmo pronunciatum est, temere deliquistis. nunc vero saniori perusi consilio vultis ut asseritis ad unionem sancte Romane ecclesie katholice de corde puro et fide non ficta redire: ideo vos, imprimis abiuratis omnibus articulis secte Waldensis predicte et omnimoda[TK 1] sectariorum communicacione et alia qualibet heretica pravitate secundum formam ecclesie prius coram nobis iudicialiter et iam in facie ecclesie, de sentenciis excommunicacionum, quibus astricti tenebamini, absolvimus[174] – – – sed quia in deum et sanctam ecclesiam katholicam et Romanam predictis modis peccastis et frivole excessistis, ideo [vos] ad peragendam condignam penitenciam cruce, prout moris est, glauca, quod illam vestris impressam frontibus Cristi rubicundam, coloratam, tinctam, perfusam et rubicatam sanguine decolorastis et deformastis, ante et retro in vestro exteriori vestitu per nos in civitate sive opido Sopronio Jaurensis diocesis signari volumus [et] quemlibet vestrum utriusque sexus tenore presencium signamus et vos ibidem per tres dies 30 a datis presencium continuos infrascriptas ecclesias scilicet Michaelis archangeli parochialem, sancte Marie virginis extra muros infra missarum sollemnia solos[TK 2] in unum congregatos publice visitare et in quarumlibet medio flexis genibus in 15 oracionibus dominicis et totidem salutacionibus angelicis et tribus symbolis maxime cum advertencia illorum articulorum: sanctam ecclesiam katholicam et sanctorum communionem, in quibus oberrastis, et tribus simpliciter oracionibus dominicis et totidem ave Maria pro defunctis fidelibus, deum dominum sanctamque Mariam virginem et omnes sanctos vobis propicium et propicia vobis facere et propicios precipimus ac mandamus; ac deinde, quocunque terrarum vos diverti et in publicum exire contigerit, [403] ipsam crucem vos publice volumus baiolare. dicimus eciam quod per nostram presentem sentenciam decernimus vos predictos omnes et singulos, qui in vestris relacionibus ac deposicionibus periuria commisistis et in actis coram nobis habitis de hoc notati estis ac qui heresiarchas in domos vestras quomodolibet intromisistis, quicunque in horum aliquo aut in omnibus deliquistis, hic penitencialiter coram nobis et fidelium congregacione vestram culpam super premissis expressis et publice dicere debeatis. item dicimus et summaliter pronunciamus, quod omnes domus[TK 3], in quibus heresiarche[TK 4] scilicet hospicia sunt aut quolibet[TK 5] per hereticos aut hereticas intromissi a Cristi fidelibus maledicti habebantur et ubi Cristi fidelium communitati magnum ex hoc incommodum provenerit, funditus diruantur et in posterum [n]ullatenus reedificarentur, ut ibi sit perpetuo receptaculum sordium, ubi prius fuit aliquod latibulum hereticorum. [preterea] dicimus et summaliter pronunciamus, quod omnia cimiteria, in quibus evidenter constat maledicta hereticorum et hereticarum corpora fore tumulata, per ecclesiasticos episcopos reconsecrentur et infra hinc et festum purificacionis beate virginis in omnibus locis, in quibus ex actis nostris probari et ostendi poterit hereticum aliquem aut aliquam sepulturam habuisse, reconcilientur et ossa ipsorum, si discerni poterint, in signum eterne dampnacionis et adustionis iudicialiter comburantur. specialiter invenimus primo de Gunsa te Annam relictam Jakob Beratunsgot de Gunsa ex katholicis natam parentibus et per maritum tuum in sectam inductam et in ea annis duodecim permansisse; ideo penitebis in cruce annos duos. item alia pro 26 et 12 annis hospita hereticorum penitebit tribus annis in cruce. item qui per annum unum erravit, penitebit mensem. – (et sunt multa nomina ibi posita.)[175] – – – lecta et lata est hec sentencia anno domini 1401, nona indiccione, die nona mensis Januarii, mane hora terciarum, que fuit dies dominicus infra octavam epiphanie, in ecclesia parochiali Supronii Jauriensis diocesis per dominum Petrum, provincialem religiosorum fratrum ordinis Celestinorum per Alemaniam, inquisitorem hereticorum per provinciam Strigoniensem et specialiter Jauriensem diocesim, presentibus Paulo plebano, Lenhardo predicatore et Laurencio Nicolao vicariis sociis et permultis aliis presbyteris, clericis et laicis et hominibus utriusque sexus ad premissa ut ad spectaculum concurrentibus et conspicientibus.

[404]
Beilage II.

Actenstücke aus dem Archive der Inquisitoren Petrus Zwicker und Martin von Prag, betreffend Oesterreichische und Steiermärkische Waldenser.

Dem Abdruck der folgenden Actenstücke liegt zu Grunde die Handschrift der Würzburger Universitätsbibliothek, M. ch. m. fol. 51 (saec. 15. 2°), die wir als A bezeichnen. Verglichen sind für Nr. 1 und 2 die Münchener Hss. des 15. Jahrh. CLM. 22 373 in 4° (C) und CLM. 5338 in 4° (B). Nr. 3 ist nur in A erhalten. Eine Anzahl rein formelhafter Stellen der Urtheile sind der Raumersparniss halber ausgelassen; über deren Inhalt vgl. die Anmerkungen.


Nr. 1.

In nomine domini amen. quoniam nos frater Petrus, provincialis religiosorum fratrum ordinis Celestinorum a venerabili patre fratre Nicolao de Aversa, abbate principalis monasterii sancti spiritus prope Sulmonam[TK 6] Valvensis diocesis necnon tocius religionis prefate per eius provinciam Alemanie deputatus et inquisitor pravitatis heretice per diocesim Pataviensem a reverendo in Cristo patre ac domino nostro domino Georgio per eius civitatem et diocesim predictam constitutus, per inquisicionem nostram diligentem et legitime factam, quam in absencia nostra in favorem orthodoxe fidei honorabili viro ac religioso ordinis santi Benedicti domino Friderico plebano in Styra commisimus, evidenter comperimus et ex vestra libera et spontanea confessione facta luce clarius invenimus te Els relictam Chunradi[TK 7] Fewr in Tampach plebis in Garsten natam in secta, habentem in ea 60 annos et per dominum Henricum de Olmüntz pie memorie inquisitorem absolutam; et postea quasi canis ad vomitum rediens relabi non formidasti et usque in diem tue examinacionis sectam tuam turpiter et mendose credidisti: ideo per totum tempus vite tue penitebis in cruce et ad maiorem tue conversionis consequendam graciam septem dominicis diebus immediate in parochia tua in Garsten ante presbyterum debes ecclesiam circuire et per eum virgis fortiter cedi et cum ecclesiam post circuitum reintrare volueris, debes sub ianua per transversum te prosternere, ubi ab intrantibus et exeuntibus poteris conculcari, quousque presbyter surgere te mandabit. Te Diethrich Wagner zu Grigkelarn[TK 8] plebis Weistra[TK 9], ex matre natum in secta[TK 10], annos 32 in ea habuisti, ideo penitebis octo annis in cruce, semel tamen in parochia tua ante plebanum tuum ecclesiam circuibis, in [405] dextra manu virgam et sinistra candelam accensam. te Salmen de Swammarn[TK 11] plebis Garsten, natum in secta, decem annos in eo habuisti; ideo penitebis duobus annis in cruce. te Geysel[TK 12] relictam Ulrici am Rabenpüchel, nunc im Lueg [Wes?][TK 13] plebis sancti Michaelis[TK 14], natam in secta habentem in ea 40 annos et per dominum Henricum predictum de Olmüntz absolutam et postea turpiter recidivando relapsam et usque in diem tui moderni examinis in secta perstitisti; ideo 20 annis penitebis in cruce et semel una die dominica circuibis ecclesiam per plebanum tuum virgis cesura. te Henricum zum Dörfflein[TK 15] plebis in Wolfarn[TK 16], natum in secta, 30 annos in ea habuisti; ideo penitebis in cruce annis sex et unam ad sanctum Petrum peregrinacionem Romam infra annum faciendam; vos inquam omnes et singulos utriusque sexus Pataviensis diocesis predicte hereticos et hereticas fuisse, heresiarchis scienter adhesisse, eos hospitasse vel hospicia intrasse et in quam pluribus articulis erroneis per sanctam Romanam ecclesiam reprobatis et condemnatis usque in hodiernum diem miserabiliter et pertinaciter perstitisse. nunc vero saniori usi consilio vultis ad unitatem sancte matris ecclesie katholice et Romane corde bono et fide non ficta ut asseritis redire[176]. – – – sed quia in deum et sanctam Romanam ecclesiam predictis modis temere deliquistis, vos [ad][TK 17] peragendam condignam penitenciam cruce prout moris est glauca ante et retro, quocunque locorum divertimini, signari volumus[177].


Nr. 2.

In nomine domini amen. quoniam nos frater Petrus[178], per inquisicionem nostram diligentem et legitime factam, quam in absencia nostra in favorem orthodoxe fidei honorabili viro ac religioso ordinis sancti Benedicti domino Friderico plebano in Styra commisimus, evidenter comperimus et ex vestra libera et spontanea confessione facta luce clarius invenimus, quod tu Kunegundis Friderici in der Aw et quondam Chunradi de Zell superioris inquilina plebis Garsten, licet dudum anno domini 1395 ex certa nostra sciencia sectam hereticorum Waldensium cum omnibus punctis et articulis et omnimoda sectariorum et sectariarum communione participacione ac alia quavis conversacione iudicialiter et legitime [406] sollempniterque coram nobis et testibus sufficientibus et idoneis publice abiuraveris et ad penam relapsorum expresse te, si unquam de cetero non katholice sed heretice vivere sentire aut asserere reperta fueris, obligasti, cruce per nos glauca publice punita fuisti, sicut hec in actis nostris evidencius continentur, illis tamen non obstantibus, cum nuper anno domini 1398 die 14 mensis Januarii per plebanum tuum legitime citata coram nobis comparueris et diligenti nostro examine interrogata, si de dicenda veritate iuramentum secundum quod iuris est prestare velis, tu quidem iurasti et per idem iuramentum a nobis inquisitorie iurata et interrogata, si post per nos receptam, quam, ut premittitur, merueris, salutarem penitenciam credideris, quod sancti in celis existentes nobis positis in terris suis valeant precibus suffragari, tu, licet varie et multiformiter velando tuam occultares hereticam pravitatem, tandem nobis sollicite continuantibus, ut tenemur, respondisti, quod usque in iam dicti tui examinis diem 14 mensis Januarii prenotati presentis anni firmiter credideris, quod sancti, ut premissum est, existentes in celis suis precibus nobis constitutis in terris possint seu valeant nullatenus auxiliari, sed solus deus, et, qui serviet deo, et sanctis eius serviet. item interrogata, si credideris esse purgatorium post vitam temporalem presentem, respondisti, quod non eciam hucusque. item interrogavimus sicut prius de indulgenciis ecclesiasticis: respondisti, quod non credideris eas quoquomodo valere, [pro] eis ut dictum est penitencia iam dudum recepta usque in ipsam 14 diem mensis Januarii sepe dictum. item fassa es, quod coram complicibus tuis dixeris, ymmo firmiter credideris, quod nos inquisitor prefatus graviter et temere peccaverimus, Henricum Rabenmair, Fridericum Fabrum auff der Steinwandt, Petrum Soller[TK 18], Ortlinum Mayr zu Nidern Wolffarn, Agnetem uxorem eius Gerdrudem et Gred im Winkel[TK 19], inquilinas dicti Ortlini, hereticos et hereticas relapsos et relapsas nuper brachio et iudicio curie secularis suis exigentibus demeritis legitime et iudicialiter relinquendo, non obstantibus, quod prius sectam Waldensium sicut in actis nostris continetur iudicialiter ad iuramentum[TK 20], verum eciam postmodum turpiter relabendo quam plures ipsius Waldensium secte punctos et articulos cordialiter retinentes ut prius attemptaverunt ipsam sectam credere et tenere. ex quibus omnibus et singulis es merito heretica periura, ficte conversa et in abiuratam heresim relapsa reputanda, dicenda et iudicanda.

Es folgt die Anklage und der Bericht über das Verhör des Gundel aus Holzapfelberg in der Pfarrei Weistrach und der Dyemuet, inquilina Mathel zu Hausleithen plebis Sirnick, welche während der Drucklegung unserer Arbeit durch J. v. Döllinger (Beiträge zur mittelalterlichen [407] Sectengeschichte II, 348 ff.) bekannt gemacht worden sind[179]. Alsdann fährt das Inquisitionsurteil folgendermassen fort:

Item eadem nostra inquisicione comperimus, quod tu Els relicta Chunradi[TK 21] Fewr in Tampach[TK 22] plebis in Garsten[TK 23], licet dudum anno domini 1391[TK 24] die 4 mensis Maji coram domino Friderico modo predicto commissario sectam hereticorum Waldensium cum omnibus et singulis punctis et articulis iudicialiter et legitime sollempniterque sub pena relapsorum abiuraveris, cruce glauca per predictum nostrum commissarium penitenciata fueris, illis tamen non obstantibus, cum nuper anno domini 1398, 24 die mensis Januarii ex nostra ordinacione tamquam de relapsu suspecta captivata fuisti et ad examen producta et per nos interrogata, si de dicenda veritate velis iurare, respondisti, quod sic; et per iuramentum tuum, quod feceras, per nos interrogata dixisti, quod hesterna die videlicet 23 mensis predicti non credidisti fore purgatorium post hanc vitam sed temptaciones et passiones corporis adhuc viventis essent purgatorium. item fassa es, quod usque in eundem diem omne iuramentum credideris fore peccatum. item recognovisti, quod nuper per plebanum tuum presentem visitata et interrogata, an velis iurare te morituram in fide katholica et cristiana, quam nos katholici tenemus, dixeris, quod non velis, ymmo te penitere, quod prius iurasses et abiurasses. item in eodem examine recognosti, quod iterum per plebanum tuum interrogata, si vigiliam omnium sanctorum anni immediate preteriti ieiunaveris in honorem sanctorum dixisti quod ieiunasses in honorem solius dei et non sanctorum, ymmo quod ipsum tuum plebanum interrogaveris, utrum dominus esset potencior servo suo, volens innuere per hoc, quod sancti non sint invocandi. ex quibus omnibus et singulis es merito heretica periura, ficte conversa et in heresim in iudicio abiuratam [408] relapsa reputanda, dicanda et iudicanda[180]. et ideo vos Gundel et Els tamquam relapsum hereticum et hereticam, te Kunegund et Dyemuet tamquam hereticam relapsam impenitentem et relapsum, cum ecclesia non habeat ultra quid faciat, relinquimus brachio et iudicio curie secularis, eandem affectuose rogantes, prout suadent canonice sancciones, ut vobis vitam et membra citra mortis articulum illibata conservet, salvo et reservato nobis et retento, ut, si vere penitueritis et penitencie signa in vobis apparuerint manifeste et vobis humiliter petentibus, sacramenta penitencie et eukaristie ministrentur etc.[181]


Nr. 3.

In nomine domini amen. quoniam nos frater Petrus, provincialis religiosorum fratrum ordinis Celestinorum per Alemaniam, et Martinus, presbyter et altarista in ecclesia beate Marie virginis ante letam curiam maioris civitatis Pragensis, inquisitores heretice pravitatis a reverendissimo in Christo patre [ac][182] domino nostro domino Gregorio sancte Saltzburgensis ecclesie archiepiscopo et apostolice sedis legato [per ejus civitatem et diocesim constituti, deputati et delegati], per nostram inquisicionem diligenter et legitime factam evidenter comperimus et ex vestra confessione spontanea et voluntaria luculenter invenimus, quod quevis tu Wendel relicta Jacob Richter de Nider-Ror plebis in Hartperg nuper hoc anno, qui est domini nostri Jesu Cristi millesimus quadringentesimus primus die ultima mensis Januarii sectam hereticorum Waldensium, in qua coram nobis rea fueris reperta et profunda in secta nata et quinquaginta in ea annos habens et hereditatis ex tue maledicte matris et in secta defuncte testamento sex solidos denariorum persolvens, cum omnimoda sectariorum et sectariarum favore et communicacione iudicialiter coram nobis notario publico et ydoneis testibus abiuraveris, tu tamen cum decima die mensis Februarii hora nonarum de carcere ducta, in quem propter suspicionem [re]lapsus missa fueras, coram nobis examinata fuisses, [reperta es] quatuor tuos pueros carnales et uterinos, scilicet Andream et Petrum filios, Annam et Margaretham filias [contra] hoc iuramentum tuum penitus occultasse et, cum nos per diligentem inquisicionem nostram et ex aliorum complicium secte didicissemus relacione predictos tuos filios fuisse sectarios et ipsos adiurassemus die sexta super dicenda veritate mensis Februarii, ex tua induccione pessima [409] reperimus contra eorum iuramenta prestita fallaces et periuros; et hoc ipsum, scilicet quod eos induxeris ad negandum, coram nobis die decima mensis Februarii predicta ex ore tuo fassa es et hoc ideo feceras, quia post abiuracionem tuam coram nobis iudicialiter et legitime factam adhuc credidisti sectam per te abiuratam fore fide katholica meliorem, quapropter merito culpis tuis exigentibus iudicanda es [in] abiuratam iudicialiter heresim relapsa.

Item reperimus, quod quevis tu Els Porsteyner soror Wendel predicte etiam de Nider-Ror hoc anno domini 1401 die 26 mensis Januarii sectam Waldensium hereticorum, in qua coram nobis rea reperta fueris et in secta 30 annos habens, cum omnimoda sectariorum et sectariarum favore et communicacione iudicialiter coram nobis notario [publico] et ydoneis testibus iudicialiter abiuraveris, tu tamen 11 die mensis [Februarii] de carcere producta, in quem propter suspicionem relapsus missa fueras, coram nobis examinata fuisses, reperta es predicta quatuor tue sororis filios et filias Andream, Petrum, Annam et Margaretham, ymmo proprium carnalem Hernicum dictum Jungit [?] Perfler non solum contra iuramentum tuum occultasse, ymmo quidem gravius peccans per iuramentum ipsum certitudinaliter de secta non fore asseruisse, et tamen [cum] nos per diligentem inquisicionem nostram et ex aliorum complicium relacione didicissemus predictos tuos [et] tue sororis filios fore sectarios et hereticos et ipsos[TK 25] super dicenda veritate die 6 mensis Februarii adiurassemus, reperimus eos ex tua induccione pessima contra iuramenta eorum prestita fallaces et periuros; et hoc ipsum, scilicet quod eos induxeris ad negandum, tu coram nobis die 11 mensis Februarii ex ore tuo fassa es et hoc ideo feceras, quia post abiuracionem tuam coram nobis iudiaciliter et legitime [factam] adhuc credidisti sectam per te abiuratam fore fide katholica meliorem. quapropter[TK 26] culpis tuis exigentibus iudicanda es in abiuratam iudicialiter heresim relapsa.

Item invenimus et reperimus, quod quevis tu Peters uxor Friderici[TK 27] Reat de Stangendorff hoc anno presenti, scilicet anno domini 1401 die 24 mensis Januarii coram nobis dicende[TK 28] veritatis iuramentum prestiteris, tu tamen primo verbo reperta es mendax et periura, eo quod nomen tuum Peters in baptismo tibi impositum in aliud, scilicet Els mutasti et quandam famulam tuam Endel, nunc uxorem Nickel Ausenperig, induxeris similiter in imitandum. nam cum notissimum fuerit eam vocari Endel, ipsa ad induccionem tuam se Margaretham fallaciter et mendaciter nominavit, et hoc ideo fecisti, quod si postea fides tibi katholica non placeret, tu velles racione mutati nominis ad tuam sectam, quam ipsa fide katholica et orthodoxa [410] credideris meliorem, [redire]; et ipsum ex ore tuo pluries et coram pluribus post predicacionem nostram expressive fassa es non nacta, sic dicens: si illam predicacionem non audivissem, nunquam facta fuissem cristiana, nunquam me convertissem. ex quibus verbis liquido et luce clarius est, quod abiuracio tua et conversio tua, quam nos veram reputavimus, fallax fuit penitus et dolosa; nam si permittente deo ante istam predicacionem mortui fuissemus, tunc non obstante iuramento permansisses heretica totaliter sicut prius. item ex relacione tua clarissime patet tuum periurium, quia dixisti: in estate proxima preterita decem elapsi sunt anni, quod ultimo heresiarchis confessa [sum?], et postea ex ore tuo coram nobis fassa es, quod nuper in estate proxima tempore cerasorum ipsis sis confessa et hoc quidem sic evenit: quoniam nuper anno domini presenti die 26 mensis Januarii maritus tuus Dietell der Rote coram nobis per iuramentum suum de dicenda veritate prestitum dixerat, quod ultimo ante sex ebdomadas heresiarchis confessus fuerit una tecum in domo propria, et tu cum illud comperisses, more vulpis antique et fraudulente invenisti tibi in temporibus mendax medium dicens, ut premissum est, quod proximo tempore cerasorum eis ultimo sis confessa, et tu tamquam tigris furiosa maritum tuum increpacionibus et malediccionibus tam coram nobis quam alias publice adeo turpiter confudisti, quod suam fassionem, cui[TK 29] merito plus, quam tibi perpetuo mendaci fidem adhibuimus, non sine sua maxima confusione, ut evidenter timemus, mendaciter retractavit. ymmo quod peyus et per omnia dampnabilius est: cum nuper de anno presenti Dietlinum am Lehen tamquam suspectum de heresi citassemus et ipse forsitan coram nobis comparuisset, tu diabolico permotu instincta primo in cimiterio Gravendorff dixisti, quod nequaquam comparere debeat, ne captivetur. secundo in domo soceri sui Lewpoldi am Erlach eadem verba, scilicet, quod nequaquam comparere nec fateri debeat, coram Leupoldo predicto et ipso Dietlino[TK 30] Lehner protulisti. tercio iterum ad eandem domum veniens coram ipso Lewpoldo et filio Henrico eadem verba dixisti, ymmo per eundem Henricum filium Lewpoldi predicti ad ipsum Dietlinum prefatum legacionem misisti, quod nequaquam comparere debeat nec veritatem fateri, racione quarum tuarum diabolicarum et mendacium admonicionum predictus Dietlinus adeo factus fuit induratus et plurima periuria et contra suum iuramentum commisit mendacia. cum vero nos te super premissis verbis per tuum iuramentum interrogassemus, tu posuisti te ad partem omnimode negacionis. nos vero tuis prioribus mendaciis et periuriis vexati predictum [411] Dietlinum[TK 31] et Lewpoldum una cum filio eiusdem adiuravimus et per eorum iuramenta in substancia facti concordancia reperimus, quod omnia contra te, ut premissum est, narrata claram et lucidam contineant veritatem. nos post omnia, que dicta sunt, volentes adhuc maiorem premissorum habere certitudinem, eosdem, scilicet Dietlinum et Lewpoldum eiusdemque filium Heinrich coram legalibus et circumspectis viris iudici et civibus notis quasi viginti vel circa in Hartperig adiuravimus, per districtum dei iudicium et per ipsorum iuramenta admonuimus, ne tibi quomodolibet in premissis iniuriam facerent aliqualiter. ipsi taliter admoniti, taliter adiurati constanter et unanimiter in substancia facti concordantes dixerunt, quod omnia premissa fecisses et sis locuta. ex quibus omnibus clare patet, quod quia talia post[TK 32] tuam abiuracionem legitime et iudicialiter coram nobis factam egeris et dixeris, iudicanda sis merito et reputanda relapsa. nomina vero dominorum civium, coram quibus examinaciones predictorum trium facte sunt, sunt ista: N et N et quam plures alii de consilio et qualitate fide digni. quia igitur Wendel, Els, Peters predicte tam graviter, tam multipliciter in crimine heresis, primo in ipsum crimen relabendo et postmodum in ipsum crimen heresis per vos predictas[TK 33] iudicialiter abiuratum sicut canis ad vomitum [rediens] miserabiliter relabendo, diversimode deliquistis[183] – – – ideo vos tamquam hereticas relapsas et inpenitentes, cum ecclesia non habeat ultra quid faciat, relinquimus brachio et iudicio curie secularis, eandem affectuose rogantes, prout suadent canonice sancciones, ut[TK 34] vobis vitam et membra citra[TK 35] mortis periculum illibata conservet, salvo[TK 36] ac reservato nobis et retento, si vere penitueritis et penitencie signa in vobis apparuerint[TK 37] manifesta et vobis humiliter petentibus, sacramenta penitencie et eukaristie ministrentur. lecta et lata est hec sentencia per dominum Petrum inquisitorem virum sanctum in Hartperg die 27 mensis Februarii ut supra [hora] terciarum et presentibus eisdem[TK 38] etc.



Textkritische Anmerkungen

  1. Hs. omnino de.
  2. Hs. solis.
  3. Hs. domos.
  4. zu lesen: heresiarcharum?
  5. Hs. proT quolibet.
  6. Sulmanam in allen 3 Hss.
  7. C. Conradi.
  8. B: Grikelarn. C: Grickelarn.
  9. A: Wisera.
  10. zu ergänzen: invenimus
  11. B: Swammaren.
  12. A: Gaysil. C: Geissel.
  13. A: Wes. B: Lueg. C: Lůg.
  14. B fügt bei: filialis ecclesie monasterii Sayttensteten.
  15. A: Dorflein. C: Henricum Dorflein.
  16. B: Wolffarn.
  17. ad fehlt in allen 3 Hss.
  18. A: Stiller.
  19. B u. C: Winchel.
  20. abiurantes?
  21. C: Conradi.
  22. B: Tanpach. C: Tannpach.
  23. B: Gersten. C: Gärsten.
  24. A: 1390. C: 1398.
  25. Hs. ipsam.
  26. Hs. contrapropter.
  27. Wohl zu lesen: Dieterici.
  28. Hs. dicemus.
  29. Hs. tui.
  30. Hs. ipse Dieltinus.
  31. Hs. propter dictus Dietlinus.
  32. Hs. per.
  33. Ha. previctus.
  34. Hs. et.
  35. Hs. cara.
  36. Hs. salus.
  37. Hs. sumere.
  38. Hs. uts et tercia an et pntis eisdem.

Anmerkungen

  1. Vgl. Jahrgang I Heft 2 S. 285 ff.
  2. Geschin’s Ausgabe der Majestas Carolina (1617) S. 3 f. Rubr. 3–5.
  3. Cancellaria Arnesti (Arch. f. Oest. Gesch. 61 S. 550 f.) Eine ungedruckte Bulle (Clemens’ VI.?) „Cum secundum ewangelicam veritatem“, ohne Aussteller und Datum, welche die Uebereignung der Güter aufgespürter Ketzer an den Erzbischof von Prag verfügt, enthält das von Wattenbach beschriebene „Handbuch eines Inquisitors in der Kirchenbibliothek St. Nicolai in Greifswald“. (Abhandlungen der kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom Jahre 1888 S. 13.)
  4. Frind, Kirchengeschichte Böhmens II, 108. Mir ist nur der Druck des Edicts bei Goldast, Collect. varior. consilior. – – – in Hungaria, Bohemia etc. II (1719) Sp. 259 ff. zugänglich.
  5. Vgl. über die äusseren Vorgänge namentlich R. Wilmans, Zur Geschichte der Röm. Inquisition in Deutschland in Sybel’s Histor. Zeitschrift 41 (N. F. 5) S. 193 ff., und Friedjung, Kaiser Karl IV. S. 194 ff.
  6. Vgl. meine Bemerkungen in der Zeitschrift für Kirchengeschichte VII S. 533 ff.
  7. Vgl. Wilmans S. 203 über einen Waldenserprocess zu Paderborn vom Jahre 1368. Ueber Thüringische Geisslerverfolgungen um 1369 vgl. Förstemann, Die christl. Geislergesellschaften S. 161 f., meine Mittheilungen in der Zeitschr. f. Kirchengeschichte 9, 118 und Machatschek, Neues Lausitz. Magazin 54, 154 f.
  8. Als ein besonders charakteristisches Beispiel der genannten Begriffsvermengung sei das 1524 verfasste Sammelwerk des Franciscaners Joannes Aquensis über die Böhmischen Häresien des 14. und 15. Jahrhunderts, „Locustarium de sectis et diversitate atque multiplicatione Begardorum in terra Bohemiae“ betitelt, angeführt. Nach den von Dudik (Iter Romanum I, 279 ff.) mitgetheilten Auszügen werden hier Waldenser, Adamiten, Taboriten, Böhmische Brüder, Geissler unter der gemeinsamen Bezeichnung „Begarden“ zusammengefasst.
  9. Höfler, Concilia Pragensia S. 15.
  10. In den Kreisen der Böhmischen Brüderunität am Ende des 15. Jahrhunderts hat man in Mathias von Janow einen Schüler der Waldenser gesehen. Goll, Quellen und Untersuchungen zur Gesch. der Böhm. Brüder I, 30.
  11. Vgl. darüber namentlich die Darstellung von Loserth (Hus und Wiclif S. 41 ff.), welche die früheren Auffassungen vielfach berichtigt.
  12. Benesch v. Weitmühl, Scriptor. rer. Bohem. II, 401 f.: eodem anno (1369) in festo ostensionis reliquiarum, tantus fuit concursus hominum de alienis partibus, ut illa placza magna in nova civitate prope Zderazium videretur undique repleta hominibus. Talem populum in unum congregatum nullus unquam vidit hominum, ut communiter referebatur ab omnibus – – – eodem anno octo diebus ante festum assumptionis b. virginis, et in ipso festo, iam expirante anno gratiae seu indulgentiarum, tantus fuit concursus hominum ad ecclesiam Pragensem, qualem nulla meminit aetas.
  13. Höfler, Concilia Pragensia S. XLIX; 37–39. Jacobus hatte auch seine schroffe Bekämpfung der Lehre von der unbefleckten Empfängniss Maria’s zurückzunehmen.
  14. Höfler a. a. O. Einen Parteigänger des Milicz, den Mährischen Geistlichen Nicolaus von Tičin, welcher sich recht respectwidrig über die Amtsübung der Bischöfe und Prälaten ausgesprochen hatte, und im Verein mit drei Genossen auch gegen die Bettelmönche gepredigt zu haben scheint, entfernte der erzbischöfliche Vicar Johannes im Juli 1374 aus der Prager Diöcese. (Codex dipl. Morav. X, 239.)
  15. Vgl. Döllinger, Beiträge zur Sectengesch. des Mittelalters II, 352.
  16. Frind, Kirchengeschichte Böhmens II, 106. III, 25; 27; Palacky, Documenta Mag. Jo. Hus vitam illustr. S. 239. 242 f. 266 ff. 542. 342. 421. 427. 716; Pelzel, Lebensgesch. des K. Wenceslaus I, Urkundenbuch S. 63. Vgl. unten.
  17. Vgl. die Mittheilung Wattenbach’s im Anzeiger für Kunde der Deutschen Vorzeit. N. F. 30 (1883) Sp. 80. Auch in einer Formel des „Collectionarius“ des Johann von Geylnhausen (J. W. Hoffmann, Sammlung ungedruckter Nachrichten, Documente und Urkunden II (1737) S. 13), welche der vorhablichen Reise Klenkok’s zum Generalconcil der Augustiner in Florenz Erwähnung thut, wird er als Inquisitor bezeichnet. Nach Höhn, Chronologia provinciae Rheno-Suevicae ordinis ff. eremitarum s. p. Augustini (1747) S. 63 hat jenes Generalconcil im Jahre 1371 stattgefunden.
  18. Vgl. unten.
  19. Vgl. den Aufsatz von G. Wolny im Archiv für Kunde Oesterr. Geschichtsquellen 8, 177 ff., und Tadra, Cancellaria Johannis Noviforensis ebenda 68, 3 ff.
  20. Tadra, S. 46. 118. Einen fremden Lehrer, der an versteckten Orten jungen Leuten, „nicht ohne schweren Verdacht“ im Schreiben und Lesen Unterricht ertheilte, lässt der Bischof entfernen; auf weiteren Verkehr mit ihm wird die Strafe der Excommunication gesetzt. Ebenda S. 141. Im Jahre 1381 wurden die Olmützer Dominicaner von Papst Urban VI. zur Rechenschaft gezogen, weil sie während des über die Stadt Olmütz verhängten Interdictes Messe gelesen hatten. (Codex dipl. et epist. Moraviae XI, 213.)
  21. Loserth, Beiträge zur Geschichte der Husitischen Bewegung. I: Der Codex epistolaris des Erzbischofs von Prag Johann von Jenzenstein, im Archiv für Oesterr. Geschichte 55, 267 ff.; 368: Baldensium heresiarcharum superseminata zizania adeo crevit, ut jam difficultas sit extirpare tanta mala et magnus timor evellendi eosdem.
  22. Höfler S. 26: dolenter referimus, quod in diocesibus supradictis, prout certa relatione percepimus, insunt haereses multum pestiferae et signanter secta Sarraboytarum et illorum rusticorum Waldensium damnatorum, et quia domini episcopi – – – in huiusmodi negotio sanctae fidei sunt negligentes plurimum atque tardi, parcentes fortassis expensis et inquisitorem haereticae pravitatis non habentes etc. Sarabaiten hiessen die zuchtlos vagabondirenden und bettelnden Mönche (Lea, History of the inquisition I, 37). Dass die Klagen des Erzbischofs zum Theil übertrieben waren, zeigen die unten folgenden Mittheilungen über die gleichzeitige Thätigkeit der Inquisition in den Diöcesen Regensburg und Bamberg.
  23. Goll Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der Böhmischen Brüder II, 37, Anm. 2 (Abschwörungsformel in der Hs. der Prager Universitätsbibliothek XIII E 7). In der Verhörformel in Bibl. max. Lugd. XXV, 309 F heisst es: fuisti Romae, Aquisgrani, Pragae ad ostensionem reliquiarum? In der oben genannten Prager Hs. lautet diese Frage, zufolge einer gütigen Mittheilung von J. Goll: fuisti Romae, fuisti Pragae i. o. r? Vgl. meine Mittheilungen über ein mit dieser Prager Hs. nahe verwandte Hs. der Pfarrbibliothek zu Michelstadt im Odenwald, die gleichfalls die Böhmische Abschwörungsformel enthält, in Zeitschrift f. Kirchengesch. X, 2 (1888), S. 329.
  24. Pelzel, Lebensgeschichte des Königs Wenceslaus. I, Urkundenb. S. 63 f. Ueber die verfolgten Ketzer heisst es nur ganz allgemein: sanctum inquisitionis heretice pravitatis negotium tanto desideramus ardentius promovere, quanto per emulos fidei catholice nomen domini nostri Jesu Christi – – – eiusque sacratissime genitricis constat, quantum in ipsis est, crudelius blasphemari.
  25. Die bischöfliche Verordnung ist abgedruckt bei Friedjung, Kaiser Karl IV., S. 328 und durch Loserth, Beiträge zur Gesch. der Husitischen Bewegung. I, Archiv für Oesterreichische Gesch. 55, 378 vielfach verbessert. Dass es sich nicht um die Verfolgung wirklicher Begharden und Beginen, oder wenigstens nicht ausschliesslich um eine solche handelte, geht daraus hervor, dass die Beginen, deren Convente weitaus zahlreicher waren, als die der Begharden, überhaupt nicht in dem Edicte erwähnt, und dass „Beghardia“ und „Hyppocrisis“ als gleichbedeutende Begriffe gebraucht werden. Würde die Verfolgung nur gegen wirkliche Beginen und Begharden gerichtet gewesen sein, so lässt sich nicht denken, dass der Erzbischof, wie es von seiner Seite geschah, ein so grosses Gewicht auf die Zeugenaussagen legte, welche die Anklage auf „Beghardia“ begründen sollten; die Zugehörigkeit zu einem Beginen- oder Begharden-Convente rücksichtlich eines Angehörigen derselben darzuthun, dazu bedurfte es doch im Durchschnitt keines umständlichen Beweisverfahrens. Ueber die vagirenden Begharden und Beginen vgl. meine Erörterungen in der Zeitschrift für Kirchengesch. VII, S. 533 ff.
  26. Bibl. max. patr. Lugd. XXV, 281 E. Als Petrus zu Anfang des Jahres 1393 in der Mark als Inquisitor erschien, war er auch mit Vollmachten seitens des Erzbischofs von Prag ausgerüstet. Vgl. Wattenbach, Abhandll. der Berliner Akademie 1886 S. 23. 68.
  27. Sehr schätzenswerthe Nachrichten über den Inquisitor Petrus, auf Grund der mir nur zum Theil zugänglichen Quellen zur Lausitzischen Territorialgeschichte, theilte mir Herr Pastor Sauppe in Lückendorf freundlichst mit. Darnach war Petrus Zwicker zuerst Schulrector in Zittau, trat 1381 in den Cölestinerorden und bekleidete um 1395 das Ordensprovinzialat, wie denn die Prioren des Oybiner Klosters um jene Zeit in der Regel zugleich auch Provinziale waren. Vgl. namentlich die im Jahre 1395 niedergeschriebene Stelle der Vorrede zu den Jahrbüchern des Zittauischen Stadtschreibers Johannes von Guben (Scriptor. rer. Lusatic. N. F. I, S. 2), wo des Cölestiners Petrus gedacht wird als früheren „rectoris scole huius, magistri Petri Czwickers de Wormpnijt, civitate Pruszie, nunc provincialis in monasterio Oywin, ordinis Celestinorum“. Kurz erwähnt wird Petrus auch in (Peschek’s Geschichte der Cölestiner des Oybins (Zittau 1840) S. 30. In Pommern und Brandenburg finden wir an der Seite des Petrus seinen Ordensbruder Nicolaus von Wartenberg, gleichfalls vom Oybiner Kloster (Wattenbach, Abhandll. der Berliner Akademie 1886, S. 21 und 23). Friess S. 242 bezeichnet irrigerweise Petrus als „Provinzial des Cölestinerordens in Schwaben aus München“.
  28. Gleichzeitig mit Petrus wird auch ein Martinus von Amberg (Der Waldens. Ursprung des Cod. Tepl. S. 35: postea tamen anno domini 1391 per dominum Martinum de Amberg et fratrem Petrum Coelestinum omnes in Erfordia sunt convicti) als Inquisitor genannt. Man könnte versucht sein, denselben für identisch mit dem Prager Altarpriester Martinus zu halten; nach Trithemius nämlich fungirt ein Inquisitor Martinus zuerst in Würzburg, dann in Erfurt als Glaubensrichter, und von dem in Würzburg 1391 zu Gericht sitzenden Inquisitor erfahren wir aus anderer Quelle (vgl. meine „Religiösen Secten in Franken“ S. 23), dass er Martin von Prag hiess. Ein sehr grösser Theil der Oberpfalz (u. a. auch das unweit von Amberg gelegene Sulzbach) ging bekanntlich unter Karl IV. in Böhmischen Besitz über (Palacky, Gesch. v. Böhmen II, 2, 316). Der Catalogus codic. Latin. Monac. I, 2, 144 verzeichnet unter Nr. 3764: Martini haereticorum inquisitoris Ambergae [sic!] modus predicandi. Ein Martinus „presbyter ex Bohemia, authoritate apostol. in quibusdam Alemanniae partibus inquisitor haereticae pravitatis constitutus“ verfolgt schon unter Bischof Lambert von Strassburg (1371–1373) die dortigen Beginen. Vgl. Döllinger, Beitrr. zur Sectengesch. des Mittelalters II, 378.
  29. Zuerst unvollständig abgedr. bei Flacius, Catalogus testium veritatis (1666) S. 660, vollständiger bei Friess S. 257 nach zwei Hss. der Stiftsbibliothek zu Seitenstetten. Wie die Vergleichung des cod. Guelferb. 466 (Helmst. 431) und cod. Wirceb. misc. chart. f. 51 lehrt, ist auch der Friesssche Druck unvollständig und verbesserungsbedürftg; einen ziemlich correcten Text gibt die kürzlich von Döllinger (Beiträge zur Sectengesch. des Mittelalters II, 367), vermuthlich aus der auch von mir benutzten Würzburger Hs., mitgetheilte Fassung. Die einzige Stelle, welche unserer Auffassung der Entstehung des Verzeichnisses zu widersprechen scheint, ist die auf den Meister Johannes von Diethartz bezügliche: fuit captus Ratisbone, qui periuravit de haeresi, nunc vero convictus (so bei Friess, und ganz ähnlich cod. Guelf. 466: captus R. et portavit crucem de heresi convictus pronunc). Aber auch sie erklärt sich ungezwungen in der Weise, dass jener Meister vor Jahren die Waldensischen Artikel abgeschworen hatte, nun aber nachdem er als einer der Meister der Waldenser angegeben worden, wenn auch nur in absentia, des Meineides überführt ist. Damit stimmt die in der Würzburger Hs. und von Döllinger mitgetheilte Fassung überein: fuit Radispone et portavit crucem de heresi convictus nec vero deficit (= sagt sich aber von der Secte nicht los).
  30. So namentlich zuletzt Preger, Ueber das Verhältniss etc. S. 34 ff.
  31. Zuerst abgedruckt in meiner Schrift „Der Waldensische Ursprung des Codex Teplensis“ S. 35 f., jetzt auch bei Döllinger, Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters II, 330, wohl auch hier aus cod. ms. fol. chart. 51 der Würzburger Universitäts-Bibliothek.
  32. Mon. Boica XV, 611: item prohibemus consolationem manus impositionem ab hereticis ne aliquis recipiat. An Katharer kann bei der Stelle selbstverständlich nicht gedacht werden; auch die Piemontesischen Waldenser von 1387 wusste man zum Geständniss zu bringen, dass sie eine Art von Abendmahlsfeier, die der Inquisitor „Consolamentum" nennt, zu begehen pflegten. (Archivio stor. ital. Ser. III T. I, 2; 21 etc.) Ueber die Handauflegung der Waldenser vgl. meine Schrift „Die Deutsche Bibelübersetzung der mittelalterlichen Waldenser“ S. 7 Anm. 1 und Müller, Die Waldenser S. 120.
  33. Lang, Regesta Boica 10, 15.
  34. Gemeiner, Regensburgische Chronik II, 187; 209 Anm. Weissenburger Waldenser werden noch zwischen 1448 und 1458 verfolgt; vgl. Husit. Propaganda im Hist. Taschenb. 6. Folge VII, 286. Meine Hoffnung, in Gemeiner’s Nachlass, den ich im Reichsarchiv zu München benutzen konnte, weitere Aufschlüsse über die Ketzerverfolgungen dieser Zeit zu finden, ist leider nicht erfüllt worden.
  35. Röhrich, Mittheilungen aus der evangel. Kirche des Elsasses I, 63 vgl. 47.
  36. Weitere Angaben über die Schwäbische Waldenserverfolgung von 1393 ff. in Chroniken der Deutschen Städte, Augsburg I, 96. II, 45. Gassari Annales Augstburgenses in Mencken’s Scriptores rer. Germ. I, 1533; Oefele, Rerum Boicarum scriptores I, 618 ff.
  37. Schöller, Die Bischöfe von Passau (Passau 1844) S. 125.
  38. Vgl. meine „Religiösen Secten in Franken“ S. 17 ff. Ueber die Eichstädtischen Waldenser dieser Zeit vgl. jetzt Sax, Die Bischöfe und Reichsfürsten von Eichstädt (1884) S. 270, wie es scheint, nach ungedruckten Quellen. Darnach fungirte hier der Dominicaner Berthold als Inquisitor; das auch aus anderer Quelle bekannte Autodafé von Wemding fand nach Sax am 11. November 1394 statt. Die weite Verbreitung der Waldenser im Eichstädtischen Gebiete im 14. Jahrhundert geht aus dem Schlusssatz des von Wattenbach (Berliner Sitzungsberr. 1887 S. 521) veröffentlichten Berichtes über Eichstädtische Waldenser hervor (a. a. O.: het got sein gnad dar zu nit geben, daz man ir bozeit innan worden wer, si hieten kristen gelauben kuͤrczlich verdrungen).
  39. Müllner, Annales der löblichen Reichsvesten und Statt Nürnberg (Nürnberger Kreisarchiv) fol. 672 b.
  40. Ebenda fol. 749 a; „Religiöse Secten in Franken“ S. 20.
  41. Müllner fol. 750 b: „in disem Jahr, Sambstag vor S. Walburgis Tag, hat man zu Nürnberg sieben Personen wegen zugemessenen Unglaubens und Ketzerei lebendig verbrannt, die sein gewest: ein Ferberin, die Mairin genannt, Herman von Selingstatt vom Gerstenhoff und sein Weib, Leupolt Stoͤlzleins von Herbolzhoffs Weib und ihre Schwester, Elisabethin Strosserin, Adelhard von Gemünd. Eilf Personen haben das Creuz angenummen, öffentlich Buss gethan und die Kezerey verschworen. Etlichen Personen hat man die Statt verbotten. Neunzehen Personen sein entwichen, die man auch aus der Statt gebannet.“ Auch 1399, am Erichtag vor S. Walburgstag, wurden sechs Frauen und ein Mann verbrannt (Chron. der Deutschen Städte, Nürnberg, I, 362. III, 297. IV, 136–137); vielleicht liegt bei Müllner eine Verwechslung vor.
  42. Müllner (fol. 809 a) setzt die Untersuchung irrthümlich in das Jahr 1390. „Meister Mertin ketzermeister“ erhielt c. 30. April 1399 in Nürnberg ein städtisches Weingeschenk (Deutsche Reichstagsakten III, 88, 11).
  43. Müllner fol. 861 a.
  44. Religiöse Secten in Franken S. 28 ff.; Husit. Propaganda in Deutschland (Histor. Taschenbuch 6. Folge 7. 1888) S. 248 f. Vgl. Riezler, Geschichte Baierns III, 805. Ueber Bartholomäus Rautenstock vgl. Döllinger, Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters II, 626 ff. Darnach ist der wohl aus der Gegend von Burgbernheim (zwischen Würzburg und Ansbach) stammende Rautenstock in Prag bei „Meister Peter von Dressen und einem Meister Niklas genannt, einem halben Meister, Schulmeister und Lehrer“ in die Schule gegangen, von welchen er seinen Unglauben und Ketzerei gelernt zu haben angibt. Von dem Prager Weihbischof Hermann erhielt er um 1417 auf der Burg Lipnic, wo jener damals von den Husiten gefangen gehalten wurde (Frind, Kirchengeschichte Böhmens III, 64), die Priesterweihe und war ein Jahr lang „zum See“ als Husitischer Geistlicher thätig. Angeblich weil ihm sein Gewissen wegen seiner Priesterweihe Vorwürfe machte, gab er den Priesterstand auf, verheirathete sich und zog mit seiner Frau nach Burgbernheim, wo er zehn Jahre blieb; nach dem Tod seiner Frau kehrte er wieder nach Böhmen zurück, von wo er zuweilen in Begleitung seines erwachsenen Sohnes, wiederholt sich nach Franken aufmachte. Etwa zwischen 1440–1450, als er eben von Tirschenreuth über Kemnat, Pegnitz, Nürnberg und Burgbernheim nach Eibelstadt bei Würzburg gewandert war und von da über Nürnberg wieder seinen Rückweg nach Böhmen nehmen wollte, wurde er unterwegs, wahrscheinlich in Burgbernheim, aufgegriffen und gefangen gesetzt. Als sein Glaubensgenosse wird sein Schwager Heinz Weingarten, vermuthlich aus Burgbernheim, als sein Freund ein Schneider aus Rothenburg genannt; auch in den von ihm auf seiner Reise berührten Ortschaften ist er offenbar von Glaubensgenossen, die er nicht verrathen will, beherbergt worden. Die ihm zur Last gelegten Ketzereien sind die bekannten Waldensisch-Taboritischen: Verwerfung des Fegfeuers, der Fürbitte und Verehrung der Heiligen, Bekämpfung des Ablasses; Taboritisch ist die Forderung des Laienkelches und die Verwerfung der Ohrenbeichte.
  45. Chron. Erf. bei Boehmer, Fontes rer. Germ. II. 389. Trithem. Chron. Hirsaug. ad a. 1232.
  46. Das päpstliche Schreiben vom 1. Mai 1318 an den Bischof von Meissen, das im Uebrigen mit den an die Bischöfe von Krakau und Olmütz gerichteten Schreiben gleichlautend ist, findet sich in Codex dipl. Saxoniae regiae. II (Hochstift Meissen), Bd. 1, 298 f. Vgl. oben I S. 309.
  47. Vgl. Mosheim, De beghardis et beguinabus S. 298. 339 ff. 358; Wilmans, Histor. Zeitschr. 41 (N. F. 5) S. 193 ff; Wattenbach, Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1887 S. 517 ff. Vergl. oben S. 338. Ein Haus in Jena, das dem dortigen Nonnenkloster gehörte, führt in einer Urkunde von 1378 den Namen „Ketzerei", vielleicht von früher in demselben sesshaft gewesenen Beginen oder Begharden? (Martin, Urkundenbuch der Stadt Jena I, 360.) Die Naumburger Synodalstatuten vom Jahre 1350 schärfen die öffentliche Excommunication der Häretiker ein und erneuern das Verbot, die hingerichteten Ketzer zu begraben (Hartzheim, Concilia Germaniae IV, 357).
  48. Bzovius, Annales ecclesiastici XIV, 1509 (ad a. 1375, 14). Im Schwarzburgischen Sondershausen und dessen nächster Nachbarschaft finden wir später die Geisslersecte verbreitet, deren Verfolgung in Deutschland 1372 von Gregor XI. angeordnet wird (Raynaldus ad a. 1372, 33).
  49. Ant. Weck, Der – – – Residentz und Hauptvestung Dresden Beschreibung. Nürnb. 1680, S. 305: indeme (wie ein uhraltes Manuscript meldet) selbiges Jahr [1366] zwey Jungfern zu Wittenberg, deren die eine aus der Marck, die andere um Wittenberg buͤrtig gewesen, welche beyde Margaretha geheissen, und eines Becken Weib in Wittemberg, Agnes genant, welche letztere auch nachgehends sich alhier eingefunden, insgesamt eine Secte erreget, also dass sie vorgegeben, der Antichrist wäre gebohren, man sollte an kein Fegfeuer glauben, noch an die Vorbitte der Heiligen und sagten, man solte sie nicht ehren, es wäre Abgötterey; sie verachteten den Pabst, die Prälaten und andere Geistlichen, erwehnten, die Pfaffen wären geitzig, hoffärtig und unkeusch; auch hielten sie nichts von dem geweyheten Saltze und Wasser. Sie gaben für, es wäre erdichtet ding mit der Kirche und dem Banne, auch waren sie wider die Wallfahrten und Besuchungen der heilligen Oerter. Endlich wolten sie auch nicht, dass man die Ubelthäter umbrächte, sondern achtete es für Todtsünde. Es wurde ihnen aber respective von Churfürsten zu Sachsen und denen Landgrafen in Thüringen auch Marggrafen zu Meissen das Vornehmen zeitlich verbothen.
  50. Hartzheim, Concilia Germaniae IV, 412; 413. Vgl. oben S. 343.
  51. Vgl. meine Schrift: „Der Waldensische Ursprung des Codex Teplensis“ S. 35: „Conradus de Erfordia, qui prius fuit sutor. hic post conversionem suam revenit Erfordiam et coram hereticis eiusdem secte reclamavit errorem suum predicans eis veram Christi Jesu fidem et nullus voluit converti nisi soror eius, que fuit uxor Mathei Witenberg pileatoris. postea tamen anno d. 1391 per dominum Martinum de Amberg et fratrem Petrum Celestinum omnes in Erfordia sunt convicti et conversi abiurati et cruce signati. item Hans von der Steiermarch filius textoris. hic similiter sicut Conradus predictus reclamavit et revocavit errorem suum coram predictis in Erfordia“; jetzt auch bei Döllinger, Beiträge II, 330. Trithemius, Annales Hirsaugienses (St. Gall. 1690) II, 296. Vgl. oben S. 346 Note 1, sowie die oben S. 345 Note 1 angeführte Stelle des Petrus von Pilichdorf über die Thüringischen Ketzerbekehrungen.
  52. Vgl. Friess S. 257 und Döllinger, Beiträge II, 367, ferner meine Schrift „Der waldens. Ursprung des Codex Tepl.“ S. 35 f. Von Claus von Plauen heisst es: fuit scolaris filius Conradi linificis; hic duobus annis moratus est in domo Margarethe in Wittenberg et manens hereticus frequentavit scolas ibidem. Vielleicht ist auch der obengenannte Erfurter Hutmacher Mathäus (von?) Wittenberg mit den Wittenbergischen Waldensern in Verbindung zu bringen. Ueber Conrad von Sachsen vgl. auch Röhrich a. a. O. S. 66 und Wattenbach, Abhandlungen S. 41.
  53. Hartzheim, Concilia Germaniae V, 36.
  54. Eine sorgfältige Zusammenstellung des über Peter von Dresden vorliegenden Quellenmaterials gibt O. Meltzer’s Schriftchen „Die Kreuzschule zu Dresden bis zur Einführung der Reformation“ (1885) S. 54 ff. Wie ich einer brieflichen Mittheilung J. Goll’s entnehme, ist die Angabe, dass ein P. v. Dr. in den Prager Facultätsacten nicht genannt werde, unrichtig; hoffentlich erhalten wir bald von dem genannten Forscher erwünschte neue Aufschlüsse über Peter’s Antheil an der Einführung des Laienkelchs, der nach unserer Ansicht bisher zwar nicht zur Evidenz erwiesen, noch weniger aber durch Palacky’s Polemik gegen Höfler (Die Geschichte des Husitenthums und Prof. Constantin Höfler. 2. Aufl. [1868] S. 110 ff.) endgültig abgethan ist.
  55. Die Stelle bei Höfler, Geschichtschreiber der Husit. Bewegung in Böhmen III, 158 f.
  56. Historia Bohemica c. 35. Die Stelle ist insoferne nur von secundärer Bedeutung, als nach Palacky (a. a. O. S. 112) Aeneas Sylvius in seiner Böhmischen Geschichte vielfach von Papausek abhängig ist.
  57. Vgl. die Stellen bei Höfler a. a. O. S. III, 156 f.; 234 f. Sehr interessant ist das neuerdings von Döllinger, Beiträge II, 626 ff. veröffentlichte Bekenntniss des Taboritischen „Ketzermeisters“ Bartholomäus Rautenstock aus Franken (vgl. oben S. 352 Note 1), der Magister Peter und Nicolaus von Dresden als seine Lehrmeister im „Unglauben“ nennt, zu welchen er demnach offenbar in einem näheren Verhältniss als zum eigentlichen Husitismus gestanden hat.
  58. Chronicon Procopii bei Höfler I, 72; Papausek ib. III, 158 f. und die in der vorangehenden Anmerk. genannten Stellen.
  59. Für die Biographie Drändorfs vgl. J. E. Kapp, Kleine Nachlese einiger – – – zur Erläuterung der Reformationsgeschichte nützlichen Urkunden III (1730) S. 1 ff. und Krummel in den theologischen Studien und Kritiken 42 (1869) S. 130 ff.; über seine Beziehungen zu dem Husiten Peter Turnow meine „Husitische Propaganda in Deutschland“ a. a. O. S. 264 ff.
  60. Kapp S. 38: dicit se ordinatum fuisse citra VIII vel IX annos a quodam suffraganeo archiepiscopi Pragensis, qui postea ab Hussitis occisus fuit. S. 39: respondit quod predicavit in quodam opido dicto Nova Domus et etiam in Praga ultra tres annos. S. 47: item queritur, ubi fuerit illo tempore, quo totus populus fuit ante Saetz (Sactz?). respondit quod in quadam civitate vocata Nova Domus in – – . Ueber den von den Taboriten 1420 ermordeten Prager Weihbischof Hermann Eurab vgl. Frind, Kirchengeschichte Böhmens III, 64.
  61. Auf eine Verbindung Drändorf’s mit dem Waldenserthum möchte es hinweisen, dass er als Grund seiner Reisen nach Mittel- und Ober-Deutschland angibt, er habe Geistliche gesucht „qui secundum regulam Christi viverent“ (Kapp S. 39) und sich selbst zur „paupertas Christi“ bekennt (ib. S. 47).
  62. Kapp S. 38 f.: respondit quod (studuit) in Dresden in Misna sub magistro Friderico, consocio magistri Petri de Dresden et dicit, quod ille magister Fridericus erat humilis et devotus et ambo obierint Prage et dicit dictum magistrum Fridericum non esse de secta Hussitarum nec fuisse; ib. S. 58: respondet, quod spiritus sanctus sibi presentem doctrinam dederit, mediate tamen habuit eam a magistro suo Friderico et magistro Petro de Dresda et asserit eorum doctrinam esse sacram et veram et esse mortuos in via et fide Christi, et utinam ipse sic mori posset. Ueber Hus und Hieronymus äussert er sich weit zurückhaltender; vgl. S. 54: item quesitus an credat Jo. Hus et Jeronimum debite et iuste esse condempnatos, respondit, quod nihil credat nisi que scriptura docet et deus scit, si iuste condempnati sunt vel iniuste. Ob der 1421 (in Baiern?) als Anhänger des Wiclifismus verbrannte Magister Peter von Dräsen (Anonymi farrago hist. rer. Ratisbon. bei Oefele, Scriptor. rer. Boic. II, 511) mit unserem Peter v. Dr. identisch ist, kann angesichts der eben mitgetheilten bestimmten Angabe Drändorf’s wohl nicht ohne Weiteres bejaht werden. Ueber Bartholomäus Rautenstock aus Franken und sein Verhältniss zu Peter von Dresden vgl. oben S. 352.
  63. Papausek bei Höfler III, 159: venerunt quidam de Missna clerici et scolares de Drazden, alii de Pikardia, alii de Anglia, qui adhuc plus quam prius infecerunt – – – per suos errores regnum Bohemiae. Uebersetzung Tschechischer Chroniken bei Höfler III, 234: Dieses Jahr (1415) wohnten in Prag am Graben bei der Schwarzen Rose die Dresdener Magister, Baccalaren und hatten hier ihre Burse, als: der Magister Peter, Magister Nikolaus Englisch und Nikolaus Lorizes. Diese waren aus Dresden verwiesen, denn sie reichten heimlich das Blut Christi dar. Vgl. das Geständniss von Peter’s Schüler Rautenstock bei Döllinger, Beiträge II, 628: wie dass er zu Prag in die Schul gangen sei, aber nicht in das Collegium, sondern in einen Hof dabei; da sei Meister Peter von Dressen und einer Meister Niklas, ein halber Meister, Schulmeister und Lehrer gewesst, von denen er den Unglauben und Ketzerei gelernt habe.
  64. Vgl. Palacky, Gesch. v. Böhmen IV, 1,453; W. Böhm, Friedrich Reiser’s Reformation des K. Sigmund S. 150; Höfler, Geschichtschreiber II, 824 ff.; Monumenta concilior. general. saec. XV. 1, 269 ; 343 ff.
  65. Machatschek, Die Bischöfe des Meissner Hochstiftes, im Neuen Lausitz. Magazin 55 S. 362 nach der Urkunde im Cod. dipl. Sax. reg. II, 5, 136 (N. 156).
  66. Vgl. „Husitische Propaganda“ S. 252. Um 1455 hatte Friedrich Reiser in dem Meissnischen Dorfe Engelsdorf bei Leipzig eine von langer Hand verabredete Zusammenkunft mit seinen Genossen, die doch wohl unter dem Schutze von dortigen Glaubensgenossen stattfand. (Böhm a. a. O. S. 88 f.)
  67. Vgl. Jahrgang I Heft 2 S. 310; 312 f.
  68. Grünhagen, König Johann von Böhmen und Bischof Nanker von Breslau, in den Sitzungsberichten der phiosoph.-histor. Classe der Wiener Akademie 47 (1864) S. 85 ff.; Derselbe, Geschichte Schlesiens I, 165 ff.
  69. Bzovius, Annal. eccles. XIV, 894 (ad a. 1341, 8): pervaserat e proxima Bohemia Petri Joannis Piranensis (!) – – – Wratislaviam impius error, infandaque haeresis contra ecclesiam eiusque sacres hierarchas. namque connivente rege – – – in compitis et circo profani homines suggestibus excitatis Babylonis magnaeque meretricis nomine intelligendam esse catholicam Romanamque ecclesiam esse contendentes illam etiam ecclesiam carnalem, bestiam et satanae synagogam, summum vero pontificem Antichristum vocabant. praeter haec animam rationalem, qua rationalem humani corporis esse formam negabant, apostolos nonnisi secundum litteralem, non vero iuxta spiritualem sensum evangelium praedicasse docebant. in baptismo neque gratiam neque virtutes theologicas infundi affirmabant, Christum adhuc viventem lancea perforatum esse blaterabant, super omnia vero ecclesiasticos cane peius et angue oderant et quibusvis injuriis impune posse affici publicabant. Ex his cerdonum aliquis, apud Vratislavienses dignitatem consularem per id temporis adeptus, ausus est et ipse exedra in publico erecta in potestatem pontificiam debacchari et alios petulantes plurimos in omne scelus effusos adversus clerum magis irritare et facinus Joannis excusare voluerat.
  70. Tadra, Cancellaria Johannis Noviforensis episc. Olomucensis, im Archiv für Oesterr. Gesch. 68, 141 ff. (Nr. 208. 209).
  71. Wattenbach, Ueber das Handbuch eines Inquisitors in der Kirchenbibliothek St. Nicolai in Greifswald, in den Abhandlungen der königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom Jahre 1888. Da das Handbuch keinerlei Hinweis auf die gerade für Schlesien und Polen besonders gefährliche Husitische Ketzerei enthält, so dürfte die Thätigkeit des als „Petrus cantor, inquisitor Cracoviensis“ bezeichneten Besitzers des „liber inquisitionis“ zwischen 1405 und 1415 fallen. Die erste Anlage des Handbuches und die Excerpirung des „Directorium“ des Eymericus scheint auf Johann Gleiwitz zurückzugehen.
  72. Catalogus abbatum Saganensium, in Scriptores rer. Silesiacar. I, 251 f.: primo namque praesumpsit se asserere spiritum sanctum habere et, cum esset laicus, se missum a spiritu sancto ad predicandum et non solum ipsum sed et quemlibet fidelem et quemlibet justum christianum. item quod parvuli salventur, absque baptismo defuncti. item quod quilibet laicus justus possit absolvere a peccatis et consecrare corpus Christi, non autem haec possit factus (sacerdos) malus. item, quod non sit verum corpus Christi sub sacramento altaris, sed solum quaedam salubritas, item quod non sit purgatorium. item quod sancti non sint adorandi nec ymagines. item quod sola oratio dominica sit dicenda pro oratione. item nichil curavit determinacionem et statum ecclesiae Romanae. item quod prelati mali non habent auctoritatem in ecclesia nec eis sit obediendum. item quod excommunicare sit illicitum. item quod jurare sit simpliciter illicitum et quod mali non sint de ecclesia… textum biblie promptissime juxta contextum verborum memoriae commendatum tenuit… nulla argumenta contra se, nisi ex textu biblie admittere voluit.
  73. Frind, Kirchengeschichte Böhmens III, 27 nach Tingl, Acta judicialia S. 84.
  74. Wattenbach, Abhandlungen der Berl. Akad. 1886 S. 41.
  75. Bzovius, Annales eccles. XV, 238 (ad a. 1403, 26). Zum Einschreiten gegen die Anhänger der Lehren Milicz’ von Kremsier wurde u. a. auch der Erzbischof von Gnesen von Gregor XI. im Jahr 1374 aufgefordert. (Theiner, Vetera monumenta Poloniae et Lithuaniae I, 699.) – Vgl. oben S. 362 Anm. 1.
  76. Die letzte Quelle für die Geschichte der angeblich von dem Hochmeister Konrad von Wallenrod (1391–1393) begünstigten Ketzereien ist bekanntlich die so überaus übel berüchtigte „Preussische Chronik“ Simon Grunau’s (Ausgabe von Perlbach in den Preussischen Geschichtschreibern des 16. u. 17. Jahrh. I, 674 ff.); J. Voigt (Gesch. Preussens V, 723 f.) hat denn auch Grunau’s Bericht von dem Auftreten des „Albanischen Ketzers Doctor Leander von Sanctonio aus Frankreich“, seinen ketzerischen Lehrsätzen und seinem Verlangen nach einem in Marienwerder abzuhaltenden Religionsgespräch als eine böswillige Erfindung des ordensfeindlichen Chronisten bezeichnet. Dass der ohne Frage sehr aufgebauschten Erzählung Grunau’s doch die Thatsache des Auftretens von Häresien in Preussen zu Grunde liegt, scheint aus den Mittheilungen von Hipler (Meister Johannes Marienwerder. Zeitschrift für die Geschichte Ermlands III, 271 ff.) hervorzugehen, wonach der Domdechant Johann von Marienwerder um 1399 einem wegen seiner Lebensführung und seiner Ketzereien anrüchigen Irrlehrer seiner Vaterstadt Marienwerder durch die von ihm verfasste „Erklärung des apostolischen Symbolums“ entgegentrat. Die Instruction, welche die Visitatoren Pomesanischer Pfarreien um 1400 erhielten, enthält u. a. die an die Laien zu richtende Frage: si qui sint haeretici vel de sacramentis ecclesiae et articulis fidei male sentientes seu alias de infidelitate suspecti? (Hipler S. 274.) Nach der allerdings wenig verlässigen Angabe Grunau’s (S. 677) fand unter Konrad von Wallenrod eine Ketzerverfolgung in Preussen statt, die Viele zur Flucht veranlasste; die Gebeine der verstorbenen Ketzer wurden aus den Kirchhöfen ausgegraben. Die Statuten des Bischofs Heinrich III. von Ermland (1373–1401) von c. 1393 enthalten den Passus: cum blasphemare sit in spiritum sanctum, aliquid agere proterve, aut etiam loqui contra sacros canones, qui spiritus sancti instinctu sunt conscripti, prohibemus, ne quis apud clericos vel laicos contra statuta canonum et ecclesiae blasphemando vel aliquid jocose loquatur dicendo videlicet: „papa vel ecclesia hoc et illud statuere non potest“ vel „truffa est, quod de excommunicatione vel de indulgentiis scripturae vel clerici nobis dicunt“, nam tales censendi sunt haeretici. Vel jocari de talibus jocus est noxius et jure puniendus. (Thiel, de synodo dioecesana Henrici III ep. Warmiensis. Index lectionum Brunsbergens. per hiemem 1861–62). Die dem Hochmeister Reuss von Plauen und seinen Anhängern zugeschriebenen Wiclifitischen Ketzereien, von denen nur Simon Grunau (II, 22 ff.) berichtet, trage ich Bedenken in diesen Zusammenhang zu bringen; sie beruhen wohl auf reiner Erfindung Grunau’s.
  77. Schmidt, Histoire de la secte des cathares I, 104 ff. Wichtiges neues Material für die Geschichte der südslavischen Katharer haben u. a. die seitdem von Theiner herausgegebenen „Monumenta vetera historica Hungariam sacram illustrantia“ bekannt gemacht. Vgl. jetzt auch J. v. Döllinger, Beiträge zur Sectengesch. des Mittelalters I, 242 ff.
  78. Vgl. Jahrg. I Heft 2 S. 312 ff. Der Passauer Anonymus (Bibl. max. XXV, 264 C; Flacius S. 630; Müller S. 148) berichtet von einem Häresiarchen Heinrich, der in „Thewin“ (so Müller nach clm. 2714; al. Cheron, Xeroin) verbrannt wurde; ist dieser Ortsname wirklich der von dem Anonymus niedergeschriebene, so kann nur an die Ungarische Grenzstadt Theben (an der Mündung der March in die Donau) gedacht werden, die 1271 von Otakar von Böhmen zeitweilig in Besitz genommen wurde. Theben heisst 814 „Dowina“, 1271 „Tewen“ (Oesterley’s Wörterbuch S. 682). Es sei hier auf die Hypothese von W. Wilmanns (Beiträge zur Geschichte der älteren deutschen Literatur. Heft 1. 1885) hingewiesen, wornach die unter dem Namen des Heinrich von Melk gehenden Satiren von einem im 14. Jahrh. in Ungarn lebenden und den Waldensischen Lehren zugethanen Dichter verfasst und später in kirchlichem Sinne überarbeitet worden sind. Ich gestehe, dass mich Wilmanns’ Beweisführung nicht hat überzeugen können.
  79. Bibl. max. patr. Lugd. XXV, 281 E.
  80. s. Beilage I.
  81. Vgl. „Husitische Propaganda" S. 243; Lea, History of the inquisition II, 542 ff.; Wadding, Annales minorum X, 194 ff.; 225; 231 ff.; 101 ff.; 268 ff. XI, 3 ff.; 37 ff.; 79 ff. Theiner, Monum. Hungar. eccl. II, 218; 223; 228. J. v. Döllinger, Beiträge zur Sectengesch. des Mittelalters II, 705 f. In Siebenbürgen wirkte 1442 der Dominicaner Bartholomäus Lapatius, päpstlicher Legat und Bischof von Cortona als Inquisitor (Benkö, Transsilvania I, 2, 145; vgl. Steill, Ephemerides Dominicano-sacrae I, 2, 139 ff.).
  82. Annales Matseenses, in Mon. Germ. Script. IX, 832 f. (ad a. 1364 ff.). Aehnliche Anklagen gegen den dem Herzog befreundeten Grafen Ulrich von Schaumberg ebenda S. 833.
  83. Die im Jahre 1391 verurtheilte Bäuerin Geisel von Lueg, um 1351 geboren und durch ihre Eltern im Waldensischen Glauben auferzogen, hatte diesen vor dem Inquisitor Heinrich von Olmütz, also schwerlich vor c. 1365 abgeschworen; unter Bischof Johann von Passau (1381–87) scheinen keine Verfolgungen stattgefunden zu haben (vgl. unten S. 369).
  84. Zuerst erwähnt von Karl Müller, Die Waldenser S. 103 (79) aus einer Handschrift des Collegiatstiftes St. Florian und nach einer ihm von Müller überlassenen Abschrift von Comba (Histoire des Vaudois d’Italie S. 243 ff.) theils im Auszug, theils in Uebersetzung mitgetheilt. Aus einer Klosterneuburger Hs. theilte v. Döllinger (Beiträge II, 351 ff.) Stücke dieses Briefwechsels, sowie polemische Ausführungen des von den Waldensern abgefallenen Johannes Lesser in einer von der erstgenannten Handschrift, wie es scheint, beträchtlich abweichenden Fassung mit. Johann Lesser’s Tractat stammt aus der Zeit des Pontificates Papst Gregor’s XI. (1370–78), vgl. v. Döllinger S. 357 Anm. Von Müller sind genauere Mittheilungen über diese interessanten Actenstücke zu erwarten.
  85. Vgl. Döllinger II, 351 f.
  86. Vgl. darüber Müller a. a. O. S. 107 (83) ff.
  87. Bruschius, De Laureaco et de Patavio (Basil. 1553) S. 235.
  88. Catalogus testium veritatis (Fft. 1666) S. 852.
  89. Ein Theil der von mir im Folgenden benutzten ungedruckten Actenstücke war bereits Preger (Abhandlungen der Münchener Akad. Hist. Cl. XIII S. 230) aus clm. 5338 bekannt geworden; mir stand ausserdem clm. 22 373, vor allem aber eine reichhaltige Würzburger Handschrift, Cod. m. ch. f. 51, auf welche ich vor Jahren von Oberbibliothekar Dr. Kerler aufmerksam gemacht wurde, zu Gebote. Während des Druckes dieses Aufsatzes erschienen Döllinger’s Beiträge zur Sectengeschichte, in welchen ein Theil der Actenstücke aus einer der Münchener Handschriften veröffentlicht wird.
  90. Pritz, Geschichte der ehemaligen Benedictinerklöster Garsten und Gleink (Linz 1841) S. 32.
  91. Vgl. Röhrich a. a. O. S. 46. Um 1395 ist in Wien auch der bekannte häretische Mystiker Nicolaus von Basel (vgl. meine „Beiträge zur Gesch. der Secte vom freien Geiste und des Beghardenthums“ in der Zeitschrift f. Kirchengeschichte VII [1885] S. 511) verbrannt worden.
  92. Vgl. Beilage II Nr. 1.
  93. In dem in der Beilage (II Nr. 2) mitgetheilten Inquisitionsurtheile von 1398 geschieht der Auslieferung einer Anzahl verurtheilter Waldenser aus Unterwolfern an die weltliche Behörde Erwähnung.
  94. Manifest des Inquisitors Petrus vom Jahre 1395 nebst Zusätzen, abgedruckt bei Friess S. 262 ff., ohne die Zusätze bei Preger, Abhandlungen der Münch. Akad. Histor. Cl. XIII, 246 ff. Eine von Chmel (Oesterr. Zeitschr. f. Geschichts- und Staatskunde III [1837] S. 28) benutzte Hs. setzt die Brandstiftungen in Wolfern, wohl irrthümlich, in die Jahre 1396 und 1397. Ueber die Ermordung von fünf übergetretenen Waldensischen Meistern seitens ihrer Glaubensgenossen vgl. meine Schrift „Der Codex Teplensis“ S. 35 und Döllinger, Beiträge II, 330. Sollte der hier genannte „Conradus Waythoff“ mit dem gegen 1380 in Strassburg ermordeten Waldenser „Hans Weidehofer“ (Röhrich S. 28 ff.) identisch sein? Der Name (von Waidhofen?) dürfte auf die Oesterreichische Abkunft des Ermordeten hinweisen.
  95. Vgl. Huber, Gesch. Oesterreichs II, 321 f.
  96. S. d. Anm. 1.
  97. Prevenhuber, Annales Styrenses S. 73 und daraus abgedruckt bei Friess S. 271.
  98. Vgl. Beilage II Nr. 2.
  99. Pez, Scriptores rer. Austriacarum I, 1244.
  100. Vgl. Beilage II Nr. 2.
  101. Das Urtheil ist von mir nach der öfter citirten Würzburger Hs. unter Vergleichung der im Anhang genannten beiden Münchener Handschriften benutzt, unterdessen von J. v. Döllinger (Beiträge II, 346 f.), nach „cod. Chiem. Ep. 38“ gedruckt worden. Der Druck bedarf einigermassen der Verbesserung; S. 347 oben muss es heissen: Valvensis diocesis (statt: Aquilensis diocesis); ebenda, Mitte: recepisti – – – adimplesti; item interrogatus recognovisti, quod ante alterum dimidium annum; ebenda, unten: participacione (statt participio); S. 348 oben: absolvimus (statt: absolutus) in his scriptis; ebenda, unten: Heinrico de Zelkingen (statt Jelkingen).
  102. Während des Druckes meiner Arbeit veröffentlicht in J. v. Döllinger’s Beiträgen II, 346. aus „cod. Chiem. ep. 38“.
  103. Abgedruckt in meiner Schrift „Der Waldensische Ursprung des Codex Teplensis“ S. 34 f.
  104. Beilage II Nr. 3.
  105. Nach dem Vermächtniss ihrer ketzerischen Mutter hatte die Waldenserin Wendel Richter der Secte die Summe von sechs Solidi zugewendet.
  106. Zur Zeit ihrer Processirung hat die Angeklagte offenbar ihren Wohnsitz in der Nähe von Hartberg gehabt; dem nach Hartberg citirten Dietlin Lehner räth sie im Kirchhofe zu Grafendorf (nordöstlich von Hartberg) ab, sich zu stellen, und wiederholt dies im Hause seines Schwiegervaters Leupold am Erlach (Name zweier Höfe bei Pöllau und bei Stubenberg, wenig westlich von Hartberg).
  107. Von mir benutzt nach Ms. chart. misc. fol. 51 der Würzburger Univ.-Bibliothek; während der Drucklegung erschienen Döllinger’s Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters, in welchen (II, 343) das Urtheil in abgekürzter Form, „aus cod. Bavar. Monac. 329“, mitgetheilt wird.
  108. Der bei J. v. Döllinger fehlende Schluss des Urtheils lautet in der Würzburger Hs.: lecta et lata et in scriptis promulgata est hec sentencia anno domini 1403 indiccione XI die quarta mensis Marcii, que erat dies dominicus, quo in ecclesia dei canitur Invocavit etc., in cimiterio ecclesie sancti Stephani in Wienna Pataviensis diocesis, hora terciarum vel quasi, presentibus ibidem honorabilibus et discretis viris et dominis Petro de Schulderiwein plebano in Steinestorff, Ulrico de Gretz et Henrico dicto Albus predicatoribus apud dictam ecclesiam sancti Stephani et quam pluribus fide dignis aliis testibus clericis et laicis ac maxima multitudine hominum plebis dicte parochie ibi ad audiendum verbum dei congregata.
  109. Anonymi Viennensis breve chronicon Anstriacum, in Pez, Scriptor. rer. Austr. II, 549. Auf diesen Ketzer bezieht sich ein öfters in Handschriften, u. A. in Hs. 313, 315 u. 646 der Breslauer Univ.-Bibliothek (Pertz’s Archiv XI, 701 f.) begegnender Tractat „de oblatione, narrans historiam de quodam haeretico Wiennae tempore Nicolai de Dinkelspuel combusto“.
  110. Pritz, Geschichte der ehemaligen Benedictinerklöster Garsten und Gleink (Linz. 1841), S. 32.
  111. Friess, Gesch. des Benedictinerstiftes Garsten in den Wissenschaftl. Studien und Mittheilungen aus dem Benedictinerorden II, 2 (1881) S. 251.
  112. Kink, Geschichte der Wiener Universität I, 2, 45.
  113. Articuli contra M. J. Hus per Michaelem de Causis praesentati Joanni papae XXIII, in Palacky’s Documenta mag. Joannis Hus vitam illustrantia S. 198: (Hus) habet pro se etiam generaliter omnes quasi haereticos, quia ipsorum pavit errores, scil. Leonistas, Runcarios et Waldenses, qui omnes non curant censuram ecclesiasticam – – – et propterea de facili crevit et multo amplius crescere poterit, nisi sibi cum effectu et viriliter resistatur.
  114. Thomae Ebendorferi de Haselbach Chronicon Austriacum in Pez, Scriptor. rer. Austriacar. II, 846 (ad a. 1417): ibi quoque sumpta occasione Waldenses, qui usque latuerunt, suas cervices erexerunt, primum latenter suos inducentes errores, postea vero armata manu defensare et alios ad eosdem nisi sunt compellere.
  115. Vgl. Wadding, Annales minorum X, 268 ff.
  116. Vgl. Copeybuch der gemainen Stat Wien, in Fontes rerum Austriacarum, Abth. II, Band 7 S. 32 (Verantwortung des Bürgermeisters und des Rathes der Stadt Wien auf die Klagen der Universität vom Jahr 1454): als maister Thomas (Ebendorfer) geredt hat, wie die phaffen in Behem gegen im geredt haben: wern die doctores und maister hie nicht gewesen, sie hieten langst ir prediger hie gehabt und ir glauben wer nu langst gar gen Rom gelangt. Ueber Husitische Regungen an der Wiener Universität vgl. „Husitische Propaganda“ S. 244 f.
  117. W. Böhm, Friedr. Reiser’s Reformation des K. Sigmund 8. 82. Angeblich, um seinen Freund, den Nürnbergischen Waldenser Johann von Plauen, zu suchen, ging Reiser über Linz nach Wien, überall mit den Bekannten Johann’s (wohl den „Kunden“) in Verbindung tretend; bei dieser Gelegenheit will er „umb Wien“ von Husiten gefangen und nach Tabor gebracht worden sein (Jung, Friedrich Reiser im „Timotheus“ 1822 S. 162). Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Reiser freiwillig nach Tabor gekommen ist und mit jener Erzählung dem Strassburger Inquisitor die am wenigsten gravirende Erklärung seines Aufenthaltes in Böhmen zu geben gedachte.
  118. Goll I, 30ff.; 35; 100; 118; 120; 131; 136. Camerarius, Narratio de fratrum orthodoxorum ecclesiis S. 104 f., 116. „Husitische Propaganda“ S. 290.
  119. Vgl. J. v. Döllinger, Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters II, 632 ff. Wenn Trinhuber als früher von ihm festgehaltene Glaubenssätze angibt, die Welt sei zeitlich ohne Anfang und Ende, Christus sei am Donnerstag gekreuzigt worden, Adam habe für Christus gelitten, alle Galiläer seien Heilige u. dgl., so ist darauf wohl um so weniger zu geben, als der Angeklagte jene Geständnisse zum Theil wieder zurücknahm; die Folter oder die Kreuzverhöre des Inquisitors mögen den ungebildeten Mann zum Eingeständniss dieser absonderlichen Ketzereien genöthigt haben. Thatsächlich wird wohl sein, dass er die katholischen Priester als Lügner bezeichnet und über den kirchlichen Cultus sich verächtlich ausgesprochen hatte. Im ersten Stadium seines Processes zeigte er Standhaftigkeit und erklärte, bei seinem Glauben bleiben zu wollen.
  120. a. a. O. S. 634: fassus est pluries dixisse, quod sit natione de Stira haereticus et, si non aufugisset de Stira, dudum fuisset combustus et crematus, et quod in domo paterna fuerit fovea hereticorum: dixit tamen hoc se dixisse ex levitate.
  121. Lea, History of the inquisition II, 416 nach Ripoll, Bullar. predicator. III, 577. Ueber die bis ins 17. Jahrh. nachweisbare Secte der Nicolaiten vgl. Palacky, Geschichte von Böhmen IV, 1, 463 und Gindely, Geschichte der Böhmischen Brüder I, 17. Ueber die Adamiten vgl. Palacky III, 2, 239.
  122. Kink I, 2, 25.
  123. Sprenger wird schon um 1470 als Inquisitor genannt bei Steill, Ephemerides Dominicano-sacrae II, 495, Pythzel ebenda II, 661; über Sprenger’s und Institoris’ gemeinsame Thätigkeit gegen die Hexen seit etwa 1480 vgl. Soldan-Heppe, Gesch. der Hexenprocesse I², 267 ff. Im Bisthum Regensburg wurde 1491 u. 1493 der Augustiner Wolfgang Haimstöckl mit der Verfolgung der Hexen beauftragt und 1497 von Institoris als dessen Vicar bestellt, als welcher er 1499 den Pfarrer von Abensberg zum Vorgehen gegen die angeblich dort vorhandenen Hexen auffordert (Mon. Boica XVI, 241–250). Im Jahre 1494 wurde Institoris von Salzburg, wo er als Prediger und Inquisitor zur grossen Zufriedenheit des Erzbischofs Friedrich V. gewirkt hatte, durch den Ordensgeneral abberufen und in beiden Functionen durch den Dominicaner und Baccalar Friedrich Gundelfinger ersetzt; der Erzbischof betrachtete dies als einen Eingriff in seine Machtsphäre und richtete im selben Jahre einen Beschwerdebrief an den Ordensgeneral (Codex Ff. 23a des Archivs des Stiftes Admont, Formelbuch von Chiemsee aus der 2. Hälfte des 15. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts fol. 103ab).
  124. Tractatus varii contra errores exortos adversus eucharistiae sacramentum (Nürnberg. 1495) II, Sermo 2.
  125. Vgl. meine Erörterungen in dieser Zeitschrift Bd. I Heft 2 S. 322 ff. In ein regelrechtes System sind die gegen die Niederländischen „Waldenser“ erhobenen Anklagen auf Zauberei und Teufeldienst durch den Professor der Theologie Johann Tinctoris von Tournay († 1469) gebracht worden; seinen Tractat „contra sectam Vaudensium“, der meines Wissens auch zu Ende des 15. Jahrhunderts gedruckt wurde, konnte ich in einer späteren Abschrift, die Schmincke’s Materialiensammlung für die Biographie Conrad’s von Marburg (Manuscript der Landes-Bibliothek zu Kassel) enthält, benutzen. Vgl. die zahlreichen Documente zur Geschichte der „Waldenser“ von Arras (1459–1461) bei Fredericq, Corpus documentor. inquisitionis Neerlandicae I, 345 ff.
  126. Zum Jahre 1468 berichten die Melker Annalen (Mon. Germ. Script. IX, 521): Conversus quidam Bohemus erroris articulos confingens eosque approbans, stans nudis plantis in prunis aviculas eminus volitantes ad se venire coegit et alia faciendo insueta, ob hoc episcopi in partibus Bavarie et Suevie adunati eum examinando incinerant.
  127. Vgl. Czerny, Der erste Bauernaufstand in Oberösterreich 1525 (Linz 1882) S. 51 ff.; 55 ff.; 138. Auch das Täuferthum hatte in Steyer schon um 1527 starken Anhang. Ebenda S. 57.
  128. Vgl. Czerny, Der zweite Bauernaufstand in Oberösterreich 1595 bis 1597 (Linz 1890). Noch damals war Steyer eine Hochburg des Protestantismus, neben welchem u. a. Sierning und Grieskirchen bei Wels besonders hervortreten, vgl. Czerny S. 4 ff.; 7 ff.; 223 ff.
  129. Vgl. Loserth, Hus und Wiclif (1884). Derselbe, Der Kirchen- und Klostersturm der Husiten und sein Ursprung, in der Zeitschrift f. Gesch. u. Politik 1888, Heft 4. Derselbe, Wiclif’s Buch „Von der Kirche" und die Nachbildungen desselben in Böhmen, in den Mittheilungen für Gesch. der Deutschen in Böhmen XXIV, S. 381 ff., sowie desselben Gelehrten Besprechung der Abhandlung Preger’s über das Verhältniss der Taboriten zu den Waldesiern, in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, 1889 Nr. 12.
  130. Vgl. Loserth in den Gött. Anzeigen 1889 S. 496.
  131. Am weitesten geht Wiclif in der Schrift De officio regis (Ausg. der Wiclif Society von Pollard und Sayle S. 273), welche auch den Widerstand gegen ungerechten Angriff als unchristlich verwirft: item videtur, quod omnis homo debet suffere quemlibet volentem occidere gentem vel patriam devastare, sic videlicet, quod non det occasionem ad facinus – – – fugere autem ab una civitate in aliam precipitur, sed resistere violente non videtur maturioribus Cristi discipulis convenire.
  132. Loserth in den Gött. Anzeigen S. 498 ff.
  133. Dialogus (ed. Pollard) cap. 26 S. 53: cum ergo Christus non ordinavit istas universitates sive collegia, manifestum videtur, quod ista, sicut graduaciones in illis sunt vana gentilitas introducta.
  134. Vgl. meine Bemerkungen in der Hist. Zeitachr. N. F. XXV, 64 f.
  135. Preger, Ueber das Verhältniss etc. a. a. O. S. 44 ff. und dazu die angeführte Besprechung von Loserth, ferner den Artikel von Goll „Die Waldenser im Mittelalter und ihre Literatur“ in den Mittheilungen des Instituts für Oesterr. Gesch. IX (1888), 326–351, sowie meine in der vorausgehenden Note angeführten Bemerkungen. Lea, History of the Inquisition II, 522 f. (vgl. auch II, 512), äussert sich zu der Frage nach der Waldensischen Beeinflussung der Taboriten etwas schwankend, nimmt aber doch das Bestehen enger Beziehungen zwischen beiden religiösen Parteien an. Von mir selbst war früher (vgl. „Die religiösen Secten in Franken“ S. 28 ff.) der Einfluss des Wiclifismus auf das Taboritenthum unterschätzt worden.
  136. Loserth in den Gött. Anzeigen S. 504.
  137. Wir werden später sehen, dass die Taboriten von einzelnen zeitgenössischen Berichterstattern, wie Johann Papausek und Thomas Ebendorfer geradezu Waldenser genannt worden sind (Höfler, Geschichtschreiber III,159; Döllinger, Beiträge II, 682 f.); für unser Urtheil kann dies ebensowenig bestimmend sein wie die Thatsache, dass man den Taboriten von anderer Seite mit Vorliebe den Beinamen „Wiclifiten“ beilegte.
  138. Dieses Bedenken richtet sich zum Theil auch gegen Loserth’s Beweisführung in den Göttinger Anzeigen, wo aus der Fassung und Begründung des Taboritischen Bekenntnisses von 1431 (Höfler, Geschichtschreiber der Husit. Bewegung II, in Fontes rer. Austr. VI, 596–700 und Lydius, Waldensia I. 1 ff.) sehr bestimmte Schlüsse auf die im ersten Stadium der Husitischen Bewegung wirksamen Kräfte gezogen werden. Mit der Berufung Peter Payne’s auf Wiclif bezüglich des Fegfeuers im Jahre 1436 lässt sich für die Quelle der Taboritischen Lehre doch schwerlich etwas beweisen: denn erstlich war Peter Payne in erster Linie Wiclifit, der erst nach langem Schwanken sich den Taboriten anschloss; zweitens aber entstammt jener Satz Payne’s einem Gutachten, das gemäss der vorausgegangenen Vereinbarung ausdrücklich auf die Schriften von Hus, Wiclif und Payne selbst sich gründen sollte und sich thatsächlich gegen das Taboritische Bekenntniss wandte (Höfler a. a. O. S. 704 ff.). Für die Beurtheilung des Bekenntnisses der Taboriten von 1431 als Quelle für die Kenntniss der religiösen Anschauungen des radicalen Husitenthums ist die Thatsache nicht ausser Acht zu lassen, dass die Taboritenpartei sich damals schon in der Defensive gegenüber den conservativen Parteien befand und der Gefahr, mit Wiclif’s Schriften, die auch für ihre Gegner bis zu einem gewissen Punkte Autorität waren, in Widerspruch zu gerathen, sich in keinem Falle aussetzen durfte.
  139. Palacky, Documenta mag. Joaanis Hus vitam – – – illustrantia S. 634. 655; Höfler, Fontes II, 392; Monumenta concil. general. saec. XV. T. I, 274.
  140. Goll, Quellen u. Untersuchungen zur Gesch. der Böhm. Brüder II, 87; Czerwenka, Gesch. der evangel. Kirche in Böhmen II, 110 f.
  141. Ueber Wiclif’s Lehre vom Fegfeuer vgl. Loserth, Gött. Anzeigen S. 498 f. und die dort angeführten Stellen aus Wiclif’s Schriften. Ich führe ferner aus Wiclif’s Sermonen (ed. Loserth) an die Stelle in Pars I, Sermo 53 (Loserth I, 353): „anime enim plene purgate a peccatorum reli- quiis statim advolant, anime autem in purgatorio sunt sine suo corpore premiande“. Vgl. Wiclif, Sermones ed. Loserth II, 389: „si enim amore recto finaliter in deum tenderit, erit salvus, si autem amore obliquo refractus fuerit finaliter a creatura, oportet eum ab illis angulis in purgatorio expurgari“. De nova praevaricantia mandatorum c. 3 (polemical works in Latin, ed. Buddensieg S. 125): „[cristianus] potest faciliter intellectum et affectum, qui fuerunt in viatore pro statu innocencie supra illum statum erigere. et deficiendo ab isto citra gradum peccati irremissibilis in purgatorio est purgandus“. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist auch von den Englischen Lollarden die Existenz des Fegfeuers in Abrede gestellt worden (Lechler, Johann v. Wiclif II, 430).
  142. Palacky, Documenta S. 679; Monumenta conciliorum a. a. O.; Goll II, 42; Gindely, Gesch. der Böhm. Brüder I, 43. Auch der in gleich engem Verhältniss zu den Waldensern wie zu den Taboriten stehende Johann von Drändorf verwirft den Eid; vgl. oben S. 358.
  143. Die Taboritische Anschauung, dass unwürdige Priester die Macht, die Sakramente wirksam zu spenden, verlieren, ist von Preger wohl mit Recht auf Waldensischen Ursprung zurückgeführt worden. Weder Wiclif, noch Hus haben einen solchen Satz gelehrt, während für das Bekenntniss der Lombardischen Waldenser jene Anschauung von grundlegender Bedeutung ist. Allerdings haben auch die Englischen Lollarden die Waldensische Auffassung getheilt, was aber schwerlich dazu hinreichen dürfte, eine Beeinflussung der Taboriten seitens des Waldenserthums mit Loserth bestimmt in Abrede zu stellen.
  144. Goll II, 40; Preger a. a. O. S. 8.
  145. Goll a. a. O.
  146. Goll II, 58 (Schreiben des Jacobellus von Mies gegen Mag. Johannes Jičin); Höfler, Geschichtschr. der Husit. Bewegung I, 37. 80; Palacky, Gesch. v. Böhmen IV, 1, 306 f.
  147. Vgl. z. B. Höfler I, 94.
  148. Palacky III, 1, 394 f. Der erste, mit dem Namen „Tabor“ bezeichnete Versammlungsort der radicalen Husiten lag bei Bechin (Höfler I, 35); erst später wurde der früher Hradiste benannte Hügel bei Austi der Mittelpunkt der Partei und seitdem „Tabor“ genannt. (Höfler I, 79; Palacky III, 1, 416 f.)
  149. Palacky III, 2, 228; 234 Anm.; 238 ff. Ueber die Böhmischen „Adamiten“ – man erinnere sich, dass ganz die gleichen Vorwürfe, wie ihnen, den Oesterreichischen Waldensern des beginnenden 14. Jahrhunderts und nachmals den Böhmischen Brüdern gemacht wurden – vgl. meine Bemerkung unten.
  150. Vgl. die interessanten Mittheilungen bei Goll I, 30 über die Streitschrift der „kleinen Partei“ innerhalb der Brüderunität aus dem Jahre 1496, welche den Ursprung der Unität indirect auf die Waldenser zurückführte. Seit Constantin und Sylvester sei nur Petrus der Waldenser mit seiner kleinen Partei dem rechten Glauben treu geblieben. Aus dieser Quelle, den Waldensern, ist Wiclif, ist Matthias von Janow, ist Hus entsprungen; auch die directe Anregung und Förderung der Unität durch den Waldenserbischof Stephan wird anerkannt, während bekanntlich im 16. Jahrhundert die Böhmischen Brüder ihre einstigen engen Beziehungen zu den Böhmischen Waldensern geflissentlich in Abrede stellten.
  151. Vgl. Schlesinger, Die älteste Geschichte der Stadt Saaz, in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen XXVI (1888) S. 245 ff.; Derselbe, Saaz in der Husitenzeit bis zum Tode Zižka’s, ebenda XXVII (1889) S. 97 ff., wo die Tschechisirung der Stadt seit 1413 nachgewiesen wird.
  152. Husitische Propaganda S. 284 f.
  153. Vgl. die Polemik zwischen Höfler (Geschichtschreiber I, S. xiij f. III, 199) und Palacky (Die Geschichte des Hussitenthums und Prof. Constantin Höfler S. 106 ff.), bei welcher es Palacky offenbar an der Objectivitat des Urtheils fehlen lässt. Ueber Laurentius „Teutonicus“ von Reichenbach, Pfleger der Burg Landsberg vgl. Höfler II, 740; 742; 745. Friedrich Reiser wurde von Procop dem Grossen um 1433 nach dem Deutsch-Böhmischen Landscron gesandt, um dem dortigen Deutschen Priester der Taboriten zur Seite zu stehen (Böhm, Friedrich Reiser’s Reformation des Kaisers Sigmund S. 84). Die beiden Deutschen Husiten, Bartholomäus Rautenstock und Johann von Drändorf sind gleichfalls in Böhmen als Geistliche thätig gewesen (s. oben). Aus dem Husitischen Anhang unter der Bevölkerung der Deutschen Städte Landscron und Fulnek erwuchsen später Gemeinden der Böhmischen Brüder, deren in Deutscher Sprache abgefasstes Gesangbuch noch erhalten ist (Loserth in den Mittheilungen des Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen XXII [1889] S. 215 ff). Den Prager Utraquisten Deutscher Nationalität wurde um 1420 die Kirche zum heiligen Geiste eingeräumt (Höfler I, 396. Vgl. auch ebenda I, 370). Die Böhmischen Gesandten auf dem Baseler Concil bestanden darauf, ihren Begleitern in Deutscher Sprache zu predigen, weil diese zum Theil nicht Tschechisch verstünden (Palacky III, 3, 70).
  154. Vgl. oben S. 356 ff.
  155. Husitische Propaganda S. 241.
  156. Vgl. oben S. 381 Anm. 4.
  157. Ueber den gegen Nicolaus von Welemowicz, genannt Abraham, als angeblichen Waldenser 1408 eingeleiteten Process and dessen Vertheidigung durch Hus vgl. Palacky, Documenta mag. Joannis Hus vitam illustrantia S. 184. 342. 731.
  158. Höfler, Geschichtschreiber III, 159. Vgl. die von Goll (Mittheilungen des Oesterr. Inst. IX, 342) angeführte Stelle des Joh. Pribram. Döllinger Beiträge II, 632 f.
  159. Vgl. darüber Goll II, 47 f. Dass in den ersten Anfängen des Taboritenthums das absolute Verbot des Tödtens aufgestellt wurde, geht aus der von Preger S. 99 angezogenen Stelle der Antithesen von 1418 hervor. Vgl. v. Bezold, Zur Geschichte des Husitenthums S. 21. In dem von Goll II, 60 mitgetheilten Briefe Jacobell’s an Johann Jičin vom Jahre 1419 heisst es dagegen schon: Nonne prius predicastis contra occisionem et quomodo iam res sit versa in oppositam qualitatem! Unter den Ketzereien, welche auf dem Basler Concil den Böhmen zum Vorwurf gemacht worden, begegnet auch der Vorwurf, dass die Todesstrafe von ihnen unbedingt verworfen würde. Gelegentlich einer darüber geführten Discussion erklärte Nicolaus von Pilgram mit aller Bestimmtheit: de homicidio dico, quod secundum legem dei communem non licet per homicidium puniri (Monumenta concilior. general. saec. XV. T. I, 309; 347). Als der Mag. Aegidius Carlier in einer Sitzung des Basler Concils die Berechtigung der Todesstrafe vertheidigte, bemerkte Rokyczana, in vielen Jahren sei, dem göttlichen Gesetz gemäss, Niemand mehr wegen Diebstahls gehängt worden. (Ebenda 8. 341 und dazu v. Bezold S. 22.)
  160. Eine Untersuchung über die Berechtigung der gegen die sogenannten „Adamiten“ erhobenen Anklagen liegt ausserhalb unserer Aufgabe. Bei der Art, in welcher man auch unter den Husiten von den angeklagten Ketzern Geständnisse erpresste – Martin Hauska und sein Genosse Procop der Einäugige wurde zu diesem Behufe bis auf die Gedärme gebrannt (Palacky, Gesch. Böhmens III, 2, 236) – wird man den angeblichen Bekenntnissen der „Adamiten“ über ihre Orgien und sonstigen Unthaten wenig Glaubwürdigkeit beimessen dürfen. Was die Partei in erster Linie von den Taboriten schied, war ihre Leugnung der Transsubstantiation. Ein tiefer gehender Gegensatz spricht sich in dem Satze des Martin Hauska aus (Höfler, Geschichtschreiber II, 829): sufficit ad salutem, vivere vitam Christi sine papis et doctoribus. Eine eingehendere Untersuchung dürfte vielleicht den Waldensischen Einfluss, den Lea II, 518 für Martin Hauska und die Chiliasten annimmt, auch für die verketzerten „Adamiten“ nachzuweisen vermögen. Einzelne werthvolle Bausteine zu einer solchen Untersuchung finden sich in Beausobre’s „Dissertation sur les Adamites“ in Lenfant’s Histoire de la guerre des Husites, T. I (1731) S. 304 ff. Auch die Böhmischen Brüder hat man nachmals geradezu „Adamiten“ genannt. Goll I, 119.
  161. Vgl. die Hauptstelle des Lorenz von Brezowa bei Höfler I, 414. Darnach kommen die Picardi, vertrieben propter legem dei, cum uxoribus et pueris nach Prag; sie haben einen „vir Latinus, qui in eorum linguagio libellos eis legebat“. Die Erwähnung der Frauen und Kinder gestattet nicht, an wirkliche Begharden zu denken. Der „vir Latinus“ ist jedenfalls ein des Lateinischen Kundiger; da die Sprache seiner Vorträge in Prag fremd war, können die Vertriebenen keine Deutschen gewesen sein. Die ebenfalls von Lorenz von Brezowa berichtete Thatsache, dass die Königin Sophie sich ihrer eifrig annahm, würde sich am ersten daraus erklären, dass die Flüchtlinge Anhänger Wiclif’s waren, für dessen Lehren die Königin von Hus gewonnen worden war (vgl. z. B. Palacky, Documenta S. 411 ff.). Neben andern betrachtet namentlich Palacky (Ueber das Verhältniss der Waldenser etc. S. 20 f.) die „Picarden“ von 1418 als Romanische Waldenser. Dass solche um jene Zeit nach Böhmen flüchteten, scheint aus einer Angabe Friedrich Reiser’s (Böhm S. 81) hervorzugehen, wonach angeblich Reiser um 1420 in der Nähe von Basel auf vertriebene Waldenser, welche sich nach Böhmen begaben, gestossen ist; doch beruht möglicherweise die Stelle auf freier Erfindung von Reiser’s Biographen Jung. Für Palacky’s frühere Annahme (Gesch. v. Böhmen III, 2, 228), die „Picarden“ von 1418 seien aus den Niederlanden gekommen, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Principiellen Widerspruch gegen die katholische Lehre von der Transsubstantiation – gerade dieser charakterisirte in den Augen der Böhmen die Picarden von 1418 – hat das Waldenserthum, wie es scheint, nicht erhoben (vgl. C. Müller, Die Waldenser S. 117).
  162. Ochsenbein, Aus dem Schweizerischen Volksleben des 15. Jahrhunderts S. 384.
  163. Mansi, Collectio conciliorum XXIX, 402.
  164. Vgl. „Husitische Propaganda“ S. 282 und meine „Waldensia“ in der Zeitschrift für Kirchengeschichte X, 2 (1888) S. 311 f.
  165. Monum. concil. gener. saec. XV. T. I, 352; Aeneas Sylvius, Epistolae 130 (Dialogus contra Bohemos); Husitisohe Propaganda S. 284.
  166. Goll I, 100.
  167. Goll I, 30 f. Ein Mitglied der Unität schrieb um 1470 an Rokyczana: Da ihr die Waldenser duldet und liebt, die mit uns, was den Glauben betrifft, gleich gesinnt sind – denn so oft wir uns mit ihnen besprachen, fanden wir, dass sie im Glauben von uns sich nicht entfernen, vorzüglich in den gründlichen Dingen: warum sollte uns keine Duldung gewährt werden? Goll I, 22.
  168. Goll II, 33 ff.
  169. Unter den ersten Gliedern der Unität finden sich Johann aus Cheltschic, Heinrich aus Tabor, Georg von Schüttenhofen, Procop von Neuhaus. Gindely, Gesch. d. Böhm. Brüder I, 27.
  170. Dabei ist allerdings nicht ausser Acht zu lassen, dass jene Böhmisch-Oesterreichischen Waldenser, wie sich aus den über Friedrich Reiser vorliegenden Nachrichten ergibt, sich zum guten Theil das Taboritische Bekenntniss zu eigen gemacht hatten.
  171. Goll I, 88 Anm. 1, 30 ff.; 100 f.; 118; 122 Anm. 1. Die „Priester Römischer Weihe“ (sacrifici papistici), auf deren Rath die Waldenser die Beziehungen zu den Böhmischen Brüdern um 1460 abbrachen, können unmöglich wirkliche Katholiken gewesen sein; es waren vielmehr ohne Zweifel die Führer der Utraquisten, vermuthlich Rokyczana selbst, welche die beabsichtigte Union hintertrieben. In der Streitschrift der „kleinen Partei“ von 1496 heisst es, dass von den Waldensischen Priestern zwei „zur Macht der Welt übergegangen seien“; damit ist jedenfalls deren Uebertritt zum katholisirenden Utraquismus verstanden (Goll I, 30; 100; 119).
  172. Goll I, 66 f.; 120 f. Joach. Camerarius, Narratio de fratrum orthodoxorum ecclesiis S. 104 ff. 117.
  173. Vgl. Husitische Propaganda S. 294 ff.
  174. Folgt die Bedrohung des etwaigen Rückfalls der Verurtheilten mit abermaliger Excommunication.
  175. Folgt nochmalige feierliche Urtheilsverkündigung und Vorbehalt der Modification und Milderung der verhängten Strafen.
  176. Folgt die Lossprechung der Verurtheilten vom Kirchenbanne.
  177. Folgt feierlicher Urtheilsschluss mit Vorbehalt der Modificirung der verhängten Bussen.
  178. Folgt Titulatur wie im Eingang von Nr. 1.
  179. Der Druck bei Döllinger bedarf an verschiedenen Stellen der Verbesserung. S. 348 unten muss es statt: animum tuum monentes heissen: a. t. movente; S. 349 oben statt: confessus et quod ist zu lesen: c. es, quod; S. 349 unten statt Heinricum de Gelking lies: H. de Zelking; S. 349 unten ist die Lücke bei Döllinger folgendermassen zu ergänzen: quod, si tibi mandaremus vel iuramentum iuste proponeremus, iurare velles. Der Schluss der Anklage gegen Gundel (Döllinger S. 350 unten) lautet in den Handschriften: ex quibus omnibus et singulis es merito hereticus periurus, ficte conversus, impenitens et in abiuratam in iudicio heresim relapsus reputandus, dicendus et iudicandus; die Anklage gegen Dyemuet schliesst mit den Worten: ex quibus omnibus et singulis es merito heretica obstinata et impenitens censenda, dicenda et iudicanda.
  180. Folgt die Erklärung, dass die Angeklagten theils rückfällige, theils halsstarrige Ketzer sind, denen Gnade nicht gewährt werden kann.
  181. Datum und Ausstellungsort der Urkunde fehlen.
  182. Die eingeklammerten Worte, die in der Hs. fehlen, sind von mir ergänzt.
  183. Folgt die zusammenfassende Erklärung, dass die Angeklagten rückfällige Ketzerinnen sind, für welche das kanonische Recht Verzeihung nicht zulässt.