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hätten. Wenn man nach dem Vorbilde des Römischen Census die schriftlichen Meldungen des Personalbestandes in mündliche verwandelte, so würde es sich dadurch zur Genüge erklären, warum die Meldezettel, durch welche sich uns die einzige Kunde von jenen Zählungen erhalten hat, von einer bestimmten Zeit an verschwinden.

Uns ist die bisher noch nie gelöste Aufgabe gestellt, einen Grund zu finden, warum man den Cyclus gerade auf fünfzehn Jahre bemass; dass die Anknüpfungspunkte dafür in Aegypten gesucht werden müssen, steht ausser allem Zweifel. Wenn sich nun hier eine ältere Periode thatsächlich findet, von der aus der Uebergang zu dem späteren Indictionencyclus sich leicht und natürlich erklären lässt, so kann man doch kaum den Schluss abweisen, dass wir in ihr das Wort des Räthsels zu suchen haben.

Wie aber kam man dazu, diesen neuentstandenen Cyclus für die Datirung zu benutzen? Den Anlass dazu bot wahrscheinlich die Vielherrschaft, die mit Diocletian begann und im ganzen 4. Jahrhundert nur sehr wenige und kurze Unterbrechungen erfuhr; denn sie machte die Zeitrechnung nach Kaiserjahren, die vorher in Aegypten geherrscht hatte, gar zu weitschweifig und complicirt. So bedurfte man z. B., um das Jahr 313/14 zu bezeichnen, folgender langen Tirade: „Im 10. Jahre des Maximinus Augustus, im 9. des Constantinus Augustus, im 6. des Licinius Augustus“, oder für das Jahr 333/34: „Im 29. Jahre des Constantinus Augustus, im 18. des Constantinus Cäsar, im 10. des Constantius Cäsar, im 2. des Constans Cäsar.“ Irgend einen der Kaiser aus der Reihe wegzulassen, wäre für diesen beleidigend gewesen; man musste sie also alle neben einander nennen und bei jedem eine andere Jahreszahl! Jedenfalls war es viel bequemer, wenn man einfach sagte: „Im so und so vielten Jahre nach der letzten Volkszählung“ oder, da ja jedes Jahr mit der Ansage der Steuern begann, „in der so und so vielten Indiction“. Wahrscheinlich ist diese Form der Datirung nicht gesetzlich eingeführt, sondern zuerst im Volksmunde entstanden und dann allmählich auch in den officiellen Sprachgebrauch eingedrungen[1].

  1. Die alte Art der Datirung nach Kaiserjahren finde ich zum letzten Male in einer Aegyptischen Urkunde vom 25. Juli 307 (Führer Nr. 291); die Rechnung nach Indictionen lässt sich zuerst 321/22 nachweisen (S. 288 Anm. 2). Dass das Aufhören jener und der Beginn dieser zusammenhängen, ist darnach mehr als wahrscheinlich.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_294.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)