Die Entstehung des Indictionencyclus

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Autor: Otto Seeck
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Titel: Die Entstehung des Indictionencyclus
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 12 (1894/95), S. 279–296.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
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[279]
Die Entstehung des Indictionencyclus.
Von
Otto Seeck.


Die Hypothese Savigny’s, dass der fünfzehnjährige Indictionencyclus die Censusperiode der späteren Kaiserzeit gewesen sei, hat bei Vielen Beifall, bei Einzelnen Widerspruch erfahren, aber Jeder hat sich bisher begnügt, sie als Vermuthung hinzunehmen oder ihr andere, nicht besser begründete Vermuthungen entgegenzustellen. Dass wir sie vermittelst der zahlreichen Andeutungen, die uns über die Zeit thatsächlich abgehaltener Schatzungen theils im Gesetzbuch des Theodosius, theils in anderen Quellen erhalten sind, entweder zur Gewissheit erheben oder endgültig widerlegen können, scheint bisher Keiner bemerkt zu haben. Wir thun daher wohl nichts Ueberflüssiges, wenn wir die vielbesprochene Frage noch einmal aufnehmen und zunächst auf jene Hypothese die Probe machen. Die Gesetze des Codex Theodosianus erstrecken sich über den Zeitraum von 312 bis 437 n. Chr., der neun Anfangsjahre des Cyclus umfasst, nämlich 312/13, 327/28, 342/43, 357/58, 372/73, 387/88, 402/3, 417/18, 432/33. Für zwei von diesen Jahren lässt es sich mit Sicherheit nachweisen, dass in ihnen ein Census stattgefunden hat, und bei zwei anderen finden sich Anzeichen, die auf dasselbe hindeuten.

Am 18. Januar 313 schreibt Constantin der Grosse, es sei ihm zu Ohren gekommen, dass die städtischen Rechnungsbeamten die Lasten der Mächtigen auf die kleinen Leute abwälzten. Daher solle Jeder, der nachweisen könne, dass er in dieser Weise benachtheiligt sei, nur nach der Höhe seiner ursprünglichen [280] Steuererklärung abgeschätzt werden[1]. Offenbar fällt diese Verordnung in eine Zeit, wo die Steuererklärungen kurz vorher abgegeben und die Stadtschreiber eben im Begriffe waren, auf Grund derselben die Schatzungslisten aufzustellen. Mithin kam 313 ein Census zum Abschluss, der 312 begonnen hatte.

Das Datum des 14. Mai 417 tragen mehrere Fragmente der Instruction für einen höheren Schatzungsbeamten[2]. Und ausserdem sind noch zwei Gesetze, das eine vom gleichen Datum, das andere vom 15. November 418 erhalten, die sich gleichfalls mit dem Census beschäftigen[3]. Darnach darf als sicher gelten, dass dieser in den Jahren 417 und 418 abgehalten wurde.

Minder unzweideutig sind die folgenden Zeugnisse: Am 4. April 372 verfügt Kaiser Valens: wer seine Abschätzung den Stadtschreibern überlasse, statt persönlich die Steuererklärung abzugeben, sei mit Confiscation zu bestrafen[4]. Auch dieses Gesetz wird man wohl am passendsten als Instruction für einen bevorstehenden Census auffassen. Zweifellos haben diese Bedeutung zwei zusammengehörige Fragmente, von denen das eine für die Feststellung der Rechnungseinheiten (capita), nach denen die Steuern zu entrichten waren, neue Normen schafft, das andere von dem Widerstande gegen die Schatzungsbeamten redet[5]; doch sind sie mit dem Datum des 27. März 386 unterschrieben, scheinen also im vorletzten, nicht, wie man nach den vorhergehenden Beispielen erwarten sollte, im letzten Jahre des Indictionencyclus erlassen zu sein. Ob im Consulat der Unterschrift ein Fehler steckt[6] oder ob Kaiser Theodosius früher, als [281] dies sonst üblich war, für den herannahenden Census seine Vorbereitungen traf, wagen wir nicht zu entscheiden. Jedenfalls liegen auch diese Fragmente dem Epochenjahr des Cyclus nahe genug, um Savigny’s Theorie zu unterstützen.

Denn wenn von den neun Anfangsjahren der fünfzehnjährigen Periode, die für uns in Betracht kommen, sich bei vieren, also fast bei der Hälfte, ein Census theils mit Sicherheit, theils mit Wahrscheinlichkeit nachweisen liess, so kann das unmöglich Zufall sein. Mithin darf es wohl als erwiesen gelten, dass der Cyclus regelmässig mit einer Schatzung begann; aber dass er mit der Schatzungsperiode zusammenfiel, wie Savigny annahm, ist darum doch nicht richtig.

In Bezug auf Census- und Steuerfragen reden die Gesetze mehrmals von einem Quinquennium[7]; namentlich pflegen die rückständigen Zahlungen für fünf Jahre oder für ein Multiplum davon erlassen zu werden, und zwar sind die Jahre, bis zu denen diese Indulgenzen reichen, regelmässig erste, sechste oder elfte Indictionen[8]. Und wie kaiserliche Verordnungen und andere Nachrichten, die sich auf die Schatzung beziehen, oft um die ersten Indictionen gruppirt sind, so auch um die sechsten und elften. Folgende Beispiele habe ich bisher sammeln können.

[282]
Sechste Indictionen.

362/63. Während vorher nur die ländliche Bevölkerung dem Census unterlegen hatte, verfügte Kaiser Julian, dass auch die Städter, soweit sie Christen waren, eingeschätzt werden sollten[9]. Daraus darf man wohl schliessen, dass unter der Alleinherrschaft Julian’s, die nur vom 3. November 361 bis zum 26. Juni 363 währte, eine Schatzung stattgefunden hat. Denn dass er ein Gesetz erliess, das erst nach einem Jahrzehnt in Kraft treten konnte, ist doch kaum anzunehmen. Als Bestätigung kommt hinzu, dass am 26. October 362 ein Erlass der Steuerreste erfolgte[10].

377/78. Am 2. November 377 bestimmte Valens, wer ein verlassenes Patrimonialgut von den Censusbeamten zugetheilt erhalte, solle als rechtmässiger Besitzer gelten. Am 9. August desselben Jahres wird ein Gesetz über die Vertheilung der Naturalsteuern erlassen[11].

392/93. In zwei Gesetzen vom 3. April und 29. November 393 ist die Rede von Beschwerden wegen zu hoher Einschätzung[12]; der Census scheint also kurz vorher abgeschlossen zu sein.

422/23. Ein Gesetz, dessen Unterschrift den 20. Februar 422 nennt, redet davon, dass die Resultate des Census kürzlich den kaiserlichen Finanzämtern eingereicht seien[13], und bestimmt auf Grund derselben, wie viele Einheiten der Steuerrechnung dem proconsularischen Afrika und der Byzacena zugeschrieben werden sollen. Dies würde auf eine Schatzung im Jahre 421/22 hinweisen; doch ist das Consulat ohne Zweifel falsch überliefert. Denn der Comes rerum privatarum Venantius, an den die Urkunde gerichtet ist, bekleidete sein Amt noch nicht an dem oben genannten Tage. Noch am 25. August 422 wird sein [283] Vorgänger Proculus erwähnt[14], und erst im folgenden Jahre erscheint dieser zum Präfecten befördert und Venantius in seine frühere Stelle eingerückt[15]. Man wird also wohl hier, wie an so vielen anderen Orten (S. 280, Anm. 6), das Consulat durch das Postconsulat zu ersetzen haben, womit der Schluss des Census seine richtige Stelle in der sechsten Indiction findet.

Von den acht sechsten Indictionen, die in den Zeitraum des Codex Theodosianus fallen, sind also bei vieren Schatzungen nachweisbar.


Elfte Indictionen.

322/23. Das Fragment einer Schatzungsliste der Stadt Volcei, das uns inschriftlich erhalten ist[16], zeigt in der Ueberschrift das Consulat von 323. Eine Urkunde, deren Inhalt so schnell veralten musste, hat man gewiss zu keiner anderen Zeit in Stein gegraben, als unmittelbar nach Abschluss des Census.

367/68. Am 3. Juni 367 bestimmte Valentinian: wer sich für zu hoch eingeschätzt halte, dürfe, wenn er persönlich seine Steuererklärung abgegeben habe, innerhalb fünf Monaten, – wenn er abwesend censirt sei, innerhalb eines Jahres, nach Abschluss der Schatzung Reclamation erheben[17].

382/83. Am 4. Juni 381 verfügt Theodosius der Grosse, dass derjenige, welcher Weinculturen oder Baumpflanzungen absichtlich ruinire, um dadurch eine niedrigere Einschätzung zu erzielen, mit Tod und Confiscation bestraft werden solle[18]. Ganz ohne Anlass pflegt man ein solches Gesetz nicht zu erlassen; man muss also voraussetzen, dass kurz vorher dem Kaiser Vergehen jener Art zur Kenntniss gekommen waren, was auf einen bevorstehenden Census hinweisen würde. Der Zwischenraum, welcher diesen von jenem Gesetze trennte, würde allerdings ein volles Jahr betragen, wäre also etwas lang; doch wer den traurigen Zustand kennt, in dem die Datirungen des Codex Theodosianus uns überliefert sind, wird auf solche Bedenken geringen [284] Werth legen. Durch die leichte Conjectur prid. k. Jan. statt prid. n. Jun. wäre z. B. jede Schwierigkeit beseitigt.

412/13. Vom 6. Juni 412 ist eine Instruction für den Census theilweise erhalten[19].

307/8. Endlich ist noch eine Schatzung zu nennen, die zwar nach der bis jetzt herrschenden Meinung vor dem Anfang der Indictionenära liegt, aber sich ihrer Regel durchaus fügen würde. Als in Rom der Aufstand des Maxentius ausbrach (28. October 306), war Galerius nach dem Berichte des Lactanz eben im Begriff, die Beamten für den bevorstehenden Census zu ernennen[20]. Darnach kann dieser selbst nicht vor 307 begonnen haben.

Nach diesen Zeugnissen lässt sich folgende Reihe von Schatzungen aufstellen, wobei wir diejenigen, von denen nichts überliefert ist, in eckige Klammern einschliessen: 307/8, 312/13, [317/18], 322/23, [327/28, 332/33, 337/38, 342/43, 347/48, 352/53, 357/58], 362/63, 367/68, 372/73, 377/78, 382/83, 387/88, 392/93, [397/98, 402/3, 407/8], 412/13, 417/18, 422/23. Der Census beginnt immer in denjenigen Jahren der christlichen Aera, bei deren Zahlen die Einer 2 oder 7 sind, und endet in den folgenden, so dass sein Schluss regelmässig in die erste, sechste oder elfte Indiction fällt. Der fünfzehnjährige Cyclus ist also zwar nicht mit der Schatzungsperiode identisch, steht aber zu ihr in einem festen Verhältniss, insofern drei Censusperioden einen Indictionencyclus bilden[21].

[285] Die fünfjährige Wiederkehr der Schatzung tritt uns schon anderthalb Jahre nach der Abdankung Diocletian’s als fest geordnete Institution entgegen. Denn gewiss hätte man unter den Stürmen des Bürgerkrieges, der im Jahre 307 ausgefochten wurde, nicht an die Abhaltung eines Census gedacht, wenn der Zeitpunkt für denselben nicht schon vorher gesetzlich fixirt gewesen wäre. Auch dass die Periode doch offenbar dem Lustrum der Römischen Republik nachgebildet ist, muss uns veranlassen, ihre Einführung auf Diocletian zurückzuführen. Denn bei ihm verräth sich oft das Bestreben, seine Neuerungen an verschollene Institutionen des grauen Alterthums anzuknüpfen, eine Tendenz, die seinen Nachfolgern Constantius und Galerius ganz fremd ist. Zudem berichtet uns das Syrische Rechtsbuch (§ 121), dass diejenigen Rechnungseinheiten, nach denen in den letzten Jahrhunderten der Kaiserzeit das steuerbare Vermögen bestimmt wurde, durch Diocletian geschaffen sind, und diese Nachricht klingt um so glaubwürdiger, als auch das Wort capitatio, das die neue Form der Einschätzung und die nach ihr erhobene Steuer technisch bezeichnet, vor der Zeit dieses Kaisers nicht nachweisbar ist[22]. Wenn aber von ihm eine grosse Umgestaltung des ganzen Schatzungswesens ausging, so wird man geneigt sein, auch die Periodisirung des Census als Bestandtheil jener Reform zu betrachten. Dem steht freilich entgegen, dass der erste Census, der nach den Regeln der Capitatio vollzogen wurde, sich dem chronologischen Gesetz der Periode nicht fügen will.

Am 15. Juli und am 6. September 290 entscheidet Diocletian zwei Processe, die auf Grund der Steuererklärungen eines vorhergehenden Census angestrengt waren[23]. Schon dieses macht es wahrscheinlich, dass er nicht, wie es der späteren Regel entsprechen würde, im Jahre 287/88 stattgefunden hatte, sondern [286] erst 289/90. Zwingend ist diese Annahme freilich nicht, da die Processe sich an die Schatzung, welche ihre Ursache war, ja nicht ganz unmittelbar anzuschliessen brauchten. Dagegen muss folgende Verordnung gleich nach dem Abschluss des Census erlassen sein: Cod. Just. XI 55, 1: Exemplum sacrarum litterarum Diocletiani et Maximiani AA. ad Charisium. Ne quis ex rusticana plebe, quae extra muros posita capitationem suam detulit et annonam congruam praestat, ad ullum aliud obsequium devocetur neque a rationali nostro mularum fiscalium vel equorum ministerium subire cogatur. Sine die et consule. „Das Landvolk, das seine Steuererklärung abgegeben hat und nun die entsprechende Kornsteuer bezahlt,“ so kann man sich nur ausdrücken, wenn die Zeit der Steuererklärungen erst ganz kürzlich zu Ende gegangen ist und das Steuerzahlen eben erst begonnen hat. Die Urkunde ist nicht datirt, aber der Charisius, an den sie gerichtet ist, findet sich am 10. Mai 290 als Praeses Syriae genannt[24]. Dies hindert freilich nicht, sie schon in’s Jahr 288 zu setzen; denn warum sollte jener Beamte nicht auch schon damals die Statthalterschaft von Syrien oder irgend eine andere bekleidet haben? Gleichwohl wird man es kaum als Zufall betrachten können, dass von den drei Verordnungen, welche dieses Census erwähnen, zwei das Jahr 290 ausdrücklich nennen und die dritte sehr bestimmt auf das gleiche Jahr hinweist.

Hierzu kommt noch ein Zweites. Anfang 286 hatte sich der Cäsar Diocletian’s eigenmächtig zum Augustus ausrufen lassen, und noch Jahre nachher blieb das Verhältniss zwischen den Mitregenten sehr gespannt, so dass ein gedeihliches Zusammenwirken beider Reichshälften zu einer grossen organischen Reform kaum zu erhoffen war. Erst auf dem Congress zu Mailand im Winter 288/89 versöhnten sich die Kaiser wieder[25], und höchst wahrscheinlich hat diese Zusammenkunft ihnen auch die Gelegenheit geboten, die Neuerungen, welche in Verfassung und Verwaltung des Reiches nöthig schienen, zu besprechen und gemeinsam vorzubereiten. Wenn also jene drei Urkunden darauf hinweisen, dass im Jahre 289 der erste Census, der nach den Normen der Capitatio abgehalten wurde, seinen Anfang nahm, [287] so entspricht dies auf’s beste den gesammten Zeitverhältnissen. Vermuthlich ist noch in Mailand selbst das Gesetz, das die neue Form der Schatzung regelte, erlassen und zugleich seine sofortige Anwendung befohlen worden.

Es gehörte zum Charakter Diocletian’s, seine gesetzgeberischen Pläne hastig zur Ausführung zu bringen, noch ehe sie ganz zum Abschluss gelangt waren, so dass jede seiner Reformen immer noch durch ihn selbst Ergänzungen und Nachträge erhielt. Darnach kann es nicht überraschen, wenn der fünfjährige Cyclus seiner neuen Schatzungsordnung anfangs noch fremd war. Fragen wir, wann sie dies Supplement erhalten hat, so ist die Zeitbestimmung dadurch sehr erleichtert, dass alle Jahre, deren Zahlen nicht mit 2 oder 7 endigen, ausgeschlossen bleiben. Da auch das Jahr 292 kaum in Betracht kommen kann, da es dem ersten Census von 289/90 gar zu nahe liegt, so sind die Möglichkeiten auf 297 und 302 beschränkt. Das erste dieser Jahre zeichnet sich dadurch aus, dass damals nach mehr als zehnjährigen Kämpfen das ganze Reich wieder unter dem Scepter Diocletian’s und seiner Mitregenten vereinigt wurde. Denn 296 hatte Constantius Brittannien unterworfen, das seit dem Jahre 286 zuerst unter Carausius, dann unter Allectus seine Selbständigkeit behauptet hatte, und im März 297 fiel Alexandria, wo der Usurpator Achilleus aufgestanden war, nach langer Belagerung. Dies war also der Zeitpunkt, wo die Steuerordnung Diocletian’s zum ersten Male im ganzen Reichsgebiete Anerkennung fand. Um sie in den neugewonnenen Provinzen einzuführen, war eine Schatzung derselben unvermeidlich, und es lag sehr nahe, diese zu einem allgemeinen Reichscensus auszudehnen. Wie uns Eutrop ausdrücklich sagt, wurden nach der Einnahme Alexandria’s grosse Reformen in’s Werk gesetzt, die noch zu seiner eigenen Zeit Dauer hatten[26]. Wir werden wohl nicht irren, wenn wir die Einführung der fünfjährigen Censusperiode ihnen zuzählen.

Wie diese, ist auch der Indictionencyclus in Aegypten entstanden, ja anfangs scheint er ganz ausschliesslich für dieses [288] Land geschaffen zu sein und sich erst allmählich durch das geistige Uebergewicht, das Alexandria im 4. Jahrhundert behauptete, durch das übrige Reich verbreitet zu haben[27]. Denn aus Aegypten besitzen wir schon seit dem Jahre 321/22 eine ganz ansehnliche Zahl von Urkunden, die Indictionenziffern nennen[28]; im Orient[29], Thrakien[30] und Griechenland[31] beginnen sie [289] gleichzeitig um das Jahr 360, im Occident erst 396[32] und bleiben auch dann noch sehr vereinzelt. Man sieht also deutlich, wie diese Zeitrechnung vom Nillande aus zuerst in den Griechischen Osten, dann langsam auch in die Lateinischen Provinzen vordringt. Gesetzlich eingeführt kann sie also, wenn überhaupt, so doch nicht für das gesammte Reichsgebiet, sondern nur für die Aegyptische Diöcese sein; ausserhalb derselben hat sie sich ohne ein directes Eingreifen der Staatsgewalt ganz allmählich eingebürgert.

Dies gilt allerdings nur von dem Cyclus als solchem; das Steuerjahr der Indiction, das mit dem 1. September beginnt, muss überall durch kaiserliche Verfügung geordnet sein. Aber auch dieses knüpft an die Zeitrechnung des Nillandes an. Denn wenn man das Steuerjahr, wie unvermeidlich war, mit dem Ersten eines Monats anfangen wollte, so fand sich kein anderes Datum, das dem Aegyptischen Neujahr des 1. Thoth = 29. August so nahe lag, wie der 1. September.

Man wird erwidern, dass in Aegypten selbst die Indiction nach den Untersuchungen von Wilcken und Hartel nicht mit dem 1. Thoth begann, sondern mit einem wechselnden Datum, das meist in die zweite Hälfte des Monats Payni, mitunter auch in den Anfang des Epiphi fällt[33], was nach Julianischer Rechnung der Zeit von Mitte bis Ende Juni entspricht. Aber diese Einrichtung war nicht ursprünglich, sondern, wie wir sogleich zeigen werden, fiel im Anfang des 4. Jahrhunderts bei den Aegyptern das Finanzjahr noch mit dem bürgerlichen Jahre zusammen.

Valentinian theilte für das ganze Reich die Indiction in drei viermonatliche Theile, vor deren Ablauf, d. h. vor dem 1. Januar, 1. Mai und 1. September, immer ein Drittel der Jahressteuer zu entrichten war[34]. Hieran anschliessend wurde den Beamten, [290] die grössere Zahlungen zu empfangen oder zu leisten hatten, die Pflicht auferlegt, alle vier Monate durch die sogenannten quadrimenstrui breves Rechnung abzulegen[35]. Auch für diese Einrichtung hat Aegypten das Vorbild geliefert. Denn erstens knüpft sie an die uralte Eintheilung des Aegyptischen Jahres in drei Jahreszeiten an, zweitens besitzen wir aus dem Hermopolitischen Gau in einem Berliner Papyros die Rechenschaftslegung einer Dorfbehörde, die das Consulat des Jahres 340 trägt, also ein viertel Jahrhundert älter ist, als die Verordnung Valentinian’s, sich aber doch schon über einen viermonatlichen Zeitraum erstreckt[36]. Dieser umfasst die Monate Pachon, Payni, Epiph und Mesori, das sind die letzten des bürgerlichen Jahres, in welche Zeit der spätere Anfang der Indiction mitten hineinfällt.

Wahrscheinlich aus dem Jahre 345 stammt dann eine Quittung[37], in der einer gewissen Charite, Tochter des Amazonios, bescheinigt wird, dass sie für die 21 Steuereinheiten, auf die sie abgeschätzt war, 756 Pfund Spreu als Brennstoff geliefert habe[38]. Das ergibt auf jede Einheit (iugum) 36 Pfund. Wie man sieht, ist diese Zahl nicht nur durch 4, sondern auch durch 12 theilbar. Da die Naturalsteuern immer nach Monaten berechnet wurden, kann man also die Zahlung ebenso gut als viermonatliche wie als jährliche betrachten. Für unsere Frage gilt beides gleich; denn da die Quittung im letzten Monat des bürgerlichen Jahres, dem Mesori, ausgestellt ist, so würde sie in beiden Fällen darauf hinweisen, dass dieses noch immer mit dem Steuerjahr identisch war.

Anders steht es mit einer zweiten Steuerquittung, die von [291] der oben besprochenen zeitlich nicht sehr weit abliegen kann, weil sie für dieselbe Charite, Tochter des Amazonios, ausgestellt ist[39]. Die 14. Indiction, welche sie nennt, ist also wohl auf das Jahr 355/56 zu beziehen. Sie bescheinigt den Empfang von 800 Sextaren Wein. Diese Zahl ist nicht mehr, wie die der ersten Quittung, durch 21 theilbar, wohl aber durch 20. Man wird darnach vermuthen dürfen, dass die Einschätzung der Charite bei einem späteren Census um ein Jugum herabgesetzt wurde. Nehmen wir dies an, so fallen auf jede Rechnungseinheit 40 Sextaren, eine Ziffer, die sich nicht durch 12, wohl aber durch 4 theilen lässt; wahrscheinlich also ist es eine viermonatliche Rate. Eine solche würde, wenn wir nach dem bürgerlichen Jahre rechnen, in den Monaten Choiak, Pharmuthi und Mesori fällig geworden sein; legen wir dagegen das spätere Indictionenjahr zu Grunde, das in der Regel mit dem Ende des Payni beginnt, so müssen die Zahlungstermine in den Phaophi, Mechir und Payni fallen, und unsere Quittung trägt das Datum des 25. Mechir. Dies leitet zu dem Schlusse, dass die Trennung der Aegyptischen Indiction von dem Kalenderjahr in die Zeit zwischen 345 und 355 fällt.

Wie unsicher alles dies einstweilen noch bleiben muss, ist Keinem deutlicher als mir selbst. Wenn ich es trotzdem vor der Oeffentlichkeit ausspreche, so geschieht dies nur, um diejenigen, denen die reichen Schätze der Papyrossammlungen zugänglich sind, zu veranlassen, dass sie prüfen und, wenn es nöthig ist, widerlegen. Denn oft nützt auch eine falsche Hypothese, wenn sie für die Durchforschung der Quellen neue Gesichtspunkte bietet. Immerhin scheint mir durch jene Hermopolitanische Rechnungslegung wenigstens das Eine sicher bewiesen, dass im Jahre 340 auch in Aegypten das Finanzjahr noch mit dem 1. Thoth begann und folglich in dieser seiner ursprünglichen Gestalt sehr wohl vom übrigen Reiche recipirt werden konnte.

Die spätere Verlegung des Indictionsneujahrs hat ihren Grund in den Veränderungen des Steuerwesens, wie sie durch [292] die Reform Diocletian’s herbeigeführt wurden. Ausführlich hierauf einzugehen, wird sich an einem anderen Orte Gelegenheit bieten; hier mögen die folgenden Andeutungen genügen. Anfangs waren die Steuern der Aegypter insofern fest normirt gewesen, als sie immer den Fünften ihrer Feldfrucht bezahlten; dagegen wird im 4. Jahrhundert die Indiction damit eröffnet, dass ein kaiserlicher Erlass festsetzt, wie viel an Korn, Wein u. s. w. auf jede Rechnungseinheit (iugum) zu entrichten sei. Diese „Ansage“ heisst indictio, und nach ihr ist das Steuerjahr benannt. Der fundamentale Unterschied gegenüber der früheren Praxis besteht also darin, dass nicht mehr ein aliquoter Theil der Ernte, der sich in seinem procentualen Verhältniss immer gleich bleibt, von den Unterthanen erhoben wird, sondern eine genau bestimmte Anzahl von Scheffeln Korn oder Massen Wein, die nach dem jedesmaligen Staatsbedürfniss abgemessen wird und jedes Jahr wechseln kann. Nach der Zahl der Juga, welche ihr Gebiet umfasst, wird die geforderte Summe zunächst auf die Städte repartirt, und dann haben die Municipalbeamten die Pflicht, sie auf die einzelnen Grundbesitzer nach der Höhe ihrer Einschätzung weiterzuvertheilen. Nun fiel der 1. Thoth gerade in die Zeit, wo ganz Aegypten unter Wasser lag. Solange Jeder auch ohne besondere Ankündigung wusste, wie viel Steuern er zu zahlen hatte, kam darauf nichts an; seit aber jedes Finanzjahr mit der Ausschreibung einer wechselnden Steuersumme und mit deren Umlegung auf die einzelnen Grundstücke anfing, behinderte die Ueberschwemmung sowohl den Verkehr der Boten als auch die Uebersicht über den Zustand des steuerpflichtigen Ackers. Nachdem man diese Unbequemlichkeiten eine Zeitlang ertragen hatte, entschloss man sich, sie zu beseitigen, indem man das Neujahr der Indiction auf die Zeit vor dem Beginn der Nilschwelle verlegte. Wenn man kein festes Datum, z. B. den 1. Payni oder den 1. Epiph, dafür wählte, so mag dies darin begründet sein, dass man jedesmal den Ausfall der Ernte abwarten wollte, um darnach die Steuerkraft der Pflichtigen besser bemessen zu können. In diesem Sinne war der 1. September für das übrige Reich ein sehr passendes Datum; die Kornfrucht war dann längst eingebracht und die Weinlese stand unmittelbar bevor, so dass sich die Erträge der beiden wichtigsten Kulturzweige mit einiger [293] Sicherheit bestimmen liessen. Für die Wahl dieses Jahresanfangs war, wie wir sahen, die Aegyptische Zeitrechnung entscheidend gewesen; seine praktische Brauchbarkeit scheint daneben nur in zweiter Linie mitgesprochen zu haben. Wohl aber war diese der Grund, warum er in den anderen Ländern des Mittelmeeres beibehalten, im Nillande selbst verändert wurde.

Wenn der Indictionencyclus in Aegypten entstanden ist und anfangs nur für Aegypten bestimmt war, so ist die Annahme nicht abzuweisen, dass er an Institutionen, die diesem Lande schon früher eigenthümlich waren, in irgend einer Weise anknüpfte. Nun wissen wir durch die neuesten Papyrosforschungen[40], dass schon seit dem 1. Jahrhundert der Kaiserzeit alle vierzehn Jahre im Nillande eine allgemeine Volkszählung stattfand. Eine solche ist von einem Census, namentlich wie ihn Diocletian gestaltet hatte, ganz verschieden. Denn während dieser sich auf die Abschätzung der steuerbaren Vermögensobjecte, in Aegypten ausschliesslich des ländlichen Grundbesitzes, beschränkte, bezog sich jene auf den Personalbestand der Bevölkerung. Trotzdem waren beide Acte so nahe verwandt und erforderten eine so ähnliche Thätigkeit der Verwaltungsorgane, dass es sich aus technischen Rücksichten empfahl, sie zusammenzufassen. Doch eine vierzehnjährige Periode mochte zwar für die Volkszählungen, die praktisch von ziemlich geringer Bedeutung waren, angemessen erscheinen; für den Census dagegen war sie entschieden zu lang, weil sich in ihrem Verlauf die Vermögensverhältnisse zu sehr ändern mussten, als dass während ihrer ganzen Dauer eine einmalige Abschätzung als Grundlage der Steuererhebung hätte dienen können. Dies sind, wie ich vermuthe, die Gründe gewesen, warum man die Schatzungsperiode nach dem Muster der republikanischen Zeit zu einer fünfjährigen machte und zugleich (das wäre eine weitere Vermuthung) den Zwischenraum der Volkszählungen um ein Jahr verlängerte, damit sie mit jedem dritten Census zusammenfallen könnten.

Die Hypothese, dass der fünfzehnjährige Cyclus auf diese Weise entstanden sei, begegnet allerdings einer grossen Schwierigkeit; jene Volkszählungen sind nämlich nur bis zum Jahre 229/30 nachweisbar. Daraus folgt freilich noch nicht, dass sie später aufgehört [294] hätten. Wenn man nach dem Vorbilde des Römischen Census die schriftlichen Meldungen des Personalbestandes in mündliche verwandelte, so würde es sich dadurch zur Genüge erklären, warum die Meldezettel, durch welche sich uns die einzige Kunde von jenen Zählungen erhalten hat, von einer bestimmten Zeit an verschwinden.

Uns ist die bisher noch nie gelöste Aufgabe gestellt, einen Grund zu finden, warum man den Cyclus gerade auf fünfzehn Jahre bemass; dass die Anknüpfungspunkte dafür in Aegypten gesucht werden müssen, steht ausser allem Zweifel. Wenn sich nun hier eine ältere Periode thatsächlich findet, von der aus der Uebergang zu dem späteren Indictionencyclus sich leicht und natürlich erklären lässt, so kann man doch kaum den Schluss abweisen, dass wir in ihr das Wort des Räthsels zu suchen haben.

Wie aber kam man dazu, diesen neuentstandenen Cyclus für die Datirung zu benutzen? Den Anlass dazu bot wahrscheinlich die Vielherrschaft, die mit Diocletian begann und im ganzen 4. Jahrhundert nur sehr wenige und kurze Unterbrechungen erfuhr; denn sie machte die Zeitrechnung nach Kaiserjahren, die vorher in Aegypten geherrscht hatte, gar zu weitschweifig und complicirt. So bedurfte man z. B., um das Jahr 313/14 zu bezeichnen, folgender langen Tirade: „Im 10. Jahre des Maximinus Augustus, im 9. des Constantinus Augustus, im 6. des Licinius Augustus“, oder für das Jahr 333/34: „Im 29. Jahre des Constantinus Augustus, im 18. des Constantinus Cäsar, im 10. des Constantius Cäsar, im 2. des Constans Cäsar.“ Irgend einen der Kaiser aus der Reihe wegzulassen, wäre für diesen beleidigend gewesen; man musste sie also alle neben einander nennen und bei jedem eine andere Jahreszahl! Jedenfalls war es viel bequemer, wenn man einfach sagte: „Im so und so vielten Jahre nach der letzten Volkszählung“ oder, da ja jedes Jahr mit der Ansage der Steuern begann, „in der so und so vielten Indiction“. Wahrscheinlich ist diese Form der Datirung nicht gesetzlich eingeführt, sondern zuerst im Volksmunde entstanden und dann allmählich auch in den officiellen Sprachgebrauch eingedrungen[41].

[295] Für das Anfangsjahr der Indictionenrechnung besitzen wir nur ein ausdrückliches Zeugniss, und dieses ist von sehr zweifelhafter Art. Das Chronikon Paschale berichtet beim Jahre 42 v. Chr.: Γάϊος ᾿Ιούλιος Καῖσαρ πρῶτος Ῥωμαίων ᾑρέθη μονάρχης βασιλεύς. Unter demselben Jahre steht dann noch: ἀρχὴ ἰνδικτιώνων. Später wird unter dem Jahre 312 n. Chr. ausführlich erzählt, wie Constantin als Erster (πρῶτος) den Römischen Christen die Freiheit gab, und dann hinzugefügt: ἰνδικτιώνων Κωνσταντινιανῶν ἐντεῦθεν ἀρχή. Nun ist das Chronikon Paschale für das 4. Jahrhundert zwar eine sehr werthvolle Quelle, aber nur soweit es aus der Chronik von Constantinopel geschöpft hat, und dies verräth sich fast immer dadurch, dass es mit den Fasten des Hydatius, mit Hieronymus oder mit Sokrates übereinstimmt. Wo seine Nachrichten ganz allein stehen, wie in unserem Fall, taugen sie dagegen gar nichts. Dass schon im Jahre 42 v. Chr. die Indictionen begonnen haben, glaubt kein Mensch; wenn man aber diese Notiz verwerfen muss, welches Recht hat man, die ganz gleichartige unter dem Jahre 312, die mit jener in deutlichem Zusammenhange steht, für gut beglaubigt zu halten? Beide Jahre sind nach der Ansicht des Chronisten epochemachend gewesen; denn das erste bezeichnet für ihn den Beginn des Kaiserthums überhaupt, das zweite den Beginn des christlichen Kaiserthums. Offenbar hat er sie nicht auf Grund irgend einer echten Ueberlieferung, sondern nur um jener historischen Bedeutung willen zu Ausgangspunkten seiner Indictionenrechnung gemacht.

Aber selbst wenn die Autorität der Chronik mehr Beachtung verdiente, wäre ihr Zeugniss aus inneren Gründen so unwahrscheinlich, dass wir ihm dennoch den Glauben versagen müssten. Im Jahre 312 stand Aegypten unter der Herrschaft des Maximinus Daja. Dieser hat, soweit unsere Kunde reicht, das Land niemals besucht; dass er tiefgreifende Aenderungen in seiner Verwaltung vorgenommen habe, ist also kaum anzunehmen. 311 bemächtigte er sich der Diöcesen Asia und Pontus und musste jeden Augenblick erwarten, dass Licinius sie ihm mit gewaffneter Hand entreisse; 312 hatte er gegen die Armenier zu kämpfen und bereitete zugleich seinerseits den Bürgerkrieg vor, der Anfang 313 zum Ausbruch kam[42]. Der Zeitpunkt war [296] also höchst ungeeignet für innere Reformen. Endlich ist Maximinus nach seinem Tode für einen Tyrannen erklärt worden, wodurch alle seine Regierungshandlungen nichtig wurden[43]. Mithin ist es nicht glaublich, dass eine Anordnung, die er in Aegypten getroffen hatte, jahrhundertelange Dauer behielt. Die Einführung der fünfzehnjährigen Periode kann also kaum in das überlieferte Jahr gesetzt werden. Da nun schon aus demjenigen Cyclus, der von 312 bis 327 läuft, Datirungen nach Indictionen erhalten sind, so muss sie früher stattgefunden haben.

Zählen wir von 312 fünfzehn Jahre rückwärts, so gelangen wir auf 297. Wir haben schon oben gesehen, dass zu jener Zeit Diocletian in Aegypten war und dass er dort, wie uns ausdrücklich bezeugt ist, umfassende Reformen in der Reichsverwaltung zum Abschluss brachte. Die Feststellung der fünfjährigen Censusperiode glaubten wir in dieses Jahr setzen zu müssen; da der Indictionencyclus mit ihr in so engem Zusammenhange steht, dürfte es wohl mehr als wahrscheinlich sein, dass er mit ihr zugleich geschaffen ist.

Aber liegt nicht in der Thatsache, dass aus dem Cyclus, der mit 312 beginnt, die ersten nach Indictionen datirten Urkunden erhalten sind, eine Bestätigung für die Nachricht des Chronikon Paschale? Mir scheint eher das Gegentheil. Ich will mich nicht darauf berufen, dass noch frühere Urkunden entsprechender Art künftig auftauchen können; ich selbst halte dies nicht eben für sehr wahrscheinlich. Denn die fünfzehnjährige Periode ist ja nicht für die Datirung geschaffen worden; bis man begann, sie im mündlichen Verkehr für diesen Zweck zu benutzen, muss einige Zeit vergangen sein, und wieder einige Zeit, bis dieser Gebrauch auch in den officiellen Stil der Urkunden eindrang. Wenn also das erste Denkmal, in dem uns die Zählung der Indictionen begegnet, vierundzwanzig Jahre später ist als der Aufenthalt Diocletian’s in Aegyten, so scheint mir dieser Zwischenraum zwischen der Einführung des Cyclus und seiner Verwendung für urkundliche Datirungen gerade so lang, wie wir ihn nach der Lage der Dinge erwarten müssen.



Anmerkungen

  1. Cod. Theod. XIII, 10, 1: Quoniam tabularii civitatum per collusionem potentiorum sarcinam ad inferiores transferunt, iubemus, ut, quisquis se gravatum probaverit, suam tantum pristinam professionem agnoscat.
  2. Cod. Theod. XII, 11, 15–17. 6, 9. VI, 2, 19.
  3. Cod. Theod. X, 3, 7. XI, 28, 12.
  4. Cod. Theod. XI, 4: si quis collator iugationem suam logographo commiserit, eam fisco noverit vindicandam.
  5. Cod. Theod. XIII, 11, 2. 3.
  6. Man könnte versucht sein, für Honorio nb. p. et Euodio coss. zu schreiben: p(ost) c(onsulatum) Honorii nb. p. et Euodii. Diese Form der Datirung ist auch bei einem anderen Gesetz des Jahres 387 überliefert (Cod. Theod. I, 29, 6) und hat bekanntlich sehr oft zu Verwechslungen zweier auf einander folgender Jahre Anlass gegeben. Zeitschr. d. Savigny-Stiftung X S. 36.
  7. Cod. Theod. XIII, 11, 11: per hoc quinquennium multos comites ac peraequatores nec non etiam discussores per diversas provincias constat esse directos.
  8. Cod. Theod. XI, 28, 16: a sexta indictione, ad quam superior indulgentia usque processit, ad undecimam nuper transactam – reliqua indulgemus. – nihil de his viginti annis speret publicorum cumulus horreorum. 9: per omnes provincias Orientis ex indictione undecima Valentiaca in quintam usque nuper transactam indictionem, annorum scilicet quadraginta – concessimus reliqua. Ganz ähnlich auch Cod. Theod. XI, 28, 10. Wenn in dem einen Fragment von der sechsten, in den zwei anderen von der fünften Indiction die Rede ist, so ist dies auf den Anfang von jener und das Ende von dieser zu beziehen, welche ja zusammenfielen; denn dass in beiden Fällen dasselbe gemeint ist, ergibt sich aus den Zeiträumen von 20 und 40 Jahren. Ebenso muss man es verstehen, wenn in den Gesetzen Cod. Theod. XI, 28, 3; 7; 17 statt der ersten Indiction die fünfzehnte, statt der elften die zehnte genannt wird. Auch die beiden Steuernachlüsse von 362 und 423 (Cod. Theod. XI, 28, 1. 14) fallen auf sechste Indictionen. In dem Erlass XI, 28, 8 sind die Indictionszahlen falsch, wie die beigeschriebenen Consulate beweisen; von diesen fällt, der Regel gemäss, das eine auf die erste (387), das andere auf die sechste Indiction (407).
  9. Sozom. V, 4: τὸ δὲ πλῆθος τῶν χριστιανῶν σὺν γυναιξὶ καὶ παισὶν ἀπογράψασθαι καὶ καθάπερ ἐν ταῖς κώμαις φόρους τελεῖν.
  10. Cod. Theod. XI, 28, 1.
  11. Cod. Just. XI, 62, 5; Cod. Theod. VII, 6, 3.
  12. Cod. Theod. XIII, 11, 4; 5.
  13. Cod. Theod. XI, 28, 13: breves, quos spectabiles et probatissimi nobis viri ad palatinorum sacrarum vel ad praetoriana scrinia detulerunt, et professionis modum eum, qui brevibus sedit, scribi volumus.
  14. Cod. Theod. X, 10, 31.
  15. Cod. Theod. XIII, 6, 10. VI, 23, 2 mit der Anm. Gothofreds.
  16. CIL. X, 407.
  17. Cod. Theod. XIII, 10, 5.
  18. Cod. Theod. XIII, 11, 1.
  19. Cod. Theod. XIII, 11, 13.
  20. De mort. pers. 26: ordinabantur iam censitores, qui Romam missi describerent plebem. Wenn der Census selbst noch vor dem Tode des Constantius (Juli 306) erzählt wird, so kommt das chronologisch nicht in Betracht, denn jene Schilderung gehört zu einer allgemeinen Charakteristik von Galerius’ ganzem Regierungssystem, in der ein Vorgreifen auf spätere Ereignisse durchaus am Platze war.
  21. Hiermit erledigt sich wohl die Vermuthung Mommsen’s, Abh. d. k. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. II S. 578, dass der Indictionencyclus nicht mit der Censusperiode, sondern mit der Osterberechnung zusammenhänge. Wenn die Ostertafel des Chronographen von 354 mit dem Jahr 312 beginnt, so wird dies freilich darin seinen Grund haben, dass in jenem Jahre das Christenthum unter die Staatsculte aufgenommen wurde, aber mit dem Indictionencyclus hat es schon darum nichts zu thun, weil ja, wie Mommsen selbst bemerkt, das Osterfest der ersten Indiction nicht 312, sondern 313 stattfand.
  22. Die frühesten Stellen, in denen das Wort capitatio vorkommt, sind zwei Verordnungen aus den Jahren 290 und 293 (Cod. Just. XI, 55, 1; IV, 49, 9). In den Digesten, wo zu seiner Anwendung Gelegenheit genug gewesen wäre, findet es sich nur in einem Fragment des Arcadius Charisius (L, 4, 18 § 29), der schon unter Constantin schrieb.
  23. Cod. Just. VIII, 53, 7: censualis quidem professio domino praeiudicare non solet, sed si in censum velut sua mancipia deferenti privigno tuo consensisti, donationem in eum contulisse videris. 8: si praeses provinciae non donandi voluntate filiorum tuorum nomine praedia in censum detulisse te manifestis probationibus cognoverit, quod fides veri suggesserit, statuet.
  24. Cod. Just. IX, 41, 9.
  25. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt I S. 26.
  26. Eutr. IX, 23: Diocletianus obsessum Alexandriae Achilleum octavo fere mense superavit eumque interfecit. victoria acerbe usus est; totam Aegyptum gravibus proscriptionibus caedibusque foedavit. ea tamen occasione ordinavit provide multa et disposuit, quae ad nostram aetatem manent. Ueber die Zeit s. Seeck, Gesch. des Untergangs der antiken Welt I S. 420.
  27. Dies hat zuerst De Rossi, Inscript. christ. urbis Romae I S. XCVIII ausgesprochen, und die späteren Papyrosfunde haben seine Ansicht glänzend bestätigt.
  28. Vom Jahr 321/22: Papyros Erzherzog Rainer. Führer durch die Ausstellung. Wien 1894, Nr. 292, 294. – Wenig später (329) beginnen die Festbriefe des heiligen Athanasius, deren Ueberschrift immer neben dem Consulate die Indiction nennt. – Vom Jahr 330 Führer Nr. 300. – Vom Jahr 341 Wessely, Neue Griechische Zauberpapyri S. 9 Anm. 2. Denkschr. d. k. k. Akad. in Wien 1893. – Vom Jahr 348 Führer Nr. 312. Auch Nr. 299, 301, 304, 305, 306, 307, 308, 309 gehören dieser Zeit an, aber ohne dass sich das Jahr genau bestimmen liesse. – Aus dem Jahr 356 stammt das erste Kaisergesetz, dessen Datirung die Indictionsziffer trägt (Cod. Theod. XII, 12, 2). Seinem Inhalt nach bezieht es sich gleichfalls auf Aegypten und ist jedenfalls aus dem Alexandrinischen Archiv in die Sammlung des Theodosius gelangt. Vgl. Seeck, Die Zeitfolge der Gesetze Constantin’s, Zeitschr. d. Savigny-Stiftung X S. 4 ff. Die Unterschrift des Gesetzes lautet: dat. XVIII kal. Febr. Mediolano. Indictione XV. Constantio A. VIII et Juliano C. coss. Die Nummer der Indiction passt wohl zu dem Ende des Consulatsjahres, nicht aber zu dem Datum des 15. Januar; doch ist darum nicht die Ziffer zu ändern, wie Gothofredus vorgeschlagen hat, sondern eine Lücke anzunehmen. Dem Datum war ursprünglich auch das Propositum hinzugefügt und dieses ist, wie in unzähligen Gesetzen des Codex Theodosianus (Seeck a. a. O. S. 38), nur verstümmelt erhalten. Zu ergänzen ist etwa folgendermassen: Datum XVIII kal. Febr. Mediolano, propositum kal. Oct. Alexandriae Indictione XV Constantio A. VIII et Juliano C. coss. Der Tag des Propositum ist natürlich nur beispielsweise gesetzt; doch kommt es sehr oft vor, dass er dreiviertel Jahre und selbst noch mehr nach dem des Datums liegt; es ist also gar kein Hinderniss, die Ziffer der Indiction für richtig zu halten. Dies ist insofern von Wichtigkeit, als es zeigt, dass die Datirung nach Indictionen nicht der kaiserlichen Kanzlei in Mailand angehört, sondern erst in Aegypten mit dem Empfangsvermerk dem Gesetze hinzugefügt ist.
  29. Vom Jahre 360 Cod. Theod. VIII, 5, 11 gerichtet an den Praefectus Praetorio Orientis; 369 Cod. Theod. X, 23 bezieht sich auf Syrien.
  30. Julian. epist. 47 p. 428 D bezieht sich auf Thrakien. Der Brief ist nicht datirt, doch dauerte die Regierung des Kaisers ja nur von 361 bis 363.
  31. Vom Jahre 359/60 Bull. de corr. hell. XVI S. 103: Καθ᾽ ἔτος ἕκαστον ἐκ τῆς τρίτης ἐπιν(εμήσεως). Das Decret ist datirt durch den Proconsul P. Ampelius, der es erlassen hat; s. Pauly-Wissowa, Real-Encyclopädie I S. 1881.
  32. Das älteste occidentalische Gesetz vom Jahr 396 Cod. Theod. VII, 4, 23; vom Jahr 400 Cod. Theod. XI, 20, 3; vom Jahr 401 Cod. Theod. XI, 17, 3. 28, 3. Die älteste Lateinische Inschrift vom Jahr 423 CIL. V, 1623.
  33. Hermes XIX S. 293; XXI S. 278. Wiener Studien V S. 12.
  34. Cod. Theod. XI, 1, 15. 16. 7, 11. 19, 3. XII, 6, 15. I, 5, 11; Nov. Maior. II, 3. Cod. Just. X, 16, 13 § 5. Liban. in Tisam. II, 251 Reiske; Cassiod. var. II, 24. XI, 7. XII, 2.
  35. Cod. Theod. XI, 25, 1. XII, 1, 173 § 2. 6, 27 § 1.
  36. Aegyptische Urkunden aus den königlichen Museen zu Berlin I, 2, 21. Wessely, XXII. Jahresber. d. k. k. Staatsgymnasiums im 3. Bezirk von Wien S. 11 ff.
  37. Von derselben Charite, Tochter des Amazonios, befinden sich in der Sammlung des Erzherzogs Rainer Urkunden, die mit den Consulaten von 341 und 348 datirt sind; darnach ist es wahrscheinlich, dass sich die dritte Indiction der Quittung auf das Jahr 344/45 bezieht.
  38. Wessely, Neue Griechische Zauberpapyri S. 9 Anm. 2 liest folgendermassen: ἔχ[ομεν πα]ρὰ σοῦ ὑπὲρ τρίτης ἰνδικ[τίωνος] κάνονος και… ἀχύρου λίτρας ἑπτακοσίας πεν[τήκοντα] ἔξ. An der unleserlichen Stelle, welche durch Punkte bezeichnet ist, muss man ergänzen κάνονος κα ἰούγ(ων); dies ist dadurch sicher gestellt, dass die Zahl der Pfunde durch 21 theilbar ist.
  39. In Deutscher Uebersetzung veröffentlicht von Wessely, XXII. Jahresbericht d. k. k. Staatsgymnasiums im 3. Bezirk von Wien S. 15 und Führer Nr. 305.
  40. Wilcken, Hermes XXVIII S. 240.
  41. Die alte Art der Datirung nach Kaiserjahren finde ich zum letzten Male in einer Aegyptischen Urkunde vom 25. Juli 307 (Führer Nr. 291); die Rechnung nach Indictionen lässt sich zuerst 321/22 nachweisen (S. 288 Anm. 2). Dass das Aufhören jener und der Beginn dieser zusammenhängen, ist darnach mehr als wahrscheinlich.
  42. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt I S. 109; 133; 142.
  43. Ueber die Ausradirung seines Namens auf den öffentlichen Denkmälern, welche dies beweist, s. Rhein. Mus. XLVIII S. 199.