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Am 15. September in Heidelberg, 62 J. alt, Prof. Dr. Th. Süpfle, Verfasser einer 2bändigen Geschichte des Deutschen Cultureinfluses auf Frankreich (Gotha 1886–90).

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Alle anderen Namen dieser unserer letzten Todtenschau überragt für die Fachgenossen an Bedeutung der eine Name Heinr. von Sybel’s, gestorben in Marburg am 1. August 1895. Sybel war ein Sohn der Rheinlande, am 2. Dezember 1817 in Düsseldorf geboren. In einer geistig angeregten Umgebung aufgewachsen, sehr jung zur Universität gekommen, wurde er in Berlin ein Schüler Ranke’s in der ersten glänzendsten Zeit des Ranke’schen Seminars, als fast gleichzeitig auch Waitz, Giesebrecht, Dönniges und Wilmans demselben angehörten. Er promovirte im April 1838 mit einer Dissertation über die Quellen des Jordanes. Nach der Habilitation in Bonn (1840) war sein erstes grösseres Werk die quellenkritisch so bedeutsame „Geschichte des 1. Kreuzzuges“. Es folgte 1844 die „Entstehung des Deutschen Königthums“, ein Buch recht entgegengesetzt dem fast gleichzeitig erschienenen 1. Bande von Waitz’ Verfassungsgeschichte und nach Jahrzehnten in 2. Auflage dem literarischen Gegner von einst gewidmet. In den nächstfolgenden Jahren vollzog sich eine Wandlung seines Interessenkreises: neuere Geschichte und Politik nahmen die Stelle mittelalterlicher Entwicklung ein. Die sich geltend machenden Einflüsse sind doppelte: literarisch-wissenschaftlich die Briefe Edm. Burke’s, politisch die Zeitereignisse, zunächst die klerikale Bewegung mit der durch sie provocirten Gegenströmung, dann die Umwälzung von 1848. Er griff literarisch der Zeit naheliegende Themata auf (den heiligen Rock, Burke und die Französische Revolution, die Parteien in den Rheinlanden, das Verhältniss der Universitäten zum öffentlichen Leben) und nahm activ an der Politik Theil, im Vorparlament, im Kurhessischen Landtag (denn er war inzwischen nach Marburg berufen) und im Erfurter Parlament, wo er überall den Standpunkt eines religiös aufgeklärten, politisch zurückhaltenden, liberalen Bürgerthums vertrat, gleich entschiedener Gegner des Ultramontanismus wie der Demokratie. Die beiden Motive vereinigten sich in dem Hauptwerk seines Lebens, der weltbekannten Geschichte der Revolutionszeit 1789–1800, die 1853 zu erscheinen begann. Im Herbst 1856 folgte er nach längeren Verhandlungen einem Rufe König Max’ nach München. Dort errichtete er an der Universität das historische Seminar, organisirte zusammen mit Ranke die Historische Commission, deren erster Secretär er wurde, übernahm für sie die Herausgabe der Deutschen Reichstagsacten und gründete die Historische Zeitschrift. Da seine Stellung in München, besonders durch seine ausgesprochen Preussische Richtung schwieriger wurde, ging er 1861 als Nachfolger Dahlmann’s nach Bonn. Dort betheiligte er sich auch wieder an der Politik. Im Abgeordnetenhaus war er wie Gneist in den Conflictsjahren ein erbitterter Gegner des Ministeriums Bismarck. Von ihm und Gneist stammten die schärfsten Worte vom „Unrecht, das alle Scham verloren hat“ und vom „Kainszeichen des Verfassungsbruchs, das auf der Stirn der Regierung brenne“. Nach 1866 mit Bismarck ausgesöhnt, wurde er nach 1870 einer der wärmsten Bewunderer des Reichskanzlers, dessen Wege er besonders auch im Culturkampf, dann auch in der Bekämpfung der freiheitlich gesinnten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_386.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2023)