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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

gerieten einander in die Haare. Figürlich gesprochen natürlich. Das Ergebnis war eine Pistolenforderung, die aber der Geforderte wiederum ablehnte. Doch unterließ er es in diesem Fall, seinen Gegner vor den Kadi zu schleppen; aus welchen Gründen, wäre interessant zu wissen.

Die ersten Tage hatte es den Anschein gehabt, als ob die Verurteilung des Angeklagten die selbstverständlichste Sache der Welt sei. Dementsprechend war auch die Stimmung des Publikums im Saale gewesen. Allmählich wurde das anders.

Bei der Vernehmung der Leumundszeugen trat die Parteilichkeit des Vorsitzenden immer krasser in die Erscheinung. Zeugen, die irgend etwas aussagten, was ein schlechtes Licht auf mich werfen konnte, faßte er mit Sammetpfoten an, den anderen zeigte er die Krallen. Einer meiner Universitätsfreunde wußte von Ausschweifungen zu erzählen, die ich mir während des ersten Semesters zuschulden kommen ließ. Harmlose Dinge, im Grunde genommen, diese Besuche in der Hochbergstraße; aber sie wurden aufgebauscht und des langen und breiten erörtert, wie wenn sie zur Begründung der Anklage von der allergrößten Wichtigkeit gewesen wären. Ich sehe noch heute die tugendhafte Entrüstung in dem Gesichte eines der Beisitzer, dessen pharisäerhaftes Getue mir so sehr auffiel, daß ich mich genauer nach ihm erkundigte; wie zu erwarten war, ergab sich, daß er alle Veranlassung gehabt hätte, sich Zurückhaltung aufzuerlegen.

Wehe aber dem Zeugen, der sich mit Wärme für mich einsetzte. Ein junger Philologe, mit dem ich jahrelang intim verkehrt hatte, nahm sich heraus, zu sagen, es sei absurd, mir ein solches Verbrechen zuzutrauen. Hui, fuhr der Vorsitzende ihm über den Mund! Wie er sich unterstehen könne usw.; die ihm gestellten Fragen habe er zu beantworten, aber seine Meinungen solle er für sich behalten, die hätten hier gar keinen Wert. Nun, vielleicht hätten sie doch einigen Wert, versetzte der junge Mann kaltblütig, wenn nicht für den Staatsanwalt und den Vorsitzenden, so doch für die Geschworenen und am Ende auch für den Angeklagten.

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/122&oldid=- (Version vom 31.7.2018)